𝟑𝟏: 𝐋𝐀𝐃𝐘 𝐀𝐏𝐏𝐋𝐄𝐉𝐀𝐂𝐊

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𝟑𝟏: 𝐋𝐀𝐃𝐘 𝐀𝐏𝐏𝐋𝐄𝐉𝐀𝐂𝐊

𝐄𝐈𝐍𝐄𝐍 𝐌𝐎𝐌𝐄𝐍𝐓 𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐍𝐎𝐂𝐇 betrachtete ich die Adern, die ganz deutlich auf seinen Handrücken herausragten.
Wären sie auch so prägnant, wenn er seine Hände fest um meine Taille schloss, um mich an sich zu ziehen?
Der Gedanke daran, wie er mich einfach packte und um den Verstand küsste, entlockte mir ein leises Keuchen.
Ich war nicht nur unberechenbar, ich war anscheinend auch irgendwie untervögelt, obwohl ich noch eiserne Jungfrau war.
»Halt an.«, fluchte ich und krallte mich in den abgeblätterten Ledersitze seines Vans.
Halt an und steck mir deine Zunge in den Hals, verflucht. Oder sag mir endlich, dass nie nie niemals etwas aus uns wird.
Eddie betätigte den Blinker und fuhr auf den Seitenstreifen.
Dann drehte er sich mir entgegen und studierte eindringlich mein Gesicht.

»Was ist los? Ist dir schlecht? Hast du schon wieder zu viel Eis gegessen?«, wollte er herausfordernd grinsend wissen.
Ich schüttelte benommen den Kopf und kramte in dem letzten Areal, das funktionierende Hirnaktivität zuließ nach einer Antwort.
Ich würde ihn ja nicht wirklich darum beten, dass er mich küsste. Oder? Nein!
»Nein, ja. Du fährst als hättest du gesoffen.«, verteidigte ich mich und schlug ihm dann lachend auf den Oberschenkel.
Himmelherrgott wie gestellt und nervös konnte ein Lachen eigentlich klingen?
Eddie legte seinen Kopf leicht schräg und betrachtete mich grinsend.
Im nächsten Moment jedoch wurde der Ausdruck in ihm ernster.
»Das ist so verflucht ungewohnt.«, gab er zu und strich mir erneut eine Strähne hinter das Ohr.

»Es sind doch nur Haare...«, flüsterte ich unsicher und fragte mich innerlich, wieso es ihm so schwer fiel mich mit kurzen Haaren zu sehen.
»Ich hatte gar keine Gelegenheit herauszufinden wie es sich anfühlt...«, murmelte er nachdenklich und dabei kam mir der Gedanke, dass er die Worte eigentlich nicht direkt an mich hatte richten wollen.
»Du hast...mir doch schon hunderte Male daran gezogen.«, entgegnete ich atemlos.
Wieso fühlte sich das hier nicht wie ein normales Gespräch an?
Wieso schlug mir das Herz bis zum Halse und ich hatte das Gefühl keine Luft zu bekommen, so sehr ich auch danach rang.
»Schon.«, raunte er. Dann räusperte er sich und begann erneut zu sprechen.
Diesmal nicht viel lauter, aber dafür gefestigter.

»Aber ich werde nie wissen, wie es ist meine Hände darin zu vergraben oder wie sie mich kitzeln, wenn du über mir liegst.«, offenbarte er mir.
Dabei sah er mir nicht die Augen. Er tat es erst als er zu Ende gesprochen hatte.
Ich hatte das Gefühl mich jedem Moment an meiner eigenen Spucke zu verschlucken.
Unzählige Male schluckte ich, in der Hoffnung meine trockene Kehle zu erlösen.
Was sagte er da? Halluzinierte ich? War das Eis schon schlecht gewesen und ich litt nun an einer Salmonellenvergiftung?
Die Zeit um uns herum ging in einer völlig neuen Zeitrechnung vonstatten.
Denn während vielleicht gerade einmal eine Minute vergangen war, fühlte es sich für mich so an als hätte ich seit einer Ewigkeit nichts mehr gesagt.

Am liebsten hätte ich ihn darum gebeten, sich zu wiederholen.
Denn die hitzige Gänsehaut, die sich durch seine Worte über meine Arme gelegt hatte, war bereits abgeklungen und einen Frösteln gewichen.
Wieso funktionierte in diesem Schrottteil weder die Klimaanlage noch die Heizung?
Mein Kopf ratterte unerlässlich und suchte ausgiebig nach etwas, das ich zu ihm sagen konnte.
Wie, dass ich mir wünschte, dass er genau das ausprobierte, denn ich war mir sicher, dass es sich trotz der kurzen Haare phänomenal anfühlte.
Aber weder traute ich mich das, noch wäre es irgendwie hilfreich in dem Versuch nur befreundet mit ihm zu sein.
Er machte es einem aber auch ungemein schwer, an der Freundschaft festzuhalten, wenn er solche Sachen sagte.

