Kapitel 16

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Erleichtert lasse ich mich auf einen Stuhl sinken. Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir den Prozess gewonnen haben. Nach der Pause wurden Luca und Dr. Bellini befragt. Ihre Aussagen stimmten mit meinen Vermutungen überein. Natürlich war ich deswegen nervös, denn man schaut den Menschen auch nur vor den Kopf und Überraschungen sind sind unmöglich.

Die ganze Zeit über habe ich den bohrenden Blick von Daniele auf mir gespürt. Dementsprechend hat sich auch ein schlechtes Gewissen in mir breit gemacht. Teilweise weiß ich auch schon nicht mehr, wem ich vertrauen kann und wem nicht. Ich fange gerade erst an, wieder Carina zu vertrauen und das hat mich schon viel Überwindung gekostet.

Eigentlich habe ich gedacht, dass sich mein Gefühlszustand verbessert und ich entspannter in die Zukunft schauen kann, doch irgendwie habe ich das dumme Gefühl, dass es sich noch verschlimmern wird.

„Du schuldest mir ein paar Antworten, Anna!", fordert Daniele bei mir ein. Der ruhige Tonfall ist verschwunden. Die Bürotür hat er geschlossen und sich vor mich gestellt. Erschöpft schau ich zu ihm auf. Ich sehe den Zorn in seinen Augen flackern. Ich kann verstehen, dass er sauer ist aber müssen wir das jetzt besprechen?

„Es tut mir Leid, ich hätte dir von meinem Plan erzählen sollen.", gebe ich kleinlaut zu.

„Wenn ich dir ehrlich bin, wäre es mir nicht so wichtig, von dem Plan zu wissen, sondern eher von dem Fakt, dass du Maria Palma gefunden hast!", ruft er laut aus. Ich zucke leicht zusammen. Er muss es bemerkt haben, denn er kommt auf mich zu und geht in die Hocke, sodass wir uns in die Augen schauen können.

„Tut mir Leid, aber ich kam mir gerade einfach so dämlich vor. Wir beide sind eigentlich ein Team und dann schaue ich auch noch ganz überrascht, als meine Partnerin verkündet, dass Maria Palma gefunden wurde. Ich war gerade der Idiot der Nation.", sagt Daniele verzweifelt.

„Ich weiß und es tut mir Leid. Rückgängig kann ich die Situation nun auch nicht mehr machen, aber ich hatte Angst, dass mein Plan schiefgeht.", rechtfertige ich mich bei ihm, in der Hoffnung, dass er mich in Ruhe lässt und wie ein anderes Mal darüber diskutieren.

„Hattest du so eine große Angst, dass dich jemand hintergehen wird? Anna, du hattest unser Aller Vertrauen. Ganz egal, ob ob mein Onkel, in den Prozess, involviert war oder nicht. Und anstelle mir zu vertrauen, nimmst du Carina und Luca mit."

Ist er jetzt von allen guten Geistern verlassen? Carina hat mich gefahren und ohne Luca hätte ich keine Informationen erhalten.

„Daniele, ich weiß und es tut mir Leid. Ich habe nunmal ein Vertrauensproblem und ja, ich hatte Angst, weil dein Onkel involviert gewesen ist. Du weißt, dass es nicht immer unwahrscheinlich ist, dass Informationen nach außen gelangen. Ach, und Carina war so lieb und hat mich gefahren und ohne Luca hätte ich keine Informationen erhalten. Außerdem können wir uns gar nicht beschweren! Der Mord wurde aufgeklärt. Calvo hat Lebenslänglich bekommen und Maria Palma dreißig Jahre.", sage ich zu ihm. Ich merke, dass jetzt auch ich wütend bin. Meine Hände habe ich zu Fäusten geballt.

„Trotzdem hättest du es mir sagen sollen.", äußert er sanfter. Verstehe einer die Männer! Erst brüllt er mich an und dann klingt er wie ein kleines Kind, dass man beim klauen von Keksen erwischt hat.

„Ich weiß, dass ich es dir hätte sagen und dich einweihen sollen. Mein Handlungsdrang war wieder größer als mein Verstand."

Daniele kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm.

Nach einigen Sekunden realisiere ich erst, was hier gerade passiert und so lege ich meine Arme ebenfalls um ihn.

„Bitte entschuldige meinen kleinen Wutanfall. Ich hätte dich nicht so anschreien dürfen. Ich bin dir nämlich sehr dankbar, denn ohne dich hätte ich den Prozess niemals bestreiten können." Während mich Daniele die Worte ins Ohr flüstert, öffne ich meine Augen. Schlagartig wird mir klar, dass es bald an der Zeit sein wird, Rom zu verlassen. Ich muss zurück nach London. Zurück in mein Leben.

Daniele löst sich aus der Umarmung.

„Nichts zu danken. Für mich war es auch eine schöne Erfahrung und ich habe dir wirklich gerne geholfen." Ich versuche ein Lächeln zu Stande zu bringen, doch so richtig gelingt mir das nicht. Daniele scheint das zu bemerken, denn er schaut mich fragend an.

