𝟏𝟖: 𝐌𝐈𝐒𝐂𝐇𝐈𝐄𝐅 𝐌𝐀𝐍𝐀𝐆𝐄𝐃

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𝟏𝟖: 𝐌𝐈𝐒𝐂𝐇𝐈𝐄𝐅 𝐌𝐀𝐍𝐀𝐆𝐄𝐃

𝐌𝐈𝐓 𝐉𝐄𝐃𝐄𝐌 𝐓𝐄𝐋𝐋𝐄𝐑, 𝐃𝐄𝐍 𝐈𝐂𝐇 𝐀𝐔𝐅𝐄𝐈𝐍𝐀𝐍𝐃𝐄𝐑 𝐒𝐓𝐀𝐏𝐄𝐋𝐓𝐄 zuckte ich bei dem klirrenden Ton, der sich dadurch ergab, reflexartig zusammen.
Wieso war man immer so unglaublich laut, wenn man versuchte möglichst leise zu sein?
Eddie's Schnarchen hingegen, drang selbst durch die verschlossene Tür und hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Sägewerk.
Es war kaum auszuhalten, aber ich gab mein Bestes umso laut zu summen, dass ich damit seinen Presslufthammer übertönte.

Irgendwann hatte ich Mühe die vielen Schüsseln auf dem Abtropfgitter zu jonglieren, weshalb aus meinem Summen ein beständiges Fluchen wurde.
»Das sind die liebreizenden Töne, mit denen ich je geweckt wurde.«, säuselte Eddie und hievte sich an der Küchentheke hoch, um sich dort hinzusetzen.
Mein Blick fiel unweigerlich auf seine Hüfte, an der nichts als eine Boxershorts klebte.
Warum musste seine untere Region auch unmittelbar auf meiner Höhe sein?
Ich verfluchte den laufenden Meter, der ich war.

Außerdem war es eigentlich völlig normal, dass er morgens so aus seinem Zimmer kam.
Nur, wenn er bei mir schlief ließ er seine Hose an. Seine Angst vor meinem Dad war es ihm wert, unbequem zu schlafen.
Eigentlich war es keine richtige Angst.
Viel eher eine ausgeprägte Besorgnis darüber, dass Dad ihm eine mit der Bratpfanne überbraten könnte, wenn er sah, dass er halbnackt neben mir schlief.
Glücklicherweise war es noch nicht allzu häufig vorgekommen, dass Dad überhaupt mitbekommen hatte, dass Eddie bei mir übernachtete.

»Eddie.«, presste ich zwischen meinen Lippen hervor und drehte mich von ihm weg.
»Nicht nur deine Socken haben Löcher.«, zischte ich und verschluckte mich dabei fast an meiner eigenen Spucke.
Mir wurde heiß, nicht vom Anblick seines besten Stücks, sondern durch die Tatsache, dass er das gewusst haben musste und es ihm trotzdem egal genug war, um so vor mir aufzutauchen.
Wohlmöglich hatte ich ihn die letzten zehn Jahre vollkommen falsch eingeschätzt.
Eddie war doch der Schwerenöter, für den ich ihn nie gehalten hatte.
Er lachte leise auf und schlang die Arme um meinen Hals.
Auf diese Weise konnte er mich näher zu sich ziehen und mir durchs Haar wuscheln.

In der Vergangenheit hätte ich ihn lachend verdroschen.
Doch in diesem Moment, in dem ich mit dem Rücken zu ihm stand, schloss ich die Augen und ließ seine Nähe auf mich wirken.
Ich hatte es immer schon gemocht, ihn nahe bei mir zu haben.
Umarmungen und unschuldige Kuscheleinheiten waren meine Art ihm zu zeigen, dass ich ihn gern hatte.
Und seine Art mir das zu zeigen war es eben mich möglichst häufig möglichst unwohl fühlen zu lassen.
»Ich sage es dir einmal und nie wieder: Ich kann nicht mit einem Exhibitionisten befreundet sein.«
Ich versuchte meine Stimme ernst und endgültig klingen zu lassen, aber mein prustendes Kichern gewann die Oberhand.

»Geht es dir besser, Al? Und bist du bereit mir zu sagen was los war?«, fragte er einfühlsam.
Ich biss mir fest auf die Lippen und suchte händeringend nach einer Antwort.
Das Gespräch von gestern wollte ich um nichts in der Welt weiterführen.
Ich wollte überhaupt nicht mehr an den gestrigen Abend denken und jede erhaltene Information zu Staub zerfallen lassen.
Eddie und Jude. Jude und Eddie. In seinem Auto. Auf dem Rücksitz.

»Ahhh, Aly!«, schrie Eddie und sprang so ruckartig hinab, dass ich nach vorne taumelte.
Erschrocken drehte ich mich zu ihm um.
Mein Blick fiel auf seine Oberschenkel, die markante Abdrücke von meinen Fingernägeln erhalten hatten. Ups.
Eddie's Blick sprach von Unverständnis, er fragte sich wahrscheinlich, ob ich von allen guten Geistern verlassen worden war.
War ich. Ziemlich sicher sogar.
»Sorry. Ich hatte plötzlich Lähmungserscheinungen und musste sichergehen, dass ich nicht an einer Nervenkrankheit leide.«, erklärte ich meine versuchte Körperverletzung.
»Du bist eine Nervenkrankheit.«, beschwerte er sich lachend.

»Musst du noch einmal nach Hause, bevor wir losfahren?«, wollte er wissen.
Daraufhin drehte ich mich mit einer erhobenen Augenbraue zu ihm um.
»Äh ja?«, antwortete ich und zupfte an meinem Pyjama herum, um ihn darauf aufmerksam zu machen.
Seine Reaktion war ein heiseres Lachen.
Dabei schlug er sich auf dem Weg in sein Zimmer gegen die Stirn und murmelte etwas davon, wie müde er noch war.

Das war ich nicht. Ganz im Gegenteil.
Ich fühlte mich wie das blühende Leben.
Ich hatte lange nicht mehr so tief und wohlbehalten geschlafen.
Eddie hatte anfänglich auf dem Boden gelegen, war dann nach Mitternacht aber doch noch zu mir ins Bett gekrochen.
Das bemerkte ich an seinen wärmenden Körper und an dem befreienden Gefühl in meinem Herzen.
Ich konnte endlich loslassen. Ich hatte alles was ich brauchte bei mir.
Meinen besten Freund.

Ich hätte sogar gute Laune haben können, wäre mein Hirn nicht wie ein Störsender, der immer mal wieder Empfang bekam.
Aus diesem Grund dachte ich nämlich ganz automatisch an Judy's Offenbarung.
Über Dio's kreischende Stimme hinweg teilte ich Eddie mit, dass wir uns in zehn Minuten vor dem Van treffen würden und verließ seinen Trailer.
Als mein Blick auf den Wagen der Munsons traf, rümpfte ich unweigerlich die Nase.
Das war es also. Das Mobil der Schande, in der Speichel und Körperflüssigkeiten ausgetauscht worden waren.

Mit zusammengepressten Lippen hob ich etwas von dem Schnee-Erdgemisch auf.
Der nasse klumpige Matsch war das einzige das von dem sanften Schneetreiben von Tag zuvor übrig geblieben war.
Ich formte es zu einem Ball, der nicht eine Sekunde lang in Form blieb.
Also überlegte ich es mir anders. Anstatt die missratene Kugel zu werfen, ging ich auf das Auto zu und schmierte den Matsch auf die Karosserie.
Nicht zu viel, damit es so aussah als hätten die unartigen Nachbarskinder sich einen Spaß erlaubt.
Und nicht als hätte eine eifersüchtige Teeniebratze ein Zeichen setzten wollen.

Eifersucht? War es das, was mein Herz verunreinigte und mir das Leben schwer machte?
Wenn ja, was für eine Eifersucht war es?
Der Neid, dass sie mehr in ihrer Jugend erlebt hatten als ich bisher? Dass sie neugieriger und mutiger waren und sich ausprobierten?
Oder war es eher die Tatsache, dass sich seit dem Kuss mit Eddie etwas verändert hatte? Dass ich mich verändert hatte?
War ich - Ganesha steh mir bei - dabei mich in meinem besten Freund zu verlieben?

Diese Vorahnung traf mich vollkommen unvorbereitet.
Ich hatte mich bislang erfolgreich gegen jeden Gedanken daran gewehrt.
Es als Missgunst abgetan.
Weil ich wütend und enttäuscht darüber war, dass Eddie neben mir eine weitere Freundin gefunden hatte.
Die er zu allem Übel so heiß und unwiderstehlich fand, dass er mit ihr in die Kiste - eine fahrbare Kiste - gesprungen war.
Dabei hatte ich die beiden einander vorgestellt.
Was mich zu dem immer selben Rückschluss zurückführte: Es war meine eigene Schuld.
Ich war mit einem freudigen Lächeln in mein eigenes Verderben gelaufen.

𝐁𝐄𝐈 𝐔𝐍𝐒𝐄𝐑𝐄𝐌 𝐓𝐑𝐀𝐈𝐋𝐄𝐑 𝐀𝐍𝐆𝐄𝐊𝐎𝐌𝐌𝐄𝐍 schlug ich unsere Fliegengittertür ein wenig zu beherzt zu. Irgendwann würde ich sie noch aus der Befestigung reißen.
Dann stiefelte ich missgelaunt in mein Zimmer und knöpfte meinen Schlafanzug auf.
Aus dem Augenwinkel erkannte ich meinen Artikel, auf dem etwas mit Lippenstift geschrieben stand.

Der Artikel ist der Hammer! Reich ihn unbedingt ein.
Und bitte sag Eddie nichts davon, dass ich es dir erzählt habe.
Mom schmeißt morgen drei Karten für die Fashionshow,
auf der ich arbeite in euren Briefkasten.
Freue mich, wenn du und Maya kommt.
Und wenn Ozzy für Arme mitkommen will,
zwing ihn dazu ein Sakko zu tragen.
Oder wenigstens ein Hemd ohne zerrissene Ärmel.
Lieb dich.
JuJu

Wow. Der Preis der schlechtesten Freundin ging...eindeutig an mich.
Ich hatte vollkommen vergessen, dass sie ihren ersten Praktikumstag hatte.
Ich war so in meinen eigenen Problemen gefangen, dass ich blind für ihre erbrachte Leistung geworden war.
Sie arbeitete nicht einmal eine Woche dort und durfte schon mit auf eine Modenschau.
Das war beeindruckend.

Ihrer Bitte würde ich nachkommen.
Aber nicht um ihr zu helfen, sondern weil ich selbst Abstand von der Aly nehmen wollte, zu der ich geworden war.
Außerdem hatte es sich zwischen mir und Eddie allmählich beruhigt und das wollte ich nicht aufs Spiel setzen.
Eines hatte ich bemerkt: Unsere Freundschaft war noch nie so zerbrechlich gewesen und ich würde alles dafür geben, damit sie nicht zerfiel.

• 𝐉𝐔𝐒𝐓 𝐎𝐍𝐄 𝐊𝐈𝐒𝐒 • [ 𝚎𝚍𝚍𝚒𝚎 𝚖𝚞𝚗𝚜𝚘𝚗 ]Where stories live. Discover now