Kapitel 4

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„Warum bist du so still?"
Carina's Frage reißt mich aus meinen Gedanken. Ähm, ja...warum bin ich so still? Ich weiß es nicht. Meine Großmutter hat nicht umsonst gesagt, dass es immer besser ist, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Ich bin hin und hergerissen, ob es eine gute Idee gewesen ist, mit Carina in meine Wohnung zu fahren. Carina ist sehr impulsiv und ich glaube nicht, dass ich ihr soweit vertrauen kann, dass sie sich zurückhält. Hmm, aber kann ich mir denn überhaupt vertrauen? Ich habe keine Kraft mehr dazu, die Situation, wie sie vor fünf Jahren schon war. Das was damals passiert ist, soll sich nie wieder wiederholen. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich davon zu erholen. Monate lang habe ich mich in Selbstmitleid und Depressionen gesuhlt. Wochenlang habe ich meine Wohnung nicht verlassen. Sogar Vorlesungen habe ich versäumt. Aber ich muss mich jetzt zusammenreißen. Ich habe Daniele meine Hilfe zugesichert. Ich bin ein Mensch, der zu seinem Wort steht. Außerdem wäre ich in seiner Situation auch froh, wenn ich Hilfe bekommen würde.

„Ich denke nur nach.", gebe ich ihr als Antwort auf ihre Frage. Ich hoffe, dass ihr das als Antwort genügt.

„Und über was?" Natürlich hat es ihr nicht als Antwort gereicht. Warum zum Teufel ist sie so neugierig? Ich habe diese Neugier schon damals gehasst. Ich rolle mit den Augen und schaue weiter auf die Straße. Keine Ahnung, warum ich jetzt so sauer bin. Ich habe generell keine Ahnung, was gerade in meinem Leben gut oder schlecht läuft. Momentan ist mein ganzes Leben eine große Kaugummikugel, an der Alles haften bleibt und nur schwer abzuziehen ist.

„Anna?", kommt es noch einmal von Carina. Ich schließe kurz die Augen, bevor ich meinen Kopf kurz nach links drehe.

„Ich denke über die ganze Situation nach. Über meine Entscheidung, euch zu helfen und über mein Leben."

Ich trete vorsichtig auf die Bremse und setze dein Blinker nach links. Wir sind gleich an meiner Wohnung. Hoffentlich finde ich einen Parkplatz in der Nähe des Wohnhauses. Das ist aber wieder einmal typisch für mich, die Welt um mich herum steht in Flammen und ich habe keine größere Sorge als einen passenden Parkplatz zu finden.

„Also, wenn es um den Fall geht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen." Carina legt ihre Hand auf meine, die auf dem Schaltknüppel liegt. Ich merke, wie sich mein Atem beschleunigt. Was passiert hier gerade? „Und wenn es um die Vergangenheit geht, da habe ich dir doch schon gesagt, dass wir dir versprechen, sie ruhen zu lassen."

Ich nicke, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich ihr vertraue. Ich muss aufhören mich selbst so verrückt zu machen.

„Aber warum machst du dir Gedanken über dein Leben?" Carina legt den Kopf ein wenig schief und sieht mich fragend an.

Am liebsten würde ich das Gespräch beenden. Ich will mich nicht vor Carina erklären müssen und schon gar nicht über mein Leben mit ihr reden. Professionalität. Professionalität ist das Stichwort. Immerhin bin ich eine Anwältin und bald bearbeite ich eine sehr wichtigen und großen Fall.

Meine Finger umklammern das Lenkrad und den Schaltknüppel mittlerweile so fest, dass es schon schmerzt. Carina fährt mir sanft über meine Hand.

„Stai calmo, Anna, es ist schon in Ordnung. Du musst nicht mit mir darüber reden. Lass' uns in deine Wohnung gehen und deinen Koffer packen. Ich habe ich schon lange auf einen Mädelsabend mit dir gefreut." Unwillkürlich schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich bin beruhigt, dass wir das Thema jetzt verschieben. Ich kann und will mich ihr nicht öffnen, denn mein Ego würde es nicht aushalten, wenn ich wie ein verwundeter Welpe vor ihr stehen würde.

„Vielen Dank. Du hast Recht. Gehen wir hoch und packen meinen Koffer." Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, steige ich aus dem Auto. Ich sollte aufhören so pessimistisch zu sein und mich stattdessen auf mein Abendteuer freuen.

Ein Drama namens LebenWhere stories live. Discover now