(2) Geronimo ~ Aura Dione

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Aus dem Nichts schüttet sie sich den Rest des Bechers in den Rachen.
Okay.
Sie trinkt wohl wirklich. Jean.
Ich tappe einen Schritt zurück.
"Willst du auch was? Ich zeig dir, wo du was bekommst", bietet sie mir an. Ich bin zu perplex, um ihr sofort eine Antwort zu geben. Ich brauche noch einen Moment, um zu verarbeiten, dass die beste Schülerin des Jahrgangs gerade Alkohol vor mir getrunken hat. Diese Zeit soll mir allerdings nicht gegeben sein. Jean packt den Zipfel meines Ärmels und probiert mich in Richtung Küche zu führen. Ganz gerade läuft sie dabei nicht.

"Ich kann nicht trinken", sage ich schließlich nach ein paar Schritten. "Ich bin mit dem Auto hier."

Sie bleibt stehen, lässt meinen Pulli los und schaut mich an. "Dann hole ich nur mir was und bringe dir eine Cola mit oder so. Bin gleich wieder da."
Diesmal greife ich nach ihr. "Ich weiß nicht, ob du mehr trinken solltest. Du hattest schon ein wenig was, oder?", mache ich mir etwas Sorgen. Die Jean vor mir ist irgendwie anders als die aus der Schule.
"Und seit wann trägst du Make-up?"

"Ehm, seit ich so 15 bin?", gibt sie mir nur auf die zweite Frage eine Antwort.
"Aber nicht in der Schule", bemerke ich.
"Hm?", jetzt scheint sie die perplexe Person zu sein. "Ich trage jeden Tag Make-up zur Schule. Jeden. Fucking. Tag." Dann lacht sie. "Dachtest du ernsthaft, dass ich mit meinen hellblonden Haaren so dunkle Wimpern habe?"
"Nein..", lüge ich.
Ich dachte genau das.

Selbst angetrunken sieht sie durch mich hindurch:" Ihr Typen seid manchmal wirklich etwas blöd."

"Vor allem ich, was?"

"Vor allem du", bestätigt sie mit einem Grinsen. "Aber hey, dafür wurdest du mit dunklen, dichten Wimpern gesegnet- mit guten Haaren generell."
Heißt das sie mag was an mir? Ich kann nicht anders als zu lächeln.

Ein neues Lied beginnt zu spielen. Geronimo von Aura Dione.
Das Lied, womit damals alles begonnen hat.

"Ohhh", höre ich Jean beinahe schreien. "Ich habe das Lied früher geliebt!!" Aus dem Nichts greift sie nach meinem Arm. "Nash, lass uns tanzen."

"I-ich kann nicht tanzen", stottere ich verlegen, als ob das wichtig wäre. Sie wird zumindest inzwischen auch nicht tanzen können.

"Ach komm", probiert sie mich zu überzeugen, wobei klar ist, dass Nein keine Antwort ist.
Einen Augenblick später sind wir schon mitten im Wohnzimmer und ich bewege mich nur gerade so sehr, dass man mich als tanzend ansehen könnte. Ich wünschte ich könnte auch Alkohol verwenden, um meine Hemmungen loszuwerden. Um mich herum sind so viele Leute, die mich anstarren könnten.
Anders als ich scheut sich Jean nicht davor, sich zu bewegen. Dafür, dass es vor einer Minute noch so wirkte, als könne sie sich kaum auf den Beinen halten, sehen ihre Tanzmoves unglaublich geschmeidig aus. Selbst ihre betrunkene Version, die ihre Perfektion bricht, hat meine gesamte Bewunderung, auch wenn sie mich zurückschreckt.

Plötzlich fängt Jean an, die Lyrics mitzusingen, gerade so laut, dass ich sie hören kann. Damit entlockt sie mir ein weiteres Lächeln.
Auch ich beginne meine Lippen zum Text zu bewegen. Erst gebe ich dabei gar keine Laute von mir, aber nach ein paar Sätzen verlassen leise Töne meinen Mund.
Ohne Vorwarnung greift Jean dann nach meinen beiden Händen und wie mit einem Schlag ist die Welt um mich herum verschwunden. Die ganzen anderen Personen im Raum sind völlig egal geworden. Ich sehe nur noch Jean in dem bunten Licht.
Ich wage es lauter zu werden, bis wir schließlich ungefähr beide gleich zu hören sind. Unser Tanz entwickelt sich allmählich zu einer Art Duett, wobei wir uns trotzdem noch viel bewegen. Mein Herz pocht schnell und mir wird immer wärmer.
Tanzen war nie etwas, das ich mir als schön vorgestellt habe. Jetzt allerdings kann ich mir nichts besseres vorstellen. Mir nach könnte dieser Moment niemals enden. Doch das Lied ist nun einmal nicht länger als 3 Minuten und 17 Sekunden.

Nachdem die letzte Zeile gesungen wurde, verharren Jean und ich kurz, ohne dabei unsere Hände von einander zu lösen. Ich schnappe nach Luft. Selbst das kurze Tanzen ist für meinen Körper eine anstrengende Leistung gewesen. Außerdem glaube ich, dass ich unter meinem Pullover angefangen habe zu schwitzen. Meine Hände sind auch schwitzig. Ich frage mich, ob Jean das bemerkt. Ist es ihr wohl unangenehm?

"Nash?", spricht sie mich an. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was sie mir sagen möchte, liefert mir mein Kopf einige Möglichkeiten, von denen die meisten mich kritisieren.

"Mir geht es nicht gut", informiert sie mich stattdessen halb nuschelnd. "Mein Magen fühlt sich komisch an."

Hatte die Zeichnung beim letzten Mal total vergessen gehabt

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Hatte die Zeichnung beim letzten Mal total vergessen gehabt

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