Und so kämpfte auch ich mich durch die Straßen Philadelphias, immer mit dem lästigen Gedanken, dass ich bald kein Teil mehr dieses Trubels sein würde. - Dann musste ich es wohl noch so lange genießen, wie ich konnte.

Ich setzte ein Lächeln auf und pfiff eine leise Melodie, während ich den Smog, die angespannte Stimmung und die Hektik der Stadt in mir aufsog.

Deine positive Einstellung ist zum Kotzen, meldete sich Amy zu Wort, doch ich ignorierte sie.

Heute waren mir zwei schlimme Dinge widerfahren, von denen das eine wohl mehr peinlich war. Ich war der Meinung, dass ich es mir verdient hatte, das letzte Bisschen Lebenszeit, das ich noch hatte, zu genießen. Warum sollte ich traurig sein? Es änderte nichts an der Situation. Wenn ich den Rest meiner Existenz damit verbrachte, zu weinen, konnte ich auch sofort sterben. Der Tod konnte mich gerne holen kommen.

Also Amy, halt deinen Mund und lass mich glücklich sein. Weil ich es kann.

Amy blieb still. Mein Weg führte mich weiter an einer kleinen Einkaufsstraße entlang. Die Busstation, zu der ich musste, war nur noch wenige hundert Meter entfernt.

Plötzlich brach ein Tumult vor mir aus. Eine Frau in meinem Alter schrie verzweifelt auf.

,,Meine Tasche! Bleiben Sie stehen, verdammt!'', rief sie einem Mann mit schwarzer Kapuze hinterher, der sich mit schnellen Schritten von ihr entfernte.

Ich reagierte sofort und lief dem Dieb hinterher. Das war das Problem mit mir. Ich handelte, ohne nachzudenken. Wenn ich einmal kurz über Folgen und Risiken nachgedacht hätte, dann wäre mir bestimmt bewusst geworden, was für eine hirnrissige Idee es war, einem ausgewachsenen Mann hinterherzulaufen, der dabei war, eine Tasche zu stehlen. Geniale Idee, Sol. Du kannst dir in der nächsten Ecke deinen Heldenaward abholen.

Ich schaltete den vernünftigen Teil meines Verstandes aus und spurtete dem Mann hinterher. Da auf dem Gehweg starkes Treiben herrschte, wurde der Mann des Öfteren aufgehalten, sodass ich ihm immer näher kam. Aufgrund meiner kleinen Körpergröße und meines schmächtigen Körperbaus, konnte ich mich leicht durch die Menschen schlängeln.

,,Hey, Sie Mistkerl! Bleiben Sie stehen!'', schrie ich ihm wütend über die Köpfe der anderen Menschen hinterher. Hektisch drehte er sich um und begegnete meinem Blick. Eine Spur von Panik tauchte in seinen Augen auf, bevor er sich kurzerhand umwandte und in eine kleine Gasse verschwand.

,,Mist'', fluchte ich und drängelte mich an einer älteren Dame vorbei, die mir etwas hinterherrief, dass ich nicht verstand. So schnell ich konnte, folgte ich dem Typen in die Gasse. Selbstverständlich ohne mein halbfunktionierendes Gehirn dabei einzuschalten. Natürlich sollte man einer bedrohlich aussehenden Person in eine dunkle Gasse folgen. Das war das Erste, was man von seinen Eltern lernte. Ganz fantastisch, Sol.

Doch ehe ich den Gedanken richtig zu Ende bringen konnte, war es auch schon zu spät. Mein Puls raste und mein Herz schlug alarmierend gegen meine Brust. Ich atmete stoßweise ein und aus, als ich mit langsamen Schritten auf die Gestalt zuging, die mir am Ende der Gasse den Rücken zugekehrt hatte.

Und nun? Willst du mit deinen nicht vorhandenen Taekwondo-Künsten den Mann zu Fall bringen? Bist du eigentlich lebensmüde, jetzt wo du weißt, dass du eh bald sterben wirst?, schrie Amy mich an, als wäre ich nun vollkommen durchgedreht.

Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und versuchte, das ungute Gefühl in den Hintergrund zu drängen. Es roch förmlich nach Gefahr, doch es war zu spät, um umzukehren.

,,Geben Sie die Tasche her. Sie gehört Ihnen nicht'', stieß ich angestrengt hervor. Doch für den Mann musste es eher nach einem Piepsen klingen. Meine Stimme zitterte, aber ich hoffte, er schob es auf meine schwere Atmung.

Soulless - Auf ewig verbundenWhere stories live. Discover now