„Ist alles in Ordnung?"

Soll ich ihm jetzt wirklich erzählen, dass ich ein Verhältnis mit seiner Schwester habe? Lieber nicht, denn ich weiß nicht, ob er nicht doch noch sauer auf mich ist.

„Ich denke nur an die Urteile.", antworte ich ihm. Innerlich schlage ich mir die Hand vor die Stirn. Manchmal bin ich auch wirklich ein Esel! Mir hätte auch wirklich eine andere Antwort einfallen können.

„Wieso? Findest du die Urteile ungerecht?", fragt Daniele und legt den Kopf ein wenig schief. Naja, jetzt muss ich ihm schnell eine Antwort geben.

„Eigentlich nicht, denn ich finde, dass Calvo eine gerechte Strafe bekommen hat. Er muss lebenslänglich ins Gefängnis und verliert alle seine Ansprüche als Beamter. Und Maria Palma hat auch eine gerechte Strafe für ihr Verschwinden, die Falschaussagen, die Beschuldigungen und die Anstiftung zum Mord erhalten." Ich weiß nicht warum, aber ich empfinde gerade einen Hauch von schlechtem Gewissen Calvo gegenüber. Eigentlich war ich für seinen Freispruch zuständig, aber ich habe ihn für sein ganzes Leben ins Gefängnis befördert, ohne Chance auf Bewährung oder sonstiges.

„Hör zu, Beide haben ihre gerechten Strafen bekommen. Ich weiß, dass dir durch den Kopf geht, dass du eigentlich für Calvo's Freispruch zuständig gewesen bist, doch die Polizei kann sich glücklich schätzen, dass der Mordfall endlich geklärt und die schuldige Person verhaftet wurde.", muntert Daniele mich auf, doch so richtig funktioniert das nicht.

„Trotzdem geht es mir immer und immer wieder durch den Kopf. Dein Onkel und Vater würden mir doch am liebsten den Kopf abreißen."

Just in time geht die Tür auf. Erschrocken schauen Daniele und ich zu Tür. Freudestrahlend kommen Giacomo und Giovanni zu uns.

„Den Kopf abreißen vielleicht nicht, sondern eher die Hand schütteln.", sagt Giacomo mit einem breiten Grinsen im Gesicht und hält mir seine Hand hin. Leicht irritiert erwidere ich den Händedruck.

„Signora Chapman, ich bin Ihnen nicht böse. Ganz im Gegenteil, denn ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben nicht nur einen Mordfall aufgeklärt, sondern auch noch eine verschwundene Person gefunden. Natürlich haben Sie Ihren Mandanten an den Pranger gestellt und meinen Sohn für eine inoffizielle Befragung benutzt, die dann doch noch irgendwie offiziell wurde. Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe nicht vor Ihnen den Kopf abzureißen." Anscheinend muss ich immer noch irritiert schauen, denn nun ergreift Giovanni das Wort.

„Nun lass' Anna ein bisschen zur Ruhe kommen, Giacomo!", wendet sich Giovanni an seinen Bruder. „Ich bin dafür, dass wir uns Alle ein wenig ausruhen und uns heute Abend zum Essen treffen.", lächelt legt Giovanni seine Hand auf Daniele's Schulter.

„Das hört sich sehr gut an!", erwidert Daniele.
„Was sagst du dazu, Anna?" Giacomo schaut mich erwartend an. Ich weiß wirklich nicht, worum es gerade in dem Gespräch ging. Meine Gedanken rasen. Immer wieder finde ich mich zwischen Carina, Calvo, London und Rom wieder. Ich weiß nicht, warum ich schon wieder so unsicher bin. Der Prozess ist zu Ende und ich habe ihn mehr oder weniger gewonnen. Die frage ist natürlich, ob ich noch Konsequenzen bezüglich meines Handels davontrage aber eigentlich kann ich die Korken knallen lassen und meinen Sieg feiern. Vielleicht liegt es sich an meiner Nervosität vor dem Ungewissen, denn ich weiß nicht, wie es mit mir und Carina weitergehen soll oder besser gesagt, ob es weitergehen wird. Am liebsten würde ich gerade nicht daran denken.

„Ähm...ja. Natürlich.", bringe ich zögernd zusandte, ohne zu wissen, was ich gerade bejaht habe.

„Wunderbar! Giacomo und ich fahren dann schon einmal in die Villa und ihr kommt dann heute Abend zu uns und dann feiern wir den Sieg. Carina wartet übrigens draußen auf euch." Mit diesen Worten wenden sich die Brüder von Daniele und mir ab.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, was hier gerade passiert ist. Das Einzige, was ich verstanden habe ist, dass Carina draußen wartet und ich jetzt nur noch zu ihr möchte.

Ein Drama namens LebenOnde histórias criam vida. Descubra agora