Kapitel 20

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Gemeinsam mit Ina und Kim saß Jan im Wartebereich des Krankenhauses. Die Nerven lagen blank, jeder schien in den eigenen Gedanken gefangen und Jan überlegte, ob sie sich damals auch so gefühlt hatten, als er auf dem OP-Tisch lag. Während Ina relativ ruhig neben ihm saß, lief Kim nervös ihre Runden im Raum. Wieder knibbelte sie an ihren Fingern, ein Zeichen ihrer Nervosität und am liebsten hätte Jan ihr geholfen, doch er wusste nicht wie. Ihr bester Freund wurde gerade operiert, seine Nichte reanimiert, und sie war hier, ohne ihnen helfen zu können. ,,Komm, setz dich zu uns. Es wird nicht besser, wenn du dich verrückt machst", bat er sie schlussendlich und mehr trotzig als verstehend nahm sie neben ihnen Platz. Von dem Wartetisch nahm sie die Flasche, welche sie sich vorher geholt hatte und begann, das Etiquette abzuknubbeln. ,,Haben die Ärzte irgendetwas gesagt? Irgendwelche Prognosen oder so?" ,,Noch nicht", gestand Ina, während sie auf ihre verkreuzten Finger sah. Als hätte sie Schuldgefühle konnte sie ihrer Kollegin nicht in die Augen schauen. Zuerst die Entführung, nun dies, es war wirklich keine gute Zeit für sie. ,,Zumindest ging alles während des Austausch gut." ,,Frag mal meinen Rücken", entgegnete Kim Jan nur mit einem schiefen Lächeln und tatsächlich mussten auch die Anderen schmunzeln. Eine Ärztin hatte sich bereits die Stelle angeschaut, auf welcher die Kugel auf die Weste getroffen war und mehr als einer heftigen Prellung war es glücklicherweise nicht geworden. Dennoch passte Kim bei jeder Bewegung auf, was Jan nur verstehen konnte. Er selbst hatte auch bereits mal eine Kugel abbekommen und es war alles andere als angenehm.

,,Sind Sie hier für den Patienten Moritz Brenner?" Sofort sah das Team zu der Ärztin hoch und jeder von ihnen versuchte, die Mimik der Frau zu lesen. Doch sie schafften es nicht. ,,Was gibt es? Haben Sie Neuigkeiten?", fragte Ina das, was sie alle wissen wollten. Kurz ließ die Frau ihren Blick durch die Gruppe wandern, dann fragte sie: ,,Sind Sie Verwandte von Herrn Brenner?" ,,Nein. Wir sind seine Arbeitskollegen", antwortete Jan für das Team und tatsächlich konnte man sehen, wie die Frau überlegte. ,,Nun ja, eigentlich dürfen wir nur mit den Angehörigen des Patienten sprechen, doch, naja, Sie scheinen mehr als nur Arbeitskollegen zu sein." Während sie dies sagte, sah sie Kim genau an, als wüsste sie etwas, was ihm nicht bewusst war. ,,Wir konnten die Wunde reinigen und zunähen, die gebrochenen Rippen fixieren und die wenigen inneren Blutungen alle stoppen. An sich sieht die Prognose gut aus. Ihr Kollege wird gerade in ein Zimmer gebracht, wo ihm noch eine Elektrolytlösung gegeben wird und Nährstoffe verabreicht werden. Noch gehen wir davon aus, dass er ein paar Tage nicht vollständig aufwachen wird, sodass sein Körper sich regenerieren kann. Wir werden ihn, nachdem er aufgewacht ist, noch für ein paar Tage hier behalten zur Beobachtung, doch an sich sieht alles gut aus." Erleichtert atmete Ina aus und auch Jan freute sich über die Neuigkeiten. Jedoch nicht so sehr wie Kim. Diese sprang auf und umarmte die Ärztin, während ihr Freudentränen in die Augen kamen. ,,Vielen, vielen Dank!" Die Ärztin schien von der Geste etwas überfordert zu sein, doch seine junge Kollegin schien dies keiner weise zurückzuhalten. Die nächste, die eine Umarmung abbekam, war Ina, dann auch er. Nachdem der erste Schwall der Freude über sie hinweg war, drehte sich Jan erneut zur Ärztin und fragte: ,,Haben Sie zufällig Informationen zu Charlotte Zendersky?"

,,Tut mir leid, doch darauf kann ich wirklich nicht antworten. Die Patientin ist minderjährig, da herrscht eine ganz andere Gesetzeslage", rechtfertigte sich die Frau, doch sie schien selbst nicht ganz überzeugt zu sein. Somit versuchte es Jan: ,,Sie haben sicherlich von der Situation gehört, welche zu dem Notfall geführt hatte. Wir ermitteln gegen die Frau, die dem Mädchen die Betäubungsmittel gegeben hatte." ,,Ich habe gehört, dass es die Mutter des Mädchen war. Stimmt das?" Betroffen schwieg Jan, wie auch Ina, weswegen Kim antwortete: ,,Es handelt sich um eine größere Ermittlung. Sie, wie auch ihr Onkel, Moritz Brenner sind die Opfer in jener. Es wäre wirklich wichtig, mit welchem Ansatz wir ermitteln können. War es Körperverletzung, schwere Körperverletzung?" Kurz häsitierte die Ärztin. Sie schien sich nicht ganz wohl bei der Sache zu fühlen. ,,Aus rein medizinischer Sicht würde ich von versuchtem Mord ausgehen. Die Menge des Betäubungsmittels, welches der Patientin gegeben wurde war hochgradig gefährlich. Nicht viel länger, und selbst die Reanimationsmaßnahmen wären nutzlos gewesen." ,,Wie steht es dann mit ihr?", bohrte Kim nach, eindeutig besorgt und die wenigen Informationen als nicht genügend eingeschätzt. Wieder wartete sie, bevor sie antwortete: ,,Die Prognose ist so, dass die Ärzte nicht aufhören." ,,Nicht aufhören? Mit was? Der Reanimation?" Entgeistert sah die junge Frau die Medizinerin an, welche nur knapp nickte. ,,Wir versuchen unser Bestes. Doch wir können Ihnen nichts versichern. Die Dosis war mehr als gefährlich." ,,Haben Sie nicht gesagt, dass wir von versuchtem Mord ausgehen sollten?" Mit fast schon professioneller Ruhe erläuterte sie: ,,Ich bin lieber optimistisch unterwegs."

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