Kapitel 19

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Die Zeit ist heute mein größter Feind. Nicht, weil ich Angst habe zu spät zu kommen sondern, weil ich Angst habe, dass mein Traum schnell wieder vorbei ist. Ich weiß, dass ich in der Realität leben muss, aber solange ich keine Gewissheit habe, wie es mit mir und Carina weitergehen wird, lebe ich in diesem Traum.

Natürlich weiß ich, dass das falsch ist. Der Traum, in dem ich lebe, gibt mir halt und wenn ich nun von ihm loslassen würde, würde meine ganze Welt zerbrechen. Demnach wäre ich dann wieder an dem Punkt wie vor fünf Jahren.

Nachdem mich Carina in ihre Wohnung gebracht hat, haben wir begonnen und für die Feier umzuziehen. Die ganze Zeit über haben wir geschwiegen. Wir haben nur über Gesten kommuniziert. Zärtlich fuhr Carina über meine Haut oder gab mir leidenschaftliche Küsse. Sie half mir sogar beim anziehen. Jede ihrer Berührungen war eine Wohltat und gab mir Kraft. Doch gleichzeitig spürte ich die schmerzlichen Stiche in meinem Herzen.

Ich kann es noch nicht einmal beschreiben wie die Situation für mich gewesen ist. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, dass ich auf einem Pulverfass sitze, so wie auch jetzt.

Vor gut drei Stunden sind wir bei ihren Eltern angekommen. Francesca und Giovanni haben sich wirklich Mühe gegeben. Das ganze Haus ist festlich geschmückt. Es duftet nach Zimt und Mandarinen. Auch die beiden Gastgeber haben sich sehr viel Mühe mit ihrem Outfit gegeben. Giovanni hat sich für einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte entschieden, während Francesca in einem roten Kleid mit Gürtel und Schalkragen einfach nur atemberaubend aussieht. Trotz ihres Alters sieht sie sehr gut aus. Keine einzige Falte zeichnet ihr Gesicht. Wenn man nicht wüsste wie alt sie ist, wäre man überrascht, wenn man es wüsste.

Auch Giacomo, Luca und Daniele haben sich für ein Hemd und Krawatte entschieden. Für mich macht ihre Kleiderwahl nicht gerade den Anschein nach einem gemütlichen Familienessen.

Trotzdem bin ich glücklich, dass ich mich nicht unwohl in meinem grünen knielangen Kleid fühle. Ich muss wirklich zugeben, dass mir die A-Linie sehr schmeichelt. Nicht nur mir scheint das Kleid an mir zu gefallen, denn Carina lächelte mich die ganze Zeit an und fuhr mehrmals meinen Körper, mit ihren Augen, auf und ab.
Leider verflog der Anflug von Euphorie schnell, denn sobald wir auf dem Grundstück ihrer Eltern waren war Carina mir gegenüber sehr kühl.

Die Zärtlichkeiten blieben aus und ich habe mich wie Luft gefühlt. Natürlich waren Daniele und die Anderen sehr freundlich zu mir. Auch Francesca schlich ab und zu ein Lächeln über ihr Gesicht.

Das Essen verlief sehr gut und war absolut köstlich. Der Koch von Giovanni und Francesca hat sich wirklich selbst übertroffen. Es gab sogar Blum Pudding. Der kleine Gruß aus meiner Heimat hat mich wirklich sehr gefreut. Es wurde viel geredet und auf unseren Sieg haben wir sogar angestoßen. Zeitweise habe ich mich sogar wie ein Teil dieser Familie gefühlt.

Wir haben aber auch viel über den Prozess gesprochen. Giacomo hat mir sogar versichert, dass es nicht sauer auf mich ist, dass ich Calvo an den Pranger gestellt habe. Er müsse zwar noch viele Pressekonferenzen geben und auch viele Tatsachen erklären. Auch Giovanni machte mir Mut, dass ich keine Gewissensbisse haben sollte, denn der Fall würde viel Aufmerksamkeit auf mich lenken. Die Rede war sogar, dass mein Name in den Medien auftauchen würde. Ein enormer Schub für mein Ego war das schon.

Genau in diesem Moment habe ich mich sicher gefühlt. Ich habe mich geerdet gefühlt und hatte kein schlechtes Gewissen meiner Taten gegenüber. Mittlerweile bin ich sogar ziemlich sicher, dass meine Unsicherheit etwas mit Carina zu tun hat. Eigentlich bin ich gar nicht verunsichert wegen meiner Taten sondern wegen meiner „Beziehung" zu Carina. Dieses Thema lässt mich einfach nicht los. Es scheint so als wäre diese Liebe mein bisher schwerster Fall.

Ein Drama namens LebenWhere stories live. Discover now