Kapitel 42

7.7K 330 7
                                    

Nun sass ich bei Nick im Zimmer. Draussen regnete es und der Himmel hatte sich zu einer schwarzen Suppe zusammengezogen. Nach dem Essen fühlte ich mich nicht mehr so gut wie vorher. Das mit Phoebe brachte mich zum nachdenken. Ausserdem hätte ich noch mit Ashton reden wollen, aber das ging dann auch nicht mehr.
Ich hatte mit Nick über das ganze gesprochen. Er hatte mir zugehört und mir Ratschläge gegeben, wofür ich ihm wirklich dankbar war.
Gerade sassen wir im Eingangsbereich an einer Glasscheibe auf dem Boden. Wir tranken heisse Schokolade und beobachteten die Menschen die in die Notfallstation eilten. Ich lehnte meinen Kopf an die dicke kühle Scheibe. Der dampfende Kakao hinterliess ein warmes Gefühl in meinen Bauch und ich fühlte mich wohl. Ärzte hetzten an uns vorbei, Kinder schrien oder quengelten. Doch in dem Moment war ich die ruhe in Person. Ich hatte einfach versucht meine Gedanken abzuschalten und es hatte geklappt.
"Alles okay?" Fragte Nick und riss mich somit auf den kalten Boden zurück. Ein wenig verwirrt sah ich zu ihm. "Ja alles super." Er lächelte leicht. "Nick?" "Mhhm?" Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. "Versprichst du mir dass du dich hier ohne mich nicht langweilen wirst?" Erst sah er mich verwirrt an, doch dann wechselte sein Blick auf traurig. "Du gehst bald. Stimmt's?" Ich seufzte. Genau das wollte ich nicht. "Versprichst du es mir?" Er nickte zögernd. "Ich verspreche, dass ich es versuchen werden!" Ich lächelte leicht und legte meinen Kopf wieder an die Scheibe. "Wann gehst du?" "Morgen schon." Ich wusste es schon längere Zeit, doch ich hatte es nie übers Herz gebracht ihm es zu sagen. Sein geschockter Blick verriet mir dass das nicht so schlau war. "Wann?" Ich schloss die Augen und das schlechte Gewissen überrollte mich. "Halb acht." Ich hörte ihn ausatmen. Dann spürte ich seine Hand an meinem Arm. "Ist okay. Du hast ja versprochen mich zu besuchen." Ich öffnete die Augen und er lächelte. Wir umarmten uns.
Er sah aus dem grossen Fenster gegenüber von uns und ich tat es ihm gleich. "Das Wetter spielt verrückt." Ich nickte, "ich mag den Regen." "Wirklich?" Er wendete seinen Blick ab und sah zu mir. "Es muss nicht immer die Sonne scheinen. Der Regen hat für mich etwas..beruhigendes. Die Stimmung die er mit sich bringt finde ich einfach faszinierend, sogar der Geruch. Das mag albern klingen aber..ich liebe es wie regen riecht. Und nach dem Regen kommt meistens etwas gutes." Er lächelte mich breit an. "Du bist unglaublich!" Ich lachte "was?" Ich hätte erwartet er würde mich auslachen. "Gehen wir raus?" Ich sah ihn überrascht an. "Wirklich?" Er nickte und zog mich auf die Beine. "Holen wir uns schnell eine Jacke." Ich lachte. "Komm. Ohne Jacke. Das ist viel lustiger." Nun war er es der überrascht guckte. "Sicher?" "Natürlich!" Ich packte seine Hand und zog ihn nach draussen. Es war niemand da.
Wir alberten rum wie Kleinkinder. Umso nässer wir waren umso lustiger war es. Wir waren sehr lange draussen, doch schliesslich wurde uns beiden Kalt und wir beschlossen, so schön es auch war, wieder nach drinnen zu gehen.
Wir gingen zu ihm ins Zimmer, wo ich mir erstmal die Haare föhnte. Er gab mir eine Jogginghose und ein T-Shirt. Dann assen wir seinen Knabberzeugs-Vorrat leer und sahen uns einen Film an. Anschliessend plauderten wir noch lange und ausgiebig über alles nur mögliche. Schliesslich schickte er mich in mein Zimmer. Es war schon halb zwei Uhr morgens und ich musste Morgen schliesslich früh aufstehen. Der Abschied viel uns beiden sehr schwer, doch ich würde ihn ja bald besuchen. Das hatte ich versprochen.

