Kapitel 25: Sol

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Bevor ich in der Lage war, jemanden aufzugeben, versuchte ich es

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Bevor ich in der Lage war, jemanden aufzugeben, versuchte ich es. Immer und immer wieder, bis nichts mehr in mir übrigblieb.

Seit diesem Tag war er nicht mehr aufgetaucht.

Er war einfach verschwunden, fast so als hätte er nie existiert. Und manchmal, wenn es besonders schlimm war, und die Erinnerung seiner Haut an meiner mich nicht mehr beruhigen konnte, dann glaubte ich der Stimme in meinem Kopf. Amy, die mir immer wieder zuflüsterte, dass er nicht real gewesen war und ich mir all die Gespräche nur eingebildet hätte. Wie auch die dunkelgrauen Streifen an meinem Hals, die mittlerweile jeden Tag mehr verblasten.

Vielleicht hatte sie recht, obwohl ich tief in mir wusste, dass es nicht so war.

Doch auf diese Weise war es einfacher zu akzeptieren, dass er mich einfach so ohne ersichtlichen Grund aus seinem Leben gestrichen hatte.

Nur mit Amy in meinem Kopf, die mich täglich förmlich anschrie, aufzustehen, um wieder einen neuen Tag zu überleben, in dem Atlas kein Teil sein würde, schaffte ich es weiterzumachen.

Aber heute war es anders. Ich spürte es in dem Moment, als ich morgens die Augen aufgeschlagen hatte.

Ich konnte es tief in meinen schmerzenden Knochen und Muskeln spüren. Es war, als würde ein Lastwagen auf mir liegen. Jede noch so kleine Bewegungen verlangte mir alles ab. So fühlte es sich also an, langsam zu sterben.

Ich akzeptierte es. Vielleicht, weil ich nicht mehr die Kraft hatte, die Dunkelheit in meinem Inneren zu verdrängen, da ich all das Licht, das ich in mir getragen hatte, Atlas schenkte. Nun war ich leer. Obwohl ich nie wirklich vollständig war. Was für eine Ironie.

Und auch wenn ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, weil Amy in meinem Kopf gerade Achterbahn fuhr, setzte ich einen Schritt vor den anderen. Amys freudiges Kreischen hatte für mich unerträgliche Kopfschmerzen zu Folge, die mich kaum klar sehen ließen.

Deshalb sah ich auch nicht den Bordstein, mit dem ich wenige Sekunden später Bekanntschaft machte. Ich schlug mir die Hände und Knie auf. Doch anstatt mich schnell wieder hochzurappeln, saß ich einfach da und versuchte krampfhaft die Tränen zurückzuhalten. Ich biss die Zähne fest aufeinander, um das Schluchzen zu unterdrücken, das schon den ganzen Tag über unter der Oberfläche kratzte. Und während ich auf dem kalten Asphalt hockte, realisierte ich, dass ich an meinem persönlichen Tiefpunkt angekommen war. Es würde nie mehr besser werden. Ich war am Ende.

Ich wollte nicht mehr.

Konnte nicht mehr.

Eine leise Stimme, die ich seit Wochen vehement ignorierte, strich mir tröstend über die Wange und flüsterte: Vergiss nicht, für wen du jeden Tag aufstehst. Du bist nur so schwach, wie du dich selbst gibst. Lass ihn nicht gewinnen. Denn genau da, wo du gerade verharrst, will er dich haben. Doch du bist stärker als das. Du hast ein Licht in dir, das er niemals besitzen wird. Deshalb wird er dich nicht bekommen, egal, was er auch versucht. Atlas würde dich niemals freiwillig verlassen und das weißt du tief in dir. Du bist nur zu sehr verletzt, um es zu sehen. Ich weiß, wie weh es tut. Dein Schmerz ist mein Schmerz. Aber du musst jetzt aufstehen. Es reicht schon, wenn du immer einen Schritt nach dem anderen gehst. Niemand erwartet von dir, dass du einen Marathon läufst.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt