Das Opfer

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Colin lief mit den anderen Gryffindors Treppe um Treppe und Flur um Flur hinauf in den siebten Stock. Er kannte diesen Weg gut. Der Weg zum Raum der Wünsche. Vor zwei Jahren, zu Zeiten der DA, war er monatelang jede Woche zweimal hier entlang gegangen. Und auch dieses Jahr wieder. In diesem Jahr noch häufiger als zwei Jahre zuvor.

Colin wäre gerne geblieben, um zu kämpfen. Ein paar Monate noch und er würde siebzehn werden. Die paar aus seinem Jahrgang, die schon siebzehn waren, durften kämpfen. Luna Lovegood aus Ravenclaw, etwa. Aber er konnte doch genauso gut zaubern wie sie.

Eben in der Großen Halle war Colin unter denen gewesen, die sich geweigert hatten zu gehen. Doch Professor McGonagall hatte keine Ausnahme gemacht. Mit Nachdruck hatte sie Colin und Dennis aus der Halle gescheucht.

Dennis lief aber schon zwischen seinen Freunden aus der vierten Klasse. Colin ließ sich etwas zurückfallen, aber ganz hinten ging einer der Vertrauensschüler. Und das war einer von der Sorte, die ihre Aufgabe sehr ernst nahmen. Er erinnerte Colin ein wenig an Percy Weasley, der Vertrauensschüler gewesen war, als Colin nach Hogwarts kam und in seinem zweiten Schuljahr dann Schulsprecher gewesen war.

Jetzt bereute Colin es, nicht selbst Vertrauensschüler zu sein. Dann könnte er sich jetzt einfach zurückfallen lassen und warten bis die Schlacht losging. So aber ging es möglichst abseits von allen anderen und überlegte, wie er am besten wieder zurückkehren konnte.

Man würde sie durch den Geheimgang hinter dem Raum der Wünsche zu Aberforth in den Eberkopf führen. Und dann? Sie konnten nicht apparieren, abgesehen von den älteren Schülern, von denen aber die meisten kämpfen würden. Von den Lehrern oder vom Orden war auch niemand mitgekommen.

Als sie den Raum der Wünsche erreichten, sagte einer der Vertrauensschüler: „Wir haben Eileulen an eure Eltern geschickt. Sie werden auch abholen. Bei wem keine Eltern oder andere Verwandte oder Verantwortliche kommen, soll sich bitte an seine Freunde halten. Hauptsache ihr kommt aus Hogwarts und Hogsmeade raus."

Colin wusste, dass seine Eltern nicht auftauchen würden. Und Dennis würde mit einem seiner Freunde mitgehen können. Colin musste sich also einfach nur ganz im Hintergrund halten, dann könnte er durch den Geheimgang wieder zurück ins Schloss schleichen.

Und tatsächlich, in der allgemeinen Aufregung als einer nach dem anderen im Eberkopf ankam, die Treppe hinunterlief und nach seinen Eltern suchte, konnte Colin sich ganz hinten halten. Und als der Vertrauensschüler gerade nicht hinsah, huschte er die Treppe wieder nach oben, durch das Loch hinter dem Portrait, das noch immer offen hing. Dann rannte er den Geheimgang entlang. Zum einen, damit er es sich nicht noch mal überlegen konnte, zum anderen damit er einen Vorsprung hatte, falls sein Verschwinden doch bemerkt wurde und damit er noch rechtzeitig bis Mittenacht im Schloss war.

Er stolperte aus dem Gang in den Raum der Wünsche. Der war zum Glück verlassen. Aber hier konnte er nicht bleiben, es war gut möglich, dass noch Verstärkung kommen würde oder noch jemand versuchen würde, aus dem Schloss zu fliehen.

Er stieg die Treppe zum Ausgang hinauf, drückte die Tür auf uns fand sich in einem ausgestorbenen, steinernen Korridor wieder. Von denen gab es Dutzende in Hogwarts. Doch als er um mehrere Ecken geborgen war, fand er sich in der Nähe des Klassenzimmers für Verwandlung wieder. Und Colin wusste, dass er in der Nähe einen recht geräumigen Geheimgang hinter deinem Wandteppich gab. Dort würde er sich verstecken und warten, bis die Todesser im Schloss waren. Dann erst würde er sich in den Kampf stützten. Jetzt in die Große Halle zu gehen, wäre sinnlos. Professor McGonagall würde ihn sofort durch den Geheimgang zurück nach Hogsmeade schicken. Aber wenn die Schlacht erst mal im Gange war, würde niemand mehr Zeit haben ihn zurückzuschicken. Vielleicht würde es auch gar nicht auffallen. Oder alle wären froh um einen Zauberstab mehr auf der Seite.

Also lief Colin zum Wandteppich, schob ihn beiseite, schlüpfte in den Geheimgang und ließ den Wandteppich wieder zurückfallen. Dann setzte er sich auf den Boden und wartete. Es konnte nicht mehr lange bis Mitternacht sein. Dennoch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er die ersten Flüche hörte. Jetzt musste es losgegangen sein. Doch um ihn herum war noch alles still. Von weitem hörte er sie vor dem Schloss kämpfen. Schlachtrufe, Schmerzensschreibe und Gebrüll, das er nicht recht zuordnen konnte. Ab und an der Klittern von zerspringendem Glas, wenn ein Fenster getroffen wurde. Irgendwo im Schloss musste ein Fluch einen Teil zum Einsturz gebracht haben, dem Lärm nach zu urteilen.
Wie lange würde es dauern, bis die Todesser ins Schloss eingedrungen waren. Und wie lange, bis sie an ihm vorbei kamen. Aus dem Hinterhalt hatte Colin die besten Chancen.

Viel zu schnell nach Beginn der Schlacht halte der Ruf durch das Schloss, dass der Feind eingedrungen sei. Colin umfasste seinen Zauberstab feste und blickte hinter dem Wandbehang hervor, den Korridor in beiden Richtungen auf und ab. Erst sah und hörte er lange Zeit nichts. Auch wenn die Geräusche von Flüchen, Rufen und Schritten immer lauter wurden.

Dann endlich bog eine schwarze Gestalt mit Todessermaske um die Ecke. Colin zögerte einen Moment, um sicherzugehen, dass er Todesser alleine war. Dann zielte er. „Stupor!"

Der Todesser fiel zu Boden und regte sich nicht mehr. Colin zögerte kurz. Sollte er hier bleiben und auf den nächsten warten. Aber die Stelle war verdächtig. Hier war noch nicht gekämpft worden. Die Wände und Türen waren noch unbeschädigt. Und der Todesser lag sehr nah am Wandteppich.

Colin schlüpfte aus deinem Versteck und lief den Gang in die Richtung, in die der Todesser gegangen war. Und dann auf schnellstem Weg zur Marmortreppe und hinunter in die Eingangshalle. Dort würde am heftigsten gekämpft werden. Dort würde man ihn am ehesten brauchen können. Oder noch besser gleich raus aufs Gelände.

Er kam unterwegs an etlichen Duellen vorbei. Aber niemand sprach ihn an und schickte einen Fluch nach ihm und Colin versuchte auch nicht einzugreifen. Nicht, dass er am Ende noch einen seiner eigenen Leute traf.

Vor dem Schloss war ein Getümmel aus Todessern und Hogwartianern entstanden. Einige Todesser hatten es zwar ins Schloss geschafft, doch noch immer rannten welche gegen die Gruppen vor dem Portal an. Überall Flüche; Lichtblitze meist rot und grün; Schreie und hin und wieder sah Colin sogar einen leblosen Körper. Todesser sowie seine eigenen Seite.

Er suchte die Umgebung nach einem Gegner ab. Alle schienen in ein Duell verwickelt. Er zielte auf einen schwarzen Schatten mit Maske in seiner Nähe.

„Stupor!"

Der Fluch verfehlte den Todesser, der aber streckte seinen Gegner gerade mit einem Fluch nieder. Colin konnte nicht erkennen, welcher es gewesen war.

Und jetzt wandte sich der Todesser ihm zu.

„Expelliarmus!" Auch dieser Fluch ging ins Leere.

Der Todesser hob seinen Zauberstab. Hinter der Maske klang die Stimme nur gedämpft, aber Colin wusste, trotzdem, was er sagte. „Avada Kedavra!"

Er sah nur noch einen grünen Lichtblitz auf sich zu kommen.

**

AN: Colins Beteiligung an der Schlacht von Hogwarts ist eigentlich ein Fehler. Als Muggelstämmiger hätte er während des Schuljahres nicht in Hogwarts sein dürfen. Da es aber keine vernünftige Erklärung gibt, wie Colin sonst von der Schlacht erfahren haben, von dem Geheimgang im Eberkopf wissen oder überhaupt nach Hogsmeade kommen konnte, habe ich für dieses Kapitel die Aussage aus dem Buch übernommen, Colin habe sich zurückgeschlichen, um mitzukämpfen.

Of Smoke and RainWhere stories live. Discover now