ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 4 - ꜱᴏɴɴᴇɴꜱᴛᴜʀᴍ

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„Ich werde hier nie wieder wegkommen", murmelte Anara in sich hinein. 

5.30 Uhr 

Sie lag seit einer halben Stunde wach und starrte an die Zimmerdecke in Optik eines Sternhimmels. Den Echten hatte sie seit ihrer Ankunft nicht mehr gesehen. 

Sie wälzte sich umher und vergrub das Gesicht in der Decke. Von allen Orten im Tartaros liebte sie ihr Bett am meisten. Wenn sie schlief, dachte sie nicht an die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation. Aber ihr blieb keine Zeit mehr, das Land der Träume zu besuchen. Der Wecker klingelte. Anara stand auf und bereitete sich ihr Frühstück zu. Obwohl sie nicht gerne kochte, zog sie es der großen Mensa vor. Der Geruch von frischen Brötchen, geschmolzener Butter und Rührei mit Tomaten und Zwiebeln füllte das Appartement. Anara liebte es, den Tag mit dieser Mahlzeit zu starten.

„Heute ist der Tag des Sonnensturms." Kerberos' Stimme hallte durch die Wohnstube. 

Anara saß vor dem laufenden Fernseher und frühstückte. Sie stellte die Nachrichtensendung stumm und schaute über ihre Schulter hinweg. Im Türrahmen stand eine farblose Silhouette. 

„Du tauchst auf und verschwindest wie ein Geist", knurrte Anara, „Oder machst du das mit Absicht? Willst du mich erschrecken?" 

„Natürlich." Die bleiche Frau zuckte mit den Mundwinkeln, in einer Anwandlung des versuchten Lächelns. 

„So funktioniert das nicht." Anara bereute es, Kerberos die Grundzüge des Sarkasmus erklärt zu haben. „Du musst das anders betonen!" 

„Natür ... lich?" 

„Auch nicht." Anara seufzte und warf den Kopf in den Nacken. „Natürlich! So." 

Kerberos sprach ihr nach. Es klang wie eine Aufnahme und für einen Moment glaubte Anara, ihre eigene Stimme zu hören. 

„Besser ... zumindest etwas." Sie beschloss, es darauf beruhen zu lassen. „Was tust du hier?" 

„Für heute stehen viele Arbeiten an. Ich soll sie dir übermitteln." 

„Wie immer", stellte Anara fest. 

„Wie immer", fügte ihr Gegenüber an. 

Kerberos tat dies jeden Tag. Dabei würde es reichen, die Daten elektronisch zu übermitteln. Was führte die K.I. dazu, immer wieder den Kontakt zu suchen? Mit der ersten Versammlung der Wächter, vor einem Monat, erhielt Anara eine Antwort auf diese Frage: Die uralte, übermächtige K.I., vertraut mit der Verwaltung des größten Gefängnisses der Menschheitsgeschichte, besaß die Neugierde eines Kindes. Zudem schien niemand zwischenmenschlich mit ihr zu kommunizieren. Ob sie einsam war? Natürlich nicht. Ein maschinelles Bewusstsein verspürte keine solchen Gefühle. Anara wusste dies. 

„Was soll ich zuerst tun?", fragte sie. 

Kerberos zählte eine Reihe von Koordinaten auf mit der Bemerkung, sie an Anaras InterTek weitergeleitet zu haben. InterTek bezeichnete eine Gruppe winziger Computer. HearTek, eine Unterkategorie von InterTek, wurden operativ in den Gehörgängen angebracht. Dort verstärkten sie den Hörsinn, fungierten als Funkgeräte und besaßen eine ganze Bandbreite an auditiven Funktionen. VisionTek, ebenfalls eine Unterkategorie, saßen auf den Augen, wie Kontaktlinsen. Nur über diese Geräte konnte Anara Kerberos sehen und hören. 

„Insgesamt sind es fünf Botengänge, drei Reparaturen und ein Reinigungsauftrag", erklärte Kerberos, „Ungefähre Zeit zum Erfüllen aller Aufgaben: dreizehn Stunden." 

„Dann hab ich ja kaum Zeit bis zum Eintreffen des Sturms!" Anara schlang den Rest herunter. 

„Ich muss mich beeilen!" 

OlymposWhere stories live. Discover now