Kapitel #2

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Den ganzen Weg über wagte ich es nicht stehen zu bleiben. Immer weiter rannte ich die Straße entlang, legte immer mehr an Tempo zu und achtete nicht weiter auf die paar besoffenen Menschen, die mir an der Bushaltestelle entgegen kamen und mir beleidigende Bemerkungen hinterherwarfen.

Die Gänsehaut, die immer noch großspurig auf meinem Körper ausgebreitete war, wollte nicht verschwinden und ließ mich in der kalten Nachtbriese immer wieder aufs Neue erzittern. Dass Justins Stimme sich immer wieder in meinem Kopf wiederholte und mit diesem rauen Unterton alles in meinem Inneren erzittern ließ, machte es auch nicht gerade besser.

"lauf", hatte er gesagt. Er war so ein simples Wort und doch wirkte es ausdrucksstärker als alles, was ich zu vor gehört hatte. Ich konnte nicht mal mehr sagen, was genau an ihm mir solch eine Angst einjagte. Vielleicht war es sein generelles Auftreten, das nur so von Selbstbewusstsein triefte, oder auch einfach die Art, wie er mich angesprochen und angesehen hatte; so als wolle er mir still mitteilen, was passieren würde, wenn ich mich nicht ganz schnell aus seinem Revier begeben würde.

Mit zitternden Händen öffnete ich schließlich die Tür und schmiss sie nicht gerade leise hinter mir ins Schloss. Ein Gefühl der Sicherheit machte sich in meinem Bauch breit und ich schaffte es endlich anständig durch zu atmen, als mir klar wurde, dass ich nun in Sicherheit war.
"Charlie? Bist du zuhause?" Die Stimme meiner Mutter drang wie aus weiter Ferne in mein Ohr und durchriss meine immer noch von Angst geprägten Gedanken. Wer war dieser Kerl nur?

"Ja", presste ich durch zusammen gebissenen Zähnen hervor. Plötzlich kam mir der Gedanke, bei Justin im Park zu stehen, doch nicht mehr so schlimm vor.
"Hat aber auch lange genug gedauert. Ich habe dir gesagt, du sollst um 10 zu Hause sein! Hat dieser junge Mann denn nicht genug Anstand um dich nach Hause zu bringen und das zu einer angemessenen Uhrzeit?", begann meine biologische Erzeugerin auch schon mit der erwarteten Predigt. Schweigend hörte ich ihr bei dieser zu ohne auch nur ein einziges Mal die Miene zu verziehen. Genau genommen lauschte ich nicht mal mehr den Worten, die sie mir so energisch entgegen schrie.

Als sie endlich mit einem letzten strengen Blick in mein Profil endete , schleifte ich mich wortlos an ihr vorbei und erhoffte mir inständig, dass sie mich weitgehend in Ruhe lassen würde. Meine Mutter war der krasseste Kontrollfreak, den man sich nur vorstellen konnte. Manche würden jetzt sagen, dass ich froh sein könnte, dass sie sich Sorgen um mich macht, aber es war einfach zu viel und nervte mich mehr als alles andere auf der Welt.

Etwas frustriert machte ich mich über die Treppen zu meiner eigenen Etage runter, die mir schon seit langer Zeit den einzigen Zufluchtsort darstellte. Genau genommen gehörte mir zwar nur das eine Zimmer, aber die anderen wurden so gut wie gar nicht genutzt, weshalb die gesamte Etage für mich eine eigene Wohnung darstellte.
AN: Sorry Jules, aber ich musste mir einfach ich in dieser Person vorstellen:D Love you xx

"Wir sind noch nicht fertig, Madame!", schrie meine Mutter mir noch hinterher, als ich die hellerleuchteten Mamorsteine schon halb hinter mich gebracht hatte. Das ganze erinnerte mich so sehr an die Millionenbereich Male, die wir solch eine Situation schon durchgekaut hatten, dass ich nur noch die Augen verdrehen konnte.

