Olympos

ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 2 - ᴡɪʟʟᴋᴏᴍᴍᴇɴ ᴢᴜʜᴀᴜꜱᴇ

2 Monate später

Das Terminal des Hades Systems lag tot und leer. Von menschlichem Leben fehlte jegliche Spur. Stattdessen bretterten immer wieder Roboter über das spiegelglatt metallene Parkett. Sie hielten den Raumhafen sauber, die Technik instand und transportierten die angekommenen Waren von einer Seite des Komplexes zur Anderen. Ihre Ordnung schien von nichts und niemandem gestört zu werden. Sie waren perfekt aufeinander abgestimmt, wie Ameisen in einer Kolonie. Noch hatte niemand ihnen mitgeteilt, dass Modelle ihrer Art seit über siebzig Jahren nicht hergestellt wurden, und sie damit zu einer bedrohten Spezies gehörten. Anara spitzte die Ohren und hörte in jeder ihrer Bewegungen ein Klappern und Quietschen. 

Von der Reling des Raumkreuzers aus konnte sie die Haupthalle des Raumhafens überblicken. Eigentlich transportierte das Schiff nur Ware und keine Menschen. Der einzige Passagierverkehr, der in diesem entlegenen Winkel stattfand, bestand aus einem Gefangenenkonvoi, alle fünf Jahre. 

Das Hades System war kein normales Sternensystem. Es beherbergte den Tartaros, ein Gefängnis, eine Anstalt für die unverbesserlichsten aller unverbesserlichen Fälle, welcher als einziger Planet um den Orbit der silbernen Sonne kreiste. 

Im Augenwinkel glaubte Anara die hunderttausenden Metallplättchen zu erkennen, die den Stern wie viele kleine Bienchen umschwärmten. Die Dysonsphäre versorgte den Gefängniskomplex mit Energie für zehntausende Jahre. Gäbe es sie nicht, gäbe es den Tartaros nicht, denn die silberne Sonne strahlte nur schwach, sendete kaum Licht, spendete kein Leben. Folglich war der Tartaros ein toter Planet. 

Anara schulterte ihr Gepäck und sprang über die Reling. Die kaum vorhandene Schwerkraft – noch etwas, woran sie sich gewöhnen müsse – verhalf ihr zu einer lautlosen Landung. Das Sicherheitssystem des Raumhafens sah diese weniger unproblematisch. Eine rote Lampe blinkte irgendwo in irgendeiner Ecke auf und innerhalb kürzester Zeit umzingelten die vielen kleinen Roboter die junge Soldatin. Sie blinkten und piepten aufgeregt, wie eine Schar von Kindern. 

Anara seufzte und streckte den Handrücken aus, um sich auszuweisen. Einer der Roboter schob die Anderen beiseite, und rollte darauf zu. Ein leises Klicken und ein Blitzlicht verrieten, dass er den Handabdruck gescannt hatte. Er nickte, wobei sich sein ganzes Gehäuse klappernd auf und ab bewegte. Dann zog er von dannen. Seine kniehohen Komparsen folgten ihm in einer geraden Linie. 

Sie erkannten Anara an. Hieß der Tartaros sie so willkommen? Die junge Frau hätte am liebsten auf eine der Blechbüchsen eingetreten, anstelle ihnen hinterherzublicken. Noch während des Fluges hatte sie gehofft, der Zorn sei verraucht, doch seit der Ankunft hatte er neues Feuer gefangen und brannte heißer als je zuvor. Der Tartaros lag so weit ab von Rom, wie nur möglich. Somit lagen auch Anaras Träume in der Ferne. Keine Prüfung trennte sie mehr davon, sondern dreihundert Lichtjahre. 

Sie erreichte den Ausgang des Raumhafens. Eine riesige Halle, gebaut wie ein moderner Flughafen in einer der Stadtsysteme. Doch anders als dort fehlte hier jegliche Spur von Leben, wie schon am Terminal. Nur die kleinen Roboter erinnerten daran, dass die Zeit nicht stehen blieb. Sie ignorierten Anara und widmeten sich voll und ganz ihrer emsigen Arbeit. 

Die junge Frau schaute immer wieder auf ihre Hände, um sich zu vergewissern, dass die Fahrt sie nicht farbenblind gemacht hatte. Von Farben fehlte ebenfalls jegliche Spur. Schwarz, weiß und grau. 

„Ich hab gewartet!", rief jemand von der anderen Seite des Eingangstores. Anara trat hindurch und sah den Ursprung dieser Worte. 

 „Deine Mitfahrgelegenheit", lachte das Mädchen. 

Sie besaß eine zierliche Statur, kränklich blasse Haut und tiefe Augenringe. Leichte Sommersprossen sprenkelten ihr froschiges Gesicht, umrahmt von einer dunkelbraunen Lockenpracht, durchwebt von neongrünen und azurblauen Strähnen. Sie trug die Uniform der Akademie, mit ein paar Abänderungen. Auf ihrem rechten Oberarm las Anara „Unit: Tartaros." Den Handrücken des Mädchens zierte die Zahl 126.