Eigentlich war ich im Recht, wütend darüber zu sein. Eddie hatte ja quasi von Kussattacken gesprochen. Und eine Attacke war meiner Auffassung nach negativ behaftet.
Demnach wollte er genauso sehr wie ich nur befreundet sein.
Summa Summarum war er ein Idiot.
Ich konnte ihm schlecht genau das vorwerfen, weil ihm dadurch ein weiteres Mal bewusst gemacht worden wäre, wie sehr mich das Ganze beschäftigte. Und das wollte ich in keinem Fall.
Also brauchte ich etwas anderes, für das ich ihn verantwortlich machen konnte.
Da gab es weiß Gott genug.
Judy fiel raus. Wenn möglich sollte er nicht wissen, dass ich von ihrem Techtelmechtel wusste.
Und ihn schon wieder den Kuss vorzuwerfen war langsam auch wirklich peinlich.

»Lady Applejack.«, sagte ich und war selbst erschrocken über die Lautstärke, die ich von mir gab.
Zur Bekräftigung meiner Wut verschränkte ich die Arme vor der Brust.
Eigentlich hatte ich nur eine Ablenkung haben wollen. Etwas, das mich davon abhielt ihm um den Hals zu fallen.
Aber die Tatsache, dass er die Lady so problemlos aufgenommen hatte und ich es seit Jahren erfolglos versuchte, reichte aus um mich wirklich zu verärgern.
Eddie's große Augen verrieten seine bleischwere Überraschung.
Seinen dämlichen Hundeblick konnte er sich sparen. Ich wollte Antworten.
»Sinclair's Schwester?«, fragte er verständnislos, aber dann machte es Klick bei ihm.
Abwehrend hielt er sich die Hände vor die Brust.
»Das war nicht meine Idee.«, versuchte er mir aufzubinden.

»Ach ja?«, stellte ich zurecht in Frage.
Immerhin war er der Gründer des Hellfireclub und damit unweigerlich die Person, die das Sagen hatte.
Und das letzte Wort.
»Nein nein nein.«, wehrte er sich und schüttelte penetrant seinen Kopf.
Dabei federten seine Locken so niedlich auf und ab, dass ich lächeln wollte. Aber ich blieb hart.
»Das lag wirklich nicht in meiner Macht. Wir hatten da diese Kampagne und wirklich niemand wollte-«
»Ich schon.«, unterbrach ich ihn schroff.
Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde quälend. Letztendlich seufzte er frustriert auf und erklärte mir alles.
»Pass auf. Sinclair ist direkt nach dem er ins Basketballteam aufgenommen wurde abgesprungen. Und wir haben dringend Verstärkung gebraucht und...ah fuck Aayliah. Das war direkt nach unserm ersten Kuss. Ich war überhaupt nicht Herr meiner Sinne. Ich war verwirrt und hatte echt Panik auch noch dort meine gesamte Zeit mit dir zu verbringen.«

Dass er mich bei meinem vollständigen Namen nannte verunsicherte mich ungemein.
Aber viel stärker stach die Tatsache hervor, dass er es scheinbar ablehnte in meiner Nähe zu sein.
War ich ihm eine Belastung? Verbrachten wir zu viel Zeit miteinander?
Er hatte durch den Kuss die Grenze zwischen uns nicht nur verwischt, sondern einfach mal komplett niedergerissen.
Eddie hatte das was Jahre lang unausgesprochen in der Luft gelegen und wir als familiäre Liebe abgestempelt hatten, hervorgeholt.
In einem Versuch mich vor einem sexuellen Übergriff zu schützen.
Jetzt mal ernsthaft. Welche Entscheidung in meinem Leben hatte ich so fehlerhaft getroffen, dass ich hier gelandet war?
Ich wollte zurück und gleichzeitig wollte ich nichts weniger als das.
Gleichzeitig flehte ich diverse Gottheiten an, dass wir wieder Freunde wurden und in einander die Liebe unseres Lebens fanden.

»Sag doch was.«, bat er der Verzweiflung nahe und streckte seine Hand nach mir aus.
Ich drückte sie sanft aber bestimmt von mir und tat so als würde ich meinen Gurt wieder richten.
»Fahr ruhig weiter.«, schlug ich ihm vor und räusperte mich.
»Ist dir nicht mehr schlecht?«, fragte er besorgt, woraufhin ich den Kopf schüttelte.
Mit Worten zu antworten traute ich mich nicht. Ich war viel zu verwirrt, um noch einen klaren Satz zu vollbringen.
Würde es jetzt ewig so weitergehen? Würden wir von einer Auseinandersetzung in die nächste eintauchen und dabei fast ertrinken?
Mittlerweile hatte ich jedes Mal nach einer Diskussion nicht nur ein flaues Gefühl im Magen, sondern richtige Angst. Angst ihn zu verlieren.

Eddie wartete noch ein bis zwei Minuten, bevor er losfuhr.
Einerseits, weil er sich allem Anschein nach selbst sammeln musste und, weil er vielleicht doch hoffte, ich würde etwas sagen.
Ich machte mir wirklich Sorgen wie wir die Modenschau erfolgreich überstehen würden. Aber Maya war in diesem Fall mein Licht am Ende des Tunnels.
Sie würde die Bombe entschärfen, die über uns und unserer Freundschaft lag.
Und somit gab es nur noch eine Variable, die unberechenbar war und die wir nicht einfach so stilllegen konnten.
Judy.

• 𝐉𝐔𝐒𝐓 𝐎𝐍𝐄 𝐊𝐈𝐒𝐒 • [ 𝚎𝚍𝚍𝚒𝚎 𝚖𝚞𝚗𝚜𝚘𝚗 ]Where stories live. Discover now