Die Bibliothekarin

9 1 0
                                    

Sie hasste Lärm. Sie hatte ihn immer gehasst.

Das Geschrei der Kinder in der Nachbarschaft, die Motoren der Muggelmaschinen, die Muggelbaustelllen. Jeden Tag hatte sie mindestens eines davon am Hals oder eher am Ohr gehabt, meist sogar zwei davon.

Als Irma Pince mit elf Jahren nach Hogwarts kam, war das eine andere Welt: Keine schreiende Nachbarskinder und keine Muggelmaschinen.

Doch selbst in Hogwarts war es laut gewesen. Auch dort, wo es eigentlich leise sein sollte. Ihre Mitschülerinnen, die im Schlafsaal am Wochenende die halbe Nacht hindurchquasselten. Und dann die Schüler, die in der Bibliothek zu laut redeten.

Irma war schon als Schülerin immer in die Bibliothek gekommen, um zu lernen. Im Gemeinschaftsraum war es einfach zu laut gewesen, selbst bei den Ravenclaws. Wie musste es dann erst bei den Gryffindors oder den Hufflepuffs zugehen?

Irgendwann hatte sie angefangen der alten Bibliothekarin zu helfen. Bücher sortieren, kategorisieren und die Bibliothek einigermaßen sauber und ordentlich halten. Das konnte sie und es machte ihr Spaß.

So viel Spaß sogar, dass sie Jahre nach ihrem Abschluss wieder in Hogwarts landete. Diesmal aber um hier zu arbeiten.

Sie lernte schnell, dass sie zwar im Schloss arbeitete, aber dennoch nie die Stellung einer Lehrerin haben würde. Auch wenn es niemand aussprach und sie keiner der Lehrer so behandelte. Sie gehörte eben nicht wirklich dazu.

Und so verbrachte sie mehr und mehr Zeit mit ihren Büchern. Und entwickelte eine regelrechte Allergie gegen Lärm und Unordnung in ihrer Bibliothek.

Daher hörte sie auch den Lärm in dieser Nacht. Es war ungewöhnlich um diese Zeit. Irgendjemand meinte immer einmal im Schuljahr, er müsse sich nachts in die Bibliothek stehlen und die wenigsten taten das, um ein Buch zu lesen.

Doch in diesem Schuljahr war das anders. Selbst solche Vergehen würden hart bestraft, früher gab es dafür Nachsitzen, Sätze schreiben oder einem der Angestellten helfen, meist nahm Irma sich die Übeltäter selbst vor und ließ sie einen Samstagnachmittag Bücher sortieren und in die Regale räumen.

Und auch der Lärm war anders. Es war kein vorsichtiges Trippeln, es waren gewöhnliche Schritte. Viele Schritte. So viele, als wäre die ganze Schule auf den Beinen.

Irma schälte sich aus ihrem Bett in ihrem Schlafzimmer, versteckt hinter der hintersten Wand der Bibliothek, und zog aus einem Instinkt heraus ihren Umhang über, statt nur einen Morgenmantel überzuwerfen. Sie wollte wirklich nicht vor der ganzen Schule im Schlafanzug auftauchen. Einen gewissen Ruf hatte sie dann doch zu wahren. Auch wenn sie selbst Minerva McGonagall schon im Morgenmantel durch das Schloss hatte laufen sehen. Aber nur im Notfall. Und Minerva McGonagall war sogar in dieser Aufmachung noch respekteinflößend.

Draußen war der Lärm noch viel größer. Jetzt glaubte Irma langsam, dass wirklich die ganze Schule auf den Beinen war. Ohne genau zu wissen, warum, schloss sie die Bibliothek ab und legte noch einen Zauber darüber, den sie nur sehr selten benutzte, und der die Bibliothek vor Eindringligen schützen sollte. Sollte jemand wirklich eindringen wollen, würde ihn das vermutlich auch nur ein paar Minuten aufhalten. Aber dennoch.

Dann folgte sie dem Geräusch der Schritte. Die führten sie tatsächlich auf kürzestem Weg in die Große Halle.

Jetzt erst sah Irma, dass wirklich die ganze Schule auf den Beinen war. Manche Schüler waren noch oder bereits wieder angezogen, andere trugen noch ihre Schlafanzüge mit hastig darüber geworfenen Morgenmäntel.

In der Großen Halle nahmen alle an ihrem Haustischen Platz, als wäre dies eine Versammlung. Warum hatte ihr niemand Bescheid gesagt? In diesen Zeiten konnte das nur etwas wichtiges sein. Irma entdeckte auch die anderen Lehrer. Sie lehnte sich in der Nähe des Lehrertisches an die Wand und wartete.

Of Smoke and RainWhere stories live. Discover now