Kapitel 16

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,,Kim?" Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und schüttelte sie leicht. Gott, wahrscheinlich war sie wieder an dem Esstisch eingeschlafen, während sie für einen Fall recherchiert hatte. Vielleicht hatte Moritz auch nur wieder zu lange gebraucht, um sich für eine Nacht auswärts fertig zu machen. Als wäre es eine unglaublich wichtige Entscheidung, welches Hemd er nun über sein T-Shirt anziehen würde, um noch besser auszusehen. Dabei brauchte er das meistens nicht. Dies würde sie ihm aber nie direkt ins Gesicht sagen. ,,Noch fünf Minuten", murmelte Kim, bevor sie sich in eine bequemere Position gab. Doch die Stimme wollte sie nicht schlafen lassen: ,,Kim, der Staatsanwalt ist hier. Soll Binz dich wirklich so sehen?" Als Kim die Augen öffnete, stand nicht ihr Mitbewohner neben ihr, sondern Jan. Stimmt, Moritz war noch immer in den Händen des letzten Entführers und Lela. Schnell strich sich die junge Frau durch die Haare, um sie provisorisch zu kämmen, bevor sie versuchte, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. ,,Wie viel Uhr ist es?" ,,Sechs Uhr morgens", kam von Jan, welcher sich bereits in Richtung Tür bewegte. ,,Wie lange habe ich geschlafen? Fuck, ich hätte weiter recherchieren sollen. Ich hätte sicherlich was gefunden!" Wieder legte Jan ihr seine Hand auf die Schulter, diesmal um sie zu beruhigen: ,,Kim, du hast den Schlaf gebraucht. Außerdem gab es nichts zu finden. Ina und ich haben mit Schmid geredet und sogar durch ihn haben wir nichts neues herausgefunden." ,,Und was wollt ihr dann von Binz?" Anstelle einer Antwort deutete er Kim nur, mitzukommen.

Im Gang stand Ina bereits schon und wartete mit dem Staatsanwalt nur auf sie. ,,Ihr hättet mich auch wecken können, bevor er hier auftaucht", warf sie ihrem älteren Kollegen vor, nicht wirklich ernst, doch gleichzeitig nicht als Witz. ,,Gleiche Debate wie gestern. Ausgeschlafen kannst du mehr erreichen." ,,Und dafür haben wir wertvolle Zeit verloren! Sechs Stunden, da werden wir Moritz doch nie rechtzeitig finden können." Mittlerweile waren sie bei Ina und dem Oberstaatsanwalt angekommen, welche bereits auf sie gewartet hatten. ,,Deswegen werden wir auch einen anderen Plan verfolgen." Verwundert sah Kim ihre Chefin an. ,,Dürfen wir etwa auf ihre Forderungen eingehen?" Mit einem kurzen Blick zur Seite sah Kim zu dem Verhörraum, in welchem circa seit drei Tagen Bent befragt wurde. In seinem typischen Tonfall erklärte Binz, was gemeint war: ,,In gewisser Weise. Es wird wie bei einer normalen Lösegeldforderung vorgegangen. Ihr trefft euch mit Schröder und Zendersky und tauscht die Brenners auf. Währenddessen wird sich jedoch ein SEK Team von hinten anschleichen, um die Entführer festzunehmen. Normalerweise würden wir so ein Risiko nicht eingehen, doch da Herr Brenner kooperieren möchte, nun ja. Offiziell kann ich euch die Erlaubnis nicht geben und falls etwas schief läuft, dann muss einer von euch dafür gerade stehen." ,,Ich mach's", nahm Kim ohne zu zögern die Aufgabe, die Last an, was eher zu Verwirrung bei ihren Kollegen sorgte. ,,Kim, das kann ich nicht zulassen. Du befindest dich erst am Anfang deiner Karriere, das kannst du jetzt nicht wegwerfen. Denk an deine Mutter." ,,Ich denke an meinen besten Freund. Ich denke an mein Team. Du hast dir deinen Posten erkämpft, ohne dir läuft hier nichts. Und du, Jan, hast eine Tochter, die du mit versorgen musst. Außerdem reden wir hier nur von einem möglichen Ausgang der Situation. Nicht dem sicheren Ende." Stille folgte auf Kims Antwort und auch wenn sie die Besorgnis in dem Gesicht ihrer Chefin und ihres Kollegen sehen konnte, würde sie sich nicht von ihrer Entscheidung abbringen lassen.

Damit war es jedoch noch nicht getan. ,,Außerdem hat mich Frau Zimmermann informiert, dass ihr eine Ermittlung gegen Frau Angelika Brenner einleiten wollt, eine hoch angesehene Polizeirätin. Die Beweise, die ihr dazu vorlegt müssen wasserdicht sein, um überhaupt eine Chance zu haben." ,,Wir haben über drei Zeugen, welche über ihre Machenschaften aussagen würden. Darunter wahrscheinlich auch Moritz", wandte Kim ein, doch dies beeindruckte Binz nicht mal im geringsten. ,,Wundervoll, eure Zeugen. Ein strafversetzter Polizist, sein verurteilter Bruder und eine Gruppe von in Ungnade gefallener Polizisten. Egal, wie viele Zeugen ihr dieser Art hervorholt, das Wort einer hochdekorierten Polizeirätin wiegt schwerer. Außerdem", kurz häsitierte der Jurist, bevor er weitersprach: ,,Eine Ermittlung gegen Frau Brenner könnte dazu führen, dass auch gegen ihren Kollegen ermittelt wird. Ich habe mich mal in Berlin umgehört. Der Grund, warum Moritz Brenner überhaupt noch nach seiner Aktion mit dem Falschgeld Polizist ist, heißt zufällig Angelika Brenner." ,,Er hat uns davon erzählt. Sie hat ihm einen Deal angeboten. Er bleibt weiterhin Polizist und dafür versucht er etwas zu finden, dass unser Team als unglaubwürdig vor Gericht dastehen ließe. Somit wollte sie Bent aus dem Knast holen", erklärte die junge Frau, auch wenn sie vielleicht etwas improvisierte. Jeder in ihrem Team wusste, wie der eigentliche Auftrag geheißen hatte, doch das müsste Binz nicht zwingend wissen. So lange schon hatten sie Jans zeitweilige Kokainsucht geheim halten können, da müsse das nicht jetzt gelüftet werden. ,,Und dennoch habt ihr ihn in eurem Team aufgenommen?" Nun sprang Jan ein: ,,Zuerst etwas widerwillig, doch der Spinner wächst einem ans Herz. Außerdem hat er uns schnell darüber aufgeklärt, wieso er hierher geschickt wurde."

VerlorenWhere stories live. Discover now