Alle hatten mich gewarnt. Athanasios. Kain. Sogar Dante hatte immer mal wieder kleine Andeutungen gemacht, die ich nie verstanden hatte. Doch nun ergab alles einen Sinn.

Ich ballte die Hände zu Fäusten und biss auf meine Zunge und unterdrückte die Tränen so gut es ging. Dabei ignorierte ich den stechenden Blick von Atlas. Er wollte zu mir, doch ich war mir nicht sicher, ob ich in meinem derzeitigen Zustand seine Berührungen ertragen konnte.

Denn ich wollte seine Seele nicht, sondern ihn. Aber das Schicksal schien uns für irgendetwas bestrafen zu wollen. Jedes Mal, wenn wir uns ein kleines bisschen zu nah kamen, katapultiere es uns wieder auseinander. Als wollte es nicht, dass wir zusammen waren.

Nun würden unsere Seele wohl nach all dieser Zeit endlich wieder eins werden. Doch ich wollte das nicht, nicht auf diese Weise. Alles in mir widerstrebte sich dagegen, seine Seele anzunehmen und sie weiterhin mit meiner verschmelzen zu lassen. Ich bündelte die Macht, die nicht meine war, in meinen Fingerspitzen, hielt sie weit weg von meiner gebrochenen Seele, die sich wehklagend windete. Denn sie wusste, dass sie niemals komplett sein würde, wenn Atlas kein Teil mehr dieser Erde sein würde. Alles wonach ich mich sehnte, war er. Nicht seine Seele, die mich heilte. Auch mit seiner Seele in mir, würde ich mich niemals ganz fühlen.

Eine untragbare Traurigkeit formte sich in meiner Brust. Mein Hals schnürte sich zu, während meine Sicht zunehmend verschwamm. Die Wände kamen auf mich zu und engten mich ein. Meine Hände krampften sich um die Stuhllehne. Ich versuchte, gegen die Übelkeit und den Schwindel anzukämpfen, doch mit jeder verstrichenen Sekunde spürte ich, wie ich mich immer mehr verlor.

Der Gedanke, er würde bald nicht mehr bei mir sein, raubte mir den Atem.

Und dann hielt mich nichts mehr.

Ruckartig stand ich auf und floh aus dem trostlosen Zimmer. Sobald ich es irgendwie geschafft hatte, den kalten Türgriff nach unten zu drücken, spürte ich, wie mich eine Flut an Panik überfiel. Sturzflutartig brach sie über mich hinein und riss alles, was noch von mir übrig war, mit sich. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, als ich mich mit zitternden Gliedern an der Wand neben mir nach Halt suchte. Ich hyperventilierte, versuchte zu atmen, doch kein Sauerstoff füllte meine Lungen. Tränen der Verzweiflung und des Frustes verschleierten mir die Sicht und tropften auf das weiße T-Shirt, das an einigen Stellen noch immer mit Eliahs Blut befleckt war. 

Meine Gedanken überschlugen sich.

Ich allein würde schuld sein an seinem Tod.

Wieder schnappte ich nach Luft, doch ich ließ es nicht zu, dass der Sauerstoff meine Lungen erreichte.

Immer wieder hörte ich diesen Satz in meinen Ohren schallen. Der Schmerz explodierte in meiner Brust. Die fremde Macht kribbelte wie verrückt in meinen Fingerspitzen. Plötzlich spürte ich, wie der Boden stark zu vibrieren begann, als würde ein Erdbeben das Krankenhaus erschüttern. Kurz darauf fegte ein starker Luftzug durch den Gang, der alle Türen aus ihren verschränkten Angeln hob, ehe sie krachend zu fielen.

Ich riss die Augen auf, ehe ich mir die Hände schützend auf meine Ohren legte. Ich wollte nichts hören von der Welt, die mich in die Knie zwingen wollte.

Der Boden unter mir rüttelte gefährlich.

Ich wollte schreien, doch kein Laut kam über meine Lippen. Die fremde Macht steigerte den Schmerz in mir ins Unermessliche. Es fühlte sich so an, als würde jemand mein Herz herausreißen.

Erst als sich zwei starke Arme schützend um mich legten und ein eiskalter Hauch meine Nackenhaare aufstellen ließ, ebbte das Beben schlagartig ab.

Ich schniefte, während ich mich in die vertraute Wärme fallen ließ, die mich auffing. Atlas drückte meinen zitternden Körper an sich und ich klammerte mich an ihm fest, als wäre er meine Rettungsleine. Ich drohte in meiner Trauer und den Schuldgefühlen zu ertrinken. Doch Atlas zog mich aus den peitschenden Wellen zurück in seinen Schutzraum, den er nur für mich geschaffen hatte.

Soulless - Auf ewig verbundenWhere stories live. Discover now