Kapitel 19: Sol

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Instinktiv rückte ich näher an Eliah heran und er schien zu verstehen. Behutsam legte er eine Hand auf meinen Oberarm und schenkte mir den Halt, den ich selbst nicht aufbringen konnte. Ich konnte förmlich das Ticken meiner imaginären Uhr hören. Es dröhnte mir in den Ohren und ließ mein Herz schneller schlagen.

Doch schlagartig war dieses Ticken verschwunden und eine angenehme Stille legte sich um mich.

Ich spürte seine Nähe, bevor ich den Blick hob und ihn lässig an der Reling stehen sah. Er hatte die Hände in seinen Jackentaschen vergraben und starrte mich direkt an. Der intensive Blick seiner Augen traf mich völlig unvorbereitet und ließ mich mitten in der Bewegung innehalten. Schlagartig wurde mir heiß und mein Körper begann zu kribbeln.

Meine Seele sehnte sich nach ihm und drängte mich förmlich zu ihm, während Amy mit Kampfmontur ihre Angriffsstellung angenommen hatte. Mein Körper war zwiegespalten. Einerseits wollte ich dem Drang nachgeben und zu ihm zu gehen, mich in seiner Wärme zu wiegen und den Schmerz vergessen. Doch andererseits hörte ich Amy, die mich warnte und alles dafür gab, um mich zurückzuhalten, weil sie insgeheim wusste, dass diese Sache böse enden konnte. Ich dachte an Athanasios und seine Warnung, Atlas nicht zu nahe zu kommen und doch lief ich geradewegs auf ihn zu. Weil ich einfach nur bescheuert war. Und dickköpfig.

Meine innere Zerrissenheit ließ mich zweifeln, obwohl der Teil, der sich nach Atlas sehnte, viel stärker war als meine Vernunft. Und doch schwor ich mir, dass es heute das letzte Mal sein würde. Ich brauchte ein paar letzte Antworten von Atlas, ehe sich unsere Wege trennen mussten. Nur so konnte ich ihn beschützen. Nur einmal wollte ich die Heldin der Geschichte sein. Ich würde sterben, so wie es sein sollte.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber: gute Entscheidung, Mädchen.

Doch ich freute mich nicht über ihre Anerkennung, da dieses Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben, sich tief in meinen Gliedern festsetzte und mir die Luft zum Atmen nahm.

All das passierte in wenigen Sekunden.

Eliah hatte bemerkt, dass etwas nicht stimme und folgte meinen Blick. Mein Herz raste, da ich irgendwie darauf wartete, dass Eliah Atlas nicht sehen würde. Doch wieder einmal hatte ich mich getäuscht.

Ein verschmitztes Schmunzeln bildete sich auf seinen Lippen und er warf mir einen anzüglichen Seitenblick zu.

,,Du hättest mir doch sagen können, dass du heute Abend noch ein Date hast.'' Seine Stimme bebte förmlich vor Begeisterung.

,,Oh, wird da jemand rot?'', stichelte er.

Erschrocken presste ich meine Hände auf meine heißen Wangen und verdeckte mein Gesicht vor ihm. ,,Gar nicht'', murmelte ich und drehte mich weg.

Eliah blieb stehen und zog mich in eine herzliche Umarmung.

,,Ich wünsche dir viel Spaß mit deinem Göttergatten'', nuschelte er in meine Halsbeuge, ehe er sich sanft von mir löste und mir mit einem Augenzwinkern noch zuflüsterte: ,,Tu nichts, was ich nicht auch machen würde.''

Ich schnappte nach Luft und zwickte Eliah in den Oberarm, doch dieser wackelte nur mit den Augenbrauen, ehe er sich umdrehte und pfeifend den Rückweg antrat.

Mein hochroter Kopf und ich blieben allein zurück und schauten ihm geistesabwehrend hinterher. Tief atmete ich ein und aus, ehe ich mich bereit dazu fühlte, mich umzudrehen. Gerade als ich mich umwandte und einen Schritt nach vorne setzte, knallte ich gegen einen harten Oberkörper.

,,Sol.''

Seine tiefe Stimme ließ mein Innerstes erbeben, sodass ich Mühe hatte, auf meinen wackelpuddingartigen Beinen stehen zu bleiben.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt