Kapitel 41

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Schweigend arbeiteten Jan und Kim vor sich her, beendeten den Papierkram, welcher noch von ihrem vorherigen Fall übrig geblieben war, wie auch zu der Entführung. Aus dem Stapel voller Akten zog der Kommissar fast wild eine heraus, schlug sie auf und begann sie zu lesen. Es war jene, welche von Dagmar verfasst wurde, das Protokoll zu Charlies Aussage. Eigentlich sollte er als Zeuge nicht die Aussage eines anderen lesen, da er ja sein Wissen und seine Sicht auf die Dinge dem Gericht präsentieren sollte, doch gleichzeitig, er war schließlich einer der Ermittler. Zunächst fand er nichts neues auf, alles das Gleiche wie auch Moritz Ina gegenüber ausgesagt hatte. Die Entführung selbst, die Verfrachtung in das alte Lagerhaus, die Gewalt gegen seinen Kollegen, dann der Ortswechsel und schließlich die Flucht der Teenagerin. Alles exakt so, wie ihnen bereits durch Moritz' Aussage bewusst war. Im Gegensatz zu der normalen Weise, wie Dagmar ihre Protokolle verfasste, wechselte sie abrupt aus der indirekten Wiedergabe in eine direkte über. ,,Du, Jan, ich geh mir schnell einen Kaffee machen. Möchtest du auch einen?", erkundigte sich Kim und ohne seinen Blick von dem Papier zu nehmen nickte der Mann. Somit verließ die Frau das Büro und Jan las weiter in der Akte. Das Protokoll las sich wie ein Drehbuch, ein Skript für ein Theaterstück, welches auf der Bühne aufgeführt werden sollte. Doch bei dem hier handelte es sich nicht um ein Stück Phantasie, es handelte sich um Charlies Vergangenheit. ,,Oh fuck", entfloh es dem erfahrenen Kommissar, erschrocken darüber, was er gerade las.

,,Nach meiner Einschätzung liegt somit nicht nur ein Mordversuch vor, sondern zwei, der Erste datiert in der Woche der Herbstferien 2022. Jedoch wurde keine Ermittlungen getätigt und somit keine Beweise aufgenommen." Jan konnte einfach nicht glauben, was er dort las. Lela soll wirklich versucht haben, ihre eigene Tochter zu töten? Er war bei dem Versuch im Krankenhaus dabei gewesen, als sie Charlie das Mittel gespritzt hatte. Hatte gesehen, wie die Ärzte ein siebzehnjähriges Mädchen reanimieren mussten. Wie ihr Körper zusammengezuckt war, als sie sie defibrillieren mussten. Die Frau hatte damals keine Reue gezeigt, hatte alles so hingedreht, als wäre es Charlies Schuld gewesen. Wieso kam sein Kopf dann nicht mit der Vorstellung klar, dass sie es bereits vorher versucht hatte? Vielleicht weil er selbst Vater war. Nie im Leben würde er Benni oder Lotte jemals in Gefahr bringen, besonders nicht selbst verletzen. Wie konnte eine Mutter dann zweimal versuchen, das Leben ihrer eigenen Tochter zu nehmen? Hatte sie es vielleicht bereits zuvor versucht? Eine Tasse Kaffee, welche auf seinen Tisch gestellt wurde, holte ihn aus den Gedanken heraus. ,,Wow, was ist denn mit dir los?", fragte Kim und sah ihn besorgt an. Schnell wischte er die Träne weg, welche sich heimlich aus seinem Auge geschlichen hatte. Schnell schloss er die Akte wieder, bevor er seine Kollegin beruhigte: ,,Ich hab nur etwas im Auge. Die Akten sind kaum eine Woche alt und schon liegt Staub darauf." ,,Dann musst du vielleicht beim Putzen helfen". scherzte Kim nur nichtsahnend, ging wieder zu ihrem eigenen Tisch und stürzte sich wieder in ihre eigenen Akten. Er selbst stand auf und ging zu Ina ins Büro. Dagmar und Ina sprachen über viele ihrer Probleme, vielleicht hatte die Chefin der Sitte auch mit der Chefin der SOKO geredet.

,,Ina", fragte der Mann, nachdem er geklopft und niemand ihm geantwortet hatte. Doch auch auf Nachfrage hin kam keine Antwort und somit öffnete er die Tür. ,,Wenn ich nicht herein sage, heißt das nicht, dass du einfach hereinkommen darfst." Entgegen seiner Erwartung saß Ina an ihrem Schreibtisch und eindeutig konnte er erkennen, dass etwas ihn beschäftigte. Also sprach er sie darauf an: ,,Was ist denn mit dir los?" Sie wusste, er würde sie damit nicht allein lassen, weswegen sie ihm deutete, sich ihr gegenüber hinzusetzen. ,,Ich war gerade bei Binz, um mit ihm wegen dem Fall und besonders über den Zeitungsartikel zu reden." ,,Und?" Kurz häsitierte sie, dann offenbarte sie endlich, was sie beschäftigte: ,,Wenn wir so vorgehen, also Leni den Artikel verfasst, dann wird auch gegen Moritz ein Verfahren eingeleitet werden. Es kann also sein, dass er angeklagt und vielleicht sogar schuldig gesprochen wird, für seine Aktion damals für Candy." ,,Was? Wieso?" ,,Noch steht Moritz unter dem Schutz seiner Mutter. Sobald diese ihre Stellung verliert, wird sie wahrscheinlich versuchen, ihn mit sich zu reißen. Ich habe schon mit Moritz telefoniert, doch dieser will nicht von dem Plan abrücken. Stattdessen verstärkt es ihn vielleicht sogar", erklärte sie ihm. Stille folgte auf Inas Aussage. Auch wenn er den Berliner zunächst nicht hatte leiden können, mittlerweile war er fester Bestandteil des Teams und war ein guter Freund von Jan geworden. Er wollte nicht noch einen Freund verlieren. ,,Weswegen wolltest du mit mir sprechen?", fragte Ina und nun war Jan es, der kurz eine Pause machte. ,,Du weißt wahrscheinlich bereits von Dagmar, dass der Vorfall im Krankenhaus nicht der erste Versuch von Lela war, oder?" Ina nickte nur. ,,Ich habe es Moritz bereits erzählt."

VerlorenWhere stories live. Discover now