»Du musst es schon ganz auspacken«

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Myles

Nervös hüpfe ich von einen Fuß auf den anderen, während ich darauf warte, dass mir Sasha öffnet. Ich trage nichts besonderes, da ich immer noch die Hoffnung habe, dass wir nicht in ein extravagantes Restaurant gehen.

Mir fallen jedoch fast die Augen heraus, als die Tür aufgezogen wird und Sasha im Anzug vor mir steht. Es ist weiß und schick. Seine Haare sind gestylt und auf seinem Arm hängt eine teure, bekannt aussehehnde Uhr. Er trägt die Uhr, die er damals schon in der Schule getragen hat.

Alle waren damals neidisch darauf gewesen, dabei sieht sie an niemanden besser aus als ihm. Ich denke, er macht die Uhr schön und nicht ungekehrt.

»Gehen wir irgendwohin?«, frage ich vorsichtig und blicke auf mich hinunter. Jetzt fühle ich mich doch blöd. Ein wenig Mühe hätte ich mir wahrscheinlich schon geben sollen.

Es ist das erste Mal, das mich jemand auf ein Date eingeladen hat. Bis jetzt hat mich eigentlich jeder gemieden und Online Dating verlief bei mir ebenfalls nie besonders gut. Sobald ich mit jemanden geschrieben haben, hatte dieser schon wieder das Interesse verloren. Alle. Sogar die, die mich nur ficken wollten.

»Nein«, sagt er ruhig und nimmt mich an der Hand. Er führt mich an den gedeckten Tisch. »Ich habe für uns gekocht.«

»Du?«, frage ich entsetzt und sehe mich in der Küche um. Nichts brennt, nichts steht unter Wasser. Geschirr und Töfpfe ragen wie Türme auf der Arbeitsplatte und versperren die Abwasch, aber nichts ist kaputt. »Hat Waylen es erlaubt oder hast du es ohne sein Einverständnis getan?«

»Er hat gesagt, ich darf sie benutzen, wenn ich einen einwöchigen Kochkurs besuche, also habe ich das gemacht«, sagt er stolz und drückt mich auf einen Stuhl nieder.

Er nimmt mir die Jacke ab und hängt sie auf, bevor er sich bückt und mir sogar die Schuhe auszieht. Ich fühle mich wie Cinderella, auch wenn man ihr einen Schuh angezogen hat.

Er erhebt sich wieder und nimmt unsere Suppenschüsseln. Er schenkt uns Suppe ein. Ich kann bis hierhin Karotten und Ingwer riechen.

»Der Kochlehrer ist bei mir fast verzweifelt. Er wollte schon das Tuch werfen, aber dann hat er sich wohl sein Motto erinnert«, scherzt Sasha und stellt die Schüsseln auf dem Tisch. Er setzt sich grinsend mir gegenüber. »Er hat mir einfache Dinge gezeigt, deswegen gibt es heute Karotten-Ingwersuppe, Hühnchen mit Backofenkartoffeln und alkoholfreie Trüffel.«

»Klingt ausgezeichnet«, sage ich zufrieden und verfolge mit meinen Augen seine Hand, die ein Feuerzeug aus der Hosentasche zieht und die drei Teelichter vor uns anzündet. Sie sind geruchslos.

»Teelichter sind keine Kerzen«, erklärt er mir schlau und schenkt uns etwas Johannisbeerensaft in die Weingläser. »Du musst jetzt leider durch etwas Romantik durch.«

»Ich werde es überleben.« Grinsend beginne ich zu essen.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich so einmal denke, aber ich hoffe fast schon, dass die Zeit stehenbleibt und ich diesen Moment auf ewig erleben kann. Er soll immer wieder von vorne losspielen. Ich will mein ganzes Leben lang hier sitzen. Ich will die Suppe essen, sein in Kerzenlicht gelegtes Gesicht betrachten und meinem Herzschlag horchen.

»Die Suppe ist gut«, sage ich zufrieden. »Hast du sehr gut gemacht.«

Jetzt braucht er dich wirklich zu gar nichts mehr. Kochen kann er nun auch. Du wirst nie wieder für ihn kochen müssen. Er kann sich nun wirklich endlich selbstversorgen.

»Ich kann leider nicht viel, aber alleine schon, dass du glücklich bist, reicht mir, um es weiter zu versuchen und zu einem richtigen Chefkoch zu werden«, trällert er und wischt sich den dreckigen Mund an der Serviette ab. »Ich vermisse deine Kochkünste. Waylen kocht nie. Er ernährt sich vom Lieferdienst und von Salat.«

BullyWhere stories live. Discover now