"Doch sind wir!", fluchte ich leise genug, dass sie mich nicht hören konnte, vor mich hin. Ich hatte wirklich besseres zutun, als mir eine weitere Predigt halten zu lassen, die meiner Meinung nach völlig unberechtigt blieb. Ich war 17 Jahre alt und somit alt genug meine eigenen Entscheidungen zu treffen; meine Mutter ließ mir nur nicht den Freiraum dazu.

Mit den Nerven völlig am Ende ließ ich mich schließlich sichtlich erleichtert auf mein Bett sinken und entsperrt beinah augenblicklich mein Handy um mich etwas abzulenken.
5 neue Nachrichten in 5 Chats, zeigte mir der Bildschirm hellerleuchtet an. Stöhnend drehte ich mich mit einem Schwung auf den Bauch und genoss das Gefühl meiner Haare, wie sie sich über meinen Schultern ausbreiteten, ehe ich die Erste öffnete.

Kriege ich denn keine genaueren Fakten? O.O
Ich hatte Scarlett im Park nicht viel über das Date erzählt, was da noch in erster Linie an Zeitgründen gelegen hatte. Doch inzwischen hatte ich es auch noch komplett vergessen. Genau genommen hatte ich das ganze Date vergessen und das nur wegen Justin, der meinen Kopf einfach nicht mehr verlassen wollte.

Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe und begann sie härter zu bearbeiten als beabsichtigt, wodurch sich der Geschmack von Blut auf meiner Zunge ausbreitete und meinen gesamte Mund durchflutete. Nach längerem Überlegen beschloss ich ihr gar nicht erst zu antworten, das würde sie schon als 'nein' verstehen. Wahrscheinlich hatte sie nicht mal mehr mit einer anständigen Antwort gerechnet.

Die anderen Nachrichten waren nicht weiter von Bedeutung. Die meisten waren von weiteren Feundinnen oder aus unserem Stufenchat in der Schule, der mir grundlegend nur noch auf die Nerven ging, doch als ich auf die Letzte stieß, kräuselte sich dennoch meine Stirn. Die Nummer hatte ich nicht eingespeichert und den Inhalt verstand ich gar nicht erst, was meine Verwirrung nur noch verstärkte.
Lass die Augen offen, Babe. Die DInge sind schneller weg als du denkst.

Ich verbrachte gute 10 Minuten alleine damit mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was der Absender gemeint haben könnte, und viel wichtiger noch, wer er war, doch ich kam einfach zu keiner Lösung. All dies ergab keinen Sinn für mich und ließ die Angst nur erneut in mir aufsteigen. Erst die Begegnung mit Justin und jetzt diese Nachricht; das Adrenalin in meinem Körper schien gar nicht erst die Zeit zu bekommen, sich wieder zu verfliegen.

Mein erster vernünftiger Gedanke an den Absender galt schließlich Shawn, aber seine Nummer hatte ich bereits eingespeichert. Sollte ich vielleicht einfach antworten und fragen, wer er war? Es war vielleicht nicht die beste Lösung doch allemal eine Möglichkeit. Unschlüssig biss ich mir erneut auf die Unterlippe und achteten nicht auf den Schmerz, den diese nun verstärkt durch meinen Körper schickte.

So sehr ich mir auch meine Gedanken machte, wusste ich jedoch nicht, was ich hätte schreiben sollen. Mit einem einfachem 'wer bist du' hätte ich es wohl nicht weit geschafft und doch wollte mir nichts effektiveres einfallen.
Vielleicht hatte jemand auch einfach nur die falsche Nummer und die Nachricht war gar nicht erst an mich gerichtet gewesen; das kam mir immer noch am Wahrscheinlichsten vor. Mit dieser neuen Beruhigung machte ich mich schließlich auf den Weg in die Dusche; auf das mein Kopf endlich klarer wird.

Bild von Charlie an der Seite

frightening, completedWhere stories live. Discover now