Kapitel 43

111 3 0
                                    

Als der Anruf erklang, war Ina gerade dabei gewesen, sich die Reste des gestrigen Abendessen aufzuwärmen. Seit Paul in Australien war, kochte sie immer etwas Zuviel, was manchmal ganz hilfreich war, da sie nun nur an jedem zweiten Tag kochen musste. Auf dem Bildschirm stand der Name ihres Kollegen, welcher eigentlich seinen freien Tag hatte und sich um seine Nichte und den Artikel kümmern sollte. ,,Guten Abend, Moritz. Was gibt es, dass du so spät anrufst?" ,,Wir hatten gerade Spontanbesuch von meiner Mutter", kam er sogleich zur Sache und in seiner Stimme konnte Ina hören, dass, mal wieder, etwas nicht stimmte. ,,Was wollte sie?" Was dann kam, es wollte eigentlich niemand hören: ,,Sie hat mir indirekt gedroht, dass wenn der Artikel veröffentlicht wird, nicht nur meine Karriere, sondern die Zukunft des ganzen Teams gefährdet ist." ,,Denkst du, die Drohung war ernst gemeint?" ,,Würde es nicht um ihre berufliche Zukunft gehen, vielleicht nicht. Doch wie ich sie kenne, wird sie es tun und sie hat die Mittel dazu", versicherte er ihr, eindeutig besorgt. Es überraschte Ina etwas, dass Moritz mehr Sorge um sie und sein Team zeigte, als zu dem Zeitpunkt, an dem es nur um seine Karriere ging. Vielleicht lag es auch daran, dass nun auch Kims Zukunft bedroht wurde, auch wenn sie hoffte, dass dies nicht der Fall war. Ein Polizist sollte immer neutral und unbefangen seine Entscheidungen treffen, nicht sich durch persönliche Beziehungen bei ihnen beeinflussen lassen. Nach kurzem Überlegen holte Ina ihren Teller aus der Mikro und schlug Moritz vor: ,,Ok, wir treffen uns bei mir um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich gebe Jan und Dagmar Bescheid und hole auch Binz hinzu." ,,Kann Charlie mit? Ich möchte sie nicht allein lassen."

Ungefähr eine Stunde später saß das Team gemeinsam mit Leni, Charlie, Dagmar und Binz bei Ina im Wohnzimmer, sie hatten fast schon ein kleines Platzproblem. ,,Sie taucht unangekündigt bei euch auf, wirft dir vor, nicht für das kleine Biest sorgen zu können und meint dann, dein Team bedrohen zu müssen. Zumindest wissen wir jetzt, woher dein Schaden kommt", kam von Dagmar nur, nachdem Moritz erläutert hatte, was vorgefallen war und lockerte dadurch etwas die Stimmung etwas auf. Der Einzige, welcher nicht darüber zumindest schmunzeln musste war erstaunlicherweise Moritz. ,,Dagmar, das ist nicht lustig oder so! Wenn meine Mutter sich bedroht fühlt, scheut sich nicht davor zurück, alles zu unternehmen, um die Bedrohung zu vernichten und im Gegensatz zu dir geht sie nicht impulsiv vor", erklärte er der Runde, bevor er noch einmal zusätzlich betonte: ,,Zur Zeit sind wir die Bedrohung, alle, die hier sitzen." ,,Soll ich den Artikel dann doch nicht veröffentlichen? Eigentlich wäre ich bis Ende der Woche mit ihm fertig gewesen, ihr habt ja gut Vorarbeit geleistet, doch ich kann den Platz in der Zeitung auch abgeben", bot Leni an, doch fast schon sofort wurde ihr widersprochen. ,,Dann würde Herr Brenner völlig unnötig seine Karriere riskieren. Einer meiner Kollegen bereitet bereits den Fall für den Prozess vor", gab Binz an: ,,An sich könnte die Drohung ihrer Mutter sich positiv für ihren Prozess auswirken, doch ihr bräuchtet dafür einen wirklich talentierten Rechtsverdreher. Wie steht es zur Zeit mit Rechtsbeistand?" ,,Auf den Familienanwalt kann ich nicht zugreifen, das würde meine Mutter nie zulassen und einen Guten kann ich mir nicht leisten", gestand Moritz dem Staatsanwalt, den Blick auf den Boden gerichtet. Nun meldete sich Jan zu Wort: ,,Zufälligerweise kennen wir einen Staranwalt, welcher mir noch einen Gefallen schuldet. Ich rufe Herrn Dr. Fleischbauer morgen sogleich an." Leicht amüsiert schmunzelte Kim darauf nur: ,,Hoffen wir mal, dass er aus dieser braunen Kommune draußen ist."

Doch allein mit der Klärung zu diesem Prozess war es nicht getan. ,,Wir dürfen Frau Brenner keinerlei Angriffsfläche geben. Solange es irgendetwas gibt, mit dem sie gegen uns vorgehen könnte, sind wir in Gefahr", verdeutlichte Ina es ihrem Team und den Anderen erneut und jeder überlegte, was möglicherweise sie gefährden könnte. Ina fiel sofort etwas ein, eine Sache, die eigentlich begraben sein sollte. Als sie zu Jan sah, wusste sie, dass auch dieser an das Gleiche dachte. ,,Ihr geht manchmal vielleicht etwas vorschnell vor, doch wirklich handfestes ist doch nicht zu finden. Sogar bei dem Austausch ging alles gut und wäre deswegen vor Gericht nicht von Bedeutung." Mittlerweile hatten auch die restlichen Personen im Raum sich an den einen gefährdeten Faktor erinnert, nur Binz und Charlie war dieser nicht bewusst. Leicht fragend sah Ina zu ihrem langjährigen Freund herüber, welcher nur nachgebend nickte und sich zu dem Staatsanwalt umdrehte. ,,Vor circa zwei Jahren, kurz bevor Tom weg und Moritz hergekommen ist, litt ich an einer Kokainsucht. Moritz wurde von seiner Mutter hergeschickt, da diese damals schon Dreck über unser Team sammeln wollte, doch er entschloss sich dagegen, mich zu verpetzen. Ich bin seit Jahren clean, doch dennoch war ich unter Rausch..." ,,Bitte nicht weiterreden. Ich will davon nichts wissen. Sag mir nur, ob es irgendwelche Beweise dafür gibt oder nicht", hielt Binz den Mann auf, sich weiter zu belasten. Diesmal antwortete Moritz darauf: ,,Nichts handfestes oder so. Das Geständnis, welches Jan aufgenommen hatte, habe ich noch an dem Tag vollständig gelöscht. Mittlerweile habe ich sogar ein neues Handy, weil das Alte baden ging. Nicht einmal Rettig könnte da noch etwas herausholen." ,,Das ist gut."

VerlorenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt