Kapitel 10

1K 39 3
                                    

Es waren zwei Tage vergangen seit ich Fabi bat, mich Fußball spielen zu lassen. Ich hatte zwar die prinzipielle Erlaubnis von ihm bekommen, durfte aber erst mitmachen, sobald meine Wunden gut genug verheilt waren.

Fabi hatte sich weiterhin um mich gekümmert und ich durfte noch immer mit ihm in einem Bett schlafen. Nicht das ich das wollte, aber es war immerhin etwas, dass sonst keiner durfte. Mein Plan, dass er derjenige war, für den ich nichts übrig haben sollte, war schwieriger als erwartet. Denn unter unerklärlichen Gründen tendierte ich immer mehr dazu, ihn zu mögen. Obwohl ich keineswegs vergesse  hatte, welche Gefahr mir drohte, wenn ich ihm vertrauen würde.

Aber ich wollte auch nicht zu negativ denken. Ich glaubte nicht daran, dass jemand ein ernstes Interesse an meinem Wohlergehen hatte. Mein Vater hatte mir bewiesen, dass es wohl recht einfach war, einen Menschen zu hassen und ich war überzeugt davon, dass sie das insgeheim auch taten.

Von meinem Vater war übrigens keinerlei Spur seitdem. Er war wie vom Erdboden verschluckt obwohl ich ahnte, dass das ein eher schlechtes Zeichen war. Dennoch dachte ich mit der Zeit immer weniger an ihn. Vermutlich lag es daran, dass ich viel abgelenkt wurde. In den zwei Tagen hatte ich bereits jedes Mädchen hier kennengelernt und mir wurden viele Dinge erklärt. Nicht alles. Wie mir schien. Doch ich konnte sie auch nicht darauf ansprechen, was sie vor mir geheim hielten. Es kam mir vor, als würden sie sich auf etwas vorbereiten. Leider hatte ich keine Ahnung auf was.

Ich saß auf einer Liege in der Sonne und wartete auf Fabi. Nach einem weiteren gestrigen Versuch, hatten wir uns entschieden, dass Fabi das versorgen meiner Wunden übernahm. Von allen Personen, die och hier kennengelernt hatte, war er mir am wenigsten lieb. Bei ihm fühlte ich immer dieses unerklärliche Gefühl von Sicherheit. Unter normalen Umständen hätte ich genau das gewollt. Aber es war Fabi. Er machte mir Angst und gleichzeitig gab es keine Person, bei der ich mich sicherer fühlte. Genau deshalb versuchte ich ihm aus dem Weg zu gehen. Nur ungünstigerweise sorgte er dafür, dass meistens genau das Gegenteil der Fall war.

Das plötzliche Geräusch mehrerer Motoren weckte mein Interesse. Wie es schien, waren sie vom Training zurückgekehrt. Ich entschied mich dazu, die Flucht zu ergreifen. Meine Verletzungen taten noch immer weh und Fabi war nicht dafür bekannt, eine Ausnahme bei ihrer heutigen Versorgung zu machen. Also zog ich es vor, einfach zu verschwinden. Gestern hatte ich es bereits versucht, doch mein Versteck war zu leicht. Natürlich habe ich ein Verbot bekommen, mich zu verstecken vor ihm. Aber ich wusste auch, dass ich mich nicht nach den Schmerzen sehnte.

Leise schlich ich in die hinterste Ecke der erhöhten Terasse und schon einige Kisten vor mich. Zu meinem Vorteil kam, dass die Motoren der Quads laut genug waren und man mich nicht hörte.

Die Geräusche erstarben und Stimmen drängten von unten. Sie schienen alle in eine wichtige Konversation vertieft zu sein, was mir einen weiteren Vorteil verschaffte, da ich hoffte, dass Fabi mich so vielleicht vergessen würde. Wie naiv ich doch sein konnte.

"Wo ist Hannah?" hörte ich seine Stimme und für einen Moment erstarben die Gespräche. Ich beobachtete durch einen kleinen Spalt, wie sie sich alle umsahen und dann mit den Schultern zuckten.

"Keine Ahnung. Wer hat sie denn zuletzt gesehen?"

"Bis eben hat sie sich noch gesonnt." erwiderte Lissi und ich verfluchte sie innerlich dafür. Konnte sie nicht einmal die Klappe halten?

"Ist das so?" fragte Fabi und ich spürte ein unangenehmes Gefühl in mir aufsteigen. Ich hasste es, wenn er seine Fragen mit einem drohendem Unterton formulierte. Er wusste etwas, dass er nicht wissen sollte. In diesem Fall konnte es nur mein Standort sein.

Aber das war blödsinnig. Er hatte mich nicht gesehen und konnte unmöglich wissen, dass ich hier oben in der letzten Ecke war. Oder?

"Es ist alles gut. Ihr könnt euch wieder euren Tätigkeiten widmen. Ich kümmere mich um sie." sagte Fabi und kam zielstrebig auf die Treppen der Terasse zu.

Er konnte es nicht wissen. Er konnte es nicht wissen. Er konnte es nicht wissen. Er- stand vor mir.

"Hallo Darling. Wie ich sehe hast du mich vermisst..." seine Blicke sagten mir alles was ich wissen musste. Kommentarlos stand ich auf und ging mit hängendem Kopf an ihm vorbei in Richtung seines Zimmers.

Zugegeben, es war etwas dramatisch, aber es störte mich nicht. Im Gegenteil, unter unerklärlichen Gründen fand ich den dramatischen Abgang durchaus sehr amüsant. Fabi nicht. Er schlug mir mit der Hand sanft auf den Hinterkopf und ich hob meinen Kopf wieder.

"Hör auf so dramatisch zu tun. Das Drama kann warten bis wir im Zimmer sind." erwiderte er und ich überlegte, ob mir das überhaupt in irgendeiner Weise besser gefiel.

Letztendlich wusste ich aber, dass das Leben hier so viel besser war, als mein Leben Zuhause. Ich wollte dort nie wieder hin. Nur hatte ich Angst, dass sie mich eines Tages hier wegschicken würde. Was, wenn hinter all der Nettigkeit ein Plan steckte? Ich wusste, ich wäre nicht darauf vorbereitet. Es machte mir Angst.

Diese Gedanken plagten mich auf dem Weg zu Fabis Zimmer. Wie gerne ich ihm doch von meinen Sorgen erzählen würde. Aber unglücklicherweise war er meine Hauptsorge und daher ungeeignet für dieses Gespräch. Ich konnte ja schlecht ihm von meinen Sorgen über ihn erzählen...

Fabi X Reader // Die Wilden KerleOù les histoires vivent. Découvrez maintenant