ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 5 - ᴇɪɴꜱ

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Die Lichter führten Anara geradeaus, erst links, dann rechts.

Stille.

Das gleichmäßige Schmatzen ihrer Stiefelsohlen auf dem betongleichen Boden reichte dorthin, wo ihre Stimme es längst nicht mehr versuchte. Ihre Kehle war rau. Sie hatte sich entschlossen, Kraft zu sparen.

Anara ging seitlich, den Rücken an der Wand, die Hände an ihrer Pistole. Mit jedem Schritt wurde der Geruch intensiver. Es stach in ihren Lungen. Ihre Augen brannten und auf ihrer Zunge sammelte sich ein pelzig bitterer Geschmack. Chemie. Anara hatte noch nie etwas dergleichen gerochen, selbst nicht bei der Ausbildung, wo sie auf alle möglichen Sinneseindrücke vorbereitet wurden. Woher stammte also dieser Gestank? Was -

Die Lichter erloschen.

„Hey."

Anara riss herum, entsicherte mit einem Klicken ihre Waffe und zielte ins Dunkel.
„Hände hoch!"

„Du kannst mich ohnehin nicht sehen."

Spott.

Wer auch immer mit ihr redete, er nahm weder sie noch den Lauf der Waffe vor sich ernst.

„Ich wiederhole das gerne noch einmal." Anara presste die Worte zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor. „Hände.hoch."

„Schon gut schon gut." Die Quelle der Stimme wanderte.

Anara hörte sie erst schräg vor sich, dann links neben und plötzlich hinter sich. Die junge Frau folgte mit dem Lauf ihrer Waffe.

„Wer ist da?", fragte sie ins Dunkel.

„Willst du nicht erst aufhören, mich zu bedrohen, Liebes?"

„Nein."

„Aber Freunde zielen nicht mit solchen ... Maschinen aufeinander."

„Wir sind keine Freunde."

„Und doch willst du meinen Namen wissen."

„Ich will nicht deinen Namen wissen. Ich will wissen, wer du bist. Bist du ein Gefangener?"

„Bist du etwa einer?"
Anara rollte mit den Augen. „Bist du gefährlich?"
„Ist eine Stimme gefährlich?"
„Nicht so wie ich, wenn du nicht gleich eine klare Antwort gibst!", sagte sie, „Ich bluffe nicht! Ich bin eine ausgebildete Soldatin der Akademie und ich bin bereit, jede Gefahr im Keim zu ersticken."

„Oh." Er staunte, wenn auch seine Stimme von Sarkasmus triefte. „Eine noble Soldatin der Akademie. Und doch zittert deine Stimme vor Angst."
„Ich habe keine Angst."
„Dann beweise es mir und nimm die Waffe runter. Plauderst du gerne mit einem Lauf auf deiner Brust?"
Anara blinzelte verwirrt.
„Du bist direkt vor mir", stellte sie fest.
„Nicht ganz. Eine Wand trennt dich von mir. Ich kann dich sehen. Du mich nicht. Genug Antworten? Genug Antworten. Jetzt erzähl mir etwas von dir. Warum bist du so weit unten? Normalerweise erhalte ich keinen Besuch." Der Hohn wich aus seiner Stimme. An seine Stelle trat eine Begeisterung, wie ein kleines Kind, das einen neuen Freund gefunden hatte.

„Ich traue dir nicht." Anara blieb still stehen. „Warum kannst du mich in der Dunkelheit sehen und ich dich nicht?"
„Gute Gene", scherzte er. „Und eine Wand, durch die nur ich sehen kann."
"Sag mir, wie ich hier raus komme!"
„Wenn du mich mitnimmst."
„Also bist du ein Gefangener", stellte sie fest, „Am tiefsten Punkt im Tartaros. Nur über meine Leiche werde ich dir helfen."
„Vergiss nicht, dass du ebenso hilflos bist wie ich in diesem Moment." Er wurde leiser, aber für Anara klang es, als bewegte sich seine Stimme näher an sie heran.
Er musste unmittelbar vor der Wand stehen. Sie tippte mit dem Lauf der Waffe dagegen.

OlymposWhere stories live. Discover now