chapter 4 - amicus certus in re incerta cernitur

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A true friend is certain when certainty is uncertain

I've been told, I've been told to get you off my mind
but I hope I never lose the bruises that you left behind
oh my lord, oh my lord, I need you by my side
lewis capaldi, bruises

Je länger Jimin die nahezu identischen Farbfächer in seinen Händen betrachtete, desto schneller gelangte er zu der antiklimatischen Erkenntnis, nichts über die Varietät der 72 verschiedenen Weißtöne zu wissen

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Je länger Jimin die nahezu identischen Farbfächer in seinen Händen betrachtete, desto schneller gelangte er zu der antiklimatischen Erkenntnis, nichts über die Varietät der 72 verschiedenen Weißtöne zu wissen.

Der Laie hätte dem unkompliziertesten aller Neutraltöne eine Einzigartigkeit zugeschrieben, von der man meinen sollte, dass sie die Differenzierung zu ähnlichen Farbnuancen vereinfachen würde. Wie es sich jedoch herausstellte, war die Vermengung der hellsten Farbe des Farbenspektrums mit Stichen der Spektralfarben auch zulässig — oder so stand es zumindest auf den metallenen Plättchen geschrieben, die an das hohe Regal angebracht waren, und Jimin, der mit der Unterscheidung von Gips und Mehlweiß schon hoffnungslos überfordert war, an den Rand der Verzweiflung trieben.

Da gab es Lilienweiß und Emailleweiß, Chinesischweiß und Alabaster, die auf Teufel komm raus nicht zu verwechseln waren mit Kokos oder Eierschalenweiß. Creme, Angoraweiß, Isabelleweiß und Zeitung, wahlweise kalt, neutral oder warm gehalten, Perlmutt, Aquagrau, Aluminium, Talgweiß, Merrettichweiß —

Er geriet langsam ins Schwitzen. Vor Jimins Augen verschwammen die Farben zu einem Einheitsbrei aus Farbtöpfen, Farbfächern und diesem penetranten Weiß, Weiß, Weiß.

Ein Seufzen rollte über seine schmollenden Lippen und er stieß seine Hände im nächsten Moment von sich. „Ich geb's auf", druckste er verbittert und schüttelte den Kopf. „Für mich sehen die alle gleich aus!"

Mit einem „Gib mal her" zog Seokjin ihm die beiden Farbtafeln, die Jimin zuvor kritisch verglichen hatte, aus der Hand. Prüfend nahm er die rechteckigen Karteikarten von Renaissanceweiß und Platinblond unter die Lupe. Es dauerte keine Sekunde, bis er die beiden Farbnuancen mit einem Kopfschütteln zurück in ihre Plastikhalterungen steckte und dann ein ungläubiges Schnauben ausstieß.

„Ich fass es nicht, dass du die Dreistigkeit besitzt, diese beiden Farbtöne als denselben zu bezeichnen", empörte Seokjin sich und beäugte Jimin daraufhin mit einem Blick, in dem Jimin ein klinisches Interesse aufblitzen zu sehen meinte.

Fast erwartete er schon, dass Seokjin ihn im nächsten Moment allen Ernstes mit Farbenblindheit diagnostizieren würde. Verunsichert warf er noch einen Blick auf die beiden Farbtafeln, in der Hoffnung, die Nuancen jetzt unter der Last von Seokjins verurteilenden Blicken voneinander differenzieren zu können — vergeblich.

„Man sieht ganz klar, dass Platinblond neben der grünlichen Nuance auch noch bläuliche Pigmente beigemischt worden sind, während Renaissanceweiß nur kühle Untertöne besitzt. Und abgesehen davon ist das nicht einmal annähernd die Farbrichtung, nach der wir überhaupt suchen."

𝐒𝐈𝐗 𝐅𝐄𝐄𝐓 𝐔𝐍𝐃𝐄𝐑 | ʏᴏᴏɴᴍɪɴWhere stories live. Discover now