Kapitel 15 - Der Wolf und die Konfrontation

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Die letzte, kleine Hoffnung in mir, dass er sich doch noch irgendwo am Set befand, verschwand. Er wusste, wo sich der Typ aufhielt, und würde sich jetzt vermutlich auf genau dieser Mission befinden. Ich winkte Ray zu mir heran, denn, wenn ich auch verschwinden würde, mussten sie es wenigstens wissen.

»Cai?«

»Ich weiß, wo Seua sein könnte. Wir haben keine Zeit, also stell' bitte keine Fragen. Ich schicke dir den Standort, schick' da bitte Polizei hin. Ach, und versuch' nicht, mich aufzuhalten!«, sagte ich hektisch. Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern bahnte mir rennend den Weg aus dem Set. P'Joe stand an seinem Wagen, er hatte wohl nicht mitbekommen, was am Set passiert war. Außer Atem hielt ich ihm mein Handy mit dem Standort hin: »Kannst du mich zu diesem Ort fahren, P'Joe? Schnell? Jetzt?«

Mein Auftreten schien auszureichen, um ihm den Ernst der Lage bewusst zu machen. Wortlos öffnete er die Tür für mich und dann fuhren wir los. Im Auto schickte ich Ray den Standort, alle Versuche mich anzurufen, blockte ich ab. Was auch immer ich für eine Situation vorfinden würde, das Wichtigste war, dass Seua da heile rauskam. Angesichts der Eile bahnte P'Joe sich den Weg durch den Stadtverkehr und er fuhr auch garantiert schneller, als es erlaubt war. Die Anspannung hatte sich auch auf meine Hände übertragen, ich konnte kaum noch das Handy bedienen.

»Kann ich sonst noch was tun, Khun Cai?«, fragte P'Joe und sah mich über den Rückspiegel an.

»Ja, es wäre gut, wenn du auf Standby bleibst. Falls wir abhauen müssen.«

Ich sah, dass er skeptisch die Augenbrauen hochzog, doch dann nickte er.

Als wir ankamen, hielt ich kurz den Atem an. Auf dem Vorplatz eines Shoppingcenters hatte sich eine Menschentraube gebildet. Ich sprang aus dem Auto, die Menge machte sofort Platz für mich. Einige riefen mir etwas zu, doch ich verstand es nicht. Dann sah ich sie. Seua und der Täter standen sich in der Mitte gegenüber. Der Täter hatte eine schwarze Cap auf, aber zum ersten Mal konnte ich sein Gesicht sehen. Es war niemand, den ich kannte. Der Anblick ließ mich komplett erstarren, als hätte man mich am Boden festgefroren. Wieder sah ich diesen Hass in Seuas Augen und egal wie oft ich versuchte, es abzustreiten. Es machte mir Angst. Er sprach Thai mit dem Täter, doch jemand neben mir begann zu übersetzen. Nicht, dass die Situation schon absurd genug wäre, Seuas Stimme verzerrt zu hören, machte es nicht besser.

»Bist du jetzt zufrieden? Du hast uns getrennt, ihn fast umgebracht und wegen dir ist er traumatisiert! Niemand, der Cai auch nur ansatzweise mag, hätte ihn so gequält wie du!«

Man musste die Sprache nicht verstehen, um zu merken, wie ernst es war.

»Das war doch nie der Plan! Ich wollte dich umbringen, nicht ihn!«

Seua ging mehrere Schritte auf ihn zu. Ich wollte ihn aufhalten, aber meine Beine ließen mich nicht.

»Wenn Cai wegen dir seinen Job nicht mehr machen kann, den er liebt und jahrelang gelernt hat, dann bist du es, der umgebracht werde sollte! Versuch' doch mich umzubringen, los trau' dich, Idiot!«

Was machst du denn, Seua? Verzweifelt beobachtete ich die Reaktion des Täters, dessen Augen verengten sich.

»Traust dich was, Seua. Ich bereue es, Cai verletzt zu haben, aber ich werde weiterhin dafür sorgen, ihn für mich allein zu haben«, rief er und zog eine Pistole hervor, die er auf Seua richtete. Alle hielten den Atem an. Mir liefen die Tränen über das Gesicht, als mich wieder diese Hilflosigkeit überkam. Das Messer hatte ich überlebt, aber eine Waffe? Ich spürte, wie mich irgendjemand stützte, als ich wieder kurz davor war, zusammenzubrechen. Doch ich durfte der Tiefgarage keine Chance geben. Nicht jetzt. Nicht hier. Irgendwas musste ich doch tun können! Auch mit dem Risiko im Kopf, dass ich es nicht ertragen könnte, trat ich vor Seua. Ich sah dem Täter in die Augen, hoffte, dass er dadurch seinen Plan überdenken würde. Tatsächlich ließ er die Waffe sinken: »Cai?«

WolfsherzWhere stories live. Discover now