Sie musste sich auch noch bei Tonks bedanken, denn sie war es, die vor etwa einem Monat ein Mittagessen mit Ginny, Harry und Ron auf neutralem Boden, sprich ihrer Wohnung arrangiert hatte, bei dem sie, mehr oder weniger zivilisiert, ihre gegenseitigen Beweggründe vorgebracht hatten. Es machte nichts vergessen, aber es war ein Anfang für etwas Neues, ein Anfang, auf dem sie aufbauen konnten.

Sie schreckte hoch. Wieder war sie fast eingedöst, hatte es wirklich geklingelt oder hatte sie sich das eingebildet? Sie wusste es nicht, aber Scorpius gluckste zufrieden, also war wenigstens er wieder munter. Wie froh würde sie sein, wenn er seine Schlafenszeiten an ihre anpassen würde.

„Oh je." Ihr fiel wieder ein, dass, wenn sie sich nicht verhört hatte, ihre Gäste ja bereits da waren.

Scorpi war satt, also nahm sie ihren Sohn und hielt auf dem Weg ins Erdgeschoss sogar vor einem Spiegel, um zu befinden, dass sie im Gegensatz zum Vortag nicht wie eine Todesfee, sondern nur wie eine Vogelscheuche aussah. Das musste reichen.

Im Wohnzimmer war es verdächtig ruhig, also beschleunigte Hermine ihre Schritte in der Erwartung Blutspritzer an den Wänden und Leichen auf dem Fußboden vorzufinden.

Es gab keine Leichen, aber das tatsächliche Bild war auch nicht unbedingt besser.

Draco saß lässig in seinem Sessel, hatte das eine Bein über das andere geschlagen und die Arme vor der Brust verschränkt. Harry und Ron saßen auf dem einen, Ginny auf dem zweiten Sofa. Statt miteinander zu reden, schienen die Jungs einander zu belauern und sich mit misstrauischen Blicken zu beäugen. Hermine seufzte und betrat mit langsamen Schritten diese Arena.

„Hallo, schön, dass ihr da seid." Während sie unsicher lächelte, kam von Draco nur ein leises Schnauben, aber er hielt die Klappe. Stattdessen stand er auf, um sich hinter sie zu stellen und sie an sich zu drücken, was er nur tat, um Harry und Ron extra noch einen reinzuwürgen, dessen war sie sich sicher. Aber sie wollte sich nicht ärgern, also versuchte sie ihn zu ignorieren und hielt Scorpius so, dass er die Gäste ansehen konnte.

„Darf ich euch endlich unseren Sohn vorstellen? Das ist Scorpius", strahlte sie. „Sag Hallo, mein Kleiner."

Ron verzog das Gesicht, beeilte sich aber, ein unbeholfenes Lächeln aufzusetzen. Harry schaute unsicher und Ginny strahlte. „Das ist ja ein Hübscher."

„Der sieht aus wie Malfoy", stellte Ron fest.

„Stell dir vor, das ist ja auch sein Name", schnarrte Draco und wieder bedachten sich die beiden mit grimmigen Blicken.

Hermine drehte sich ein wenig von ihren Gästen weg. „Draco, bitte", raunte sie.

„Ich mach doch gar nichts."

Sie atmete tief ein und drehte sich, bemüht lächelnd, wieder um und erst jetzt fiel ihr der leere Wohnzimmertisch auf.

„Hast du ihnen nicht einmal etwas zu Trinken angeboten?", flüsterte sie in Dracos Richtung.

„Wieso? Es sind doch deine Gäste", erwiderte Draco knapp und leider nicht sehr leise, ignorierte dabei ihren mahnenden Blick und schnappte sich Scorpius.

Hermine schwang den Zauberstab und ließ Gläser sowie zwei volle Karaffen Wasser und einen Teller mit Dracos selbst gebackenen Keksen herbeischweben. „Möchte jemand einen Kaffee oder etwas anderes?"

Bei Merlin, warum war das alles so krampfhaft? Sie ärgerte sich nicht nur über Draco, sondern mindestens genauso über sich selbst. Wie es aussah, hatte sie die Annäherung mit Ginny viel zu euphorisch werden lassen, denn mit ihr war es bedeutend leichter gewesen, an alte Punkte anzuknüpfen und begangene Fehler zu verzeihen. Genau das wünschte sie sich auch mit Harry und Ron. Noch immer.

HeimatgefühleWhere stories live. Discover now