In meinem Zimmer packte ich erstmal alle meine wenigen Dinge zusammen die ich hatte. Ich war hellwach. Draussen regnete es immer noch. Schlafen könnte ich jetzt sowieso nicht.
Ich hatte Angst davor mich ins Bett zu legen. Die drückende Stille die mich dazu bringen würde, wieder nachzudenken.
Ich schüttelte meinen Kopf um den Gedanken los zu werden. Ohne darüber nachzudenken schlüpfte ich in meinen Cardigan und ging runter zur grossen Glasscheibe. Dort setzte ich mich auf den kalten Steinboden und beobachtete die Menschen. Es waren nicht viele. Die Ärzte hetzten auch nicht mehr wie vorher. Ich konnte den Regen hören, er beruhigte mich. Und schliesslich konnte ich alles ausschalten. Ich fühlte mich wohl und geborgen.

Ich musste eine Ewigkeit dort gesessen haben, denn plötzlich sah ich keine Menschen mehr. Ganz selten huschte ein Arzt vorbei, dann ging auch das Licht an. Sonst war es aus. Ich wunderte mich dass mich keiner der Ärzte gesucht hatte. Plötzlich ging das Licht wieder an und ich hörte schritte. Ich ignorierte sie und liess meine Augen geschlossen. Die Schritte wurden lauter und verstummten schliesslich abrupt. "Carry?" Ich öffnete meine Augen und ein paar Meter vor mir stand Drake. Ich lächelte ihn an und er setzte sich zu mir. "Was tust du hier?" "Ich habe dich gesucht." Ich nickte stumm. Er hatte eine Trainerhose und ein Shirt an. Seine Haare waren zerzaust und er hatte tiefe Augenringe. "Und was tust du hier?" "nichts." Ich zuckte mit den Schultern. "Nichts denken, nichts tun." Wir sahen uns für einen kurzen Moment schweigend an. Seine Augen funkelten und seine Gesichtszüge wirkten entspannt. "Du gehst morgen. Stimmt's?" Ich nickte und schaute auf den Boden. "Wann genau?" "Acht Uhr." Antwortete ich knapp. "Dann solltest du jetzt aber schleunigst ins Bett!" Er stand auf und ehe ich mich versah hatte er mich über seine Schulter geworfen. Ich lachte laut und er stimmte mit ein. Er liess mich keine Sekunde runter, bis wir schliesslich in seinem Zimmer waren. Dort legte er mich auf seinem Bett ab. Dann schlüpfte er zu mir unter die Decke. Ich protestierte nicht. Ich genoss es.
Ich kuschelte mich an ihn und sog seinen Duft ein. Dann spürte ich wie er seine Arme um mich legte und schlief tief und fest ein.

Als ich aufwachte war es noch stockdunkel. Vorsichtig tastete ich in der Bauchtasche meines Pullis nach meinem Handy. Es war sechs Uhr. So leise wie möglich verliess ich mein warmes Bett und ging den Gang entlang in mein Zimmer. Ich weckte Drake nicht da ich ihn ja sowieso bald wieder sehen würde. Doch im geheimen wünschte ich mir er würde aufwachen und sich verabschieden kommen.
Ich duschte erstmal eiskalt. Dann föhnte ich mir meine Haare und schminkte mich dezent. Die restlichen Sachen warf ich in meine Reisetasche. Es war gerade sieben Uhr, also hatte ich nun eine ganze Stund Zeit nichts zu tun. Toll...ich hätte länger schlafen können.
Da mir langweilig wurde ging ich in die Cafeteria um mir frühstück zu holen. Dummerweise öffnete sie erst in einer halben Stunde, ich beschloss nochmals zur Bäckerei zu gehen. Satt und schon ein wenig wacher und fiter verliess ich die kleine Bäckerei eine halbe Stunde später und schlurfte gemütlich zurück zu meinem Zimmer.
Dort wurde ich auch schon von meinem Arzt erwartet, er sprach nochmal mit mir, gab mir nochmals meine Medikamente und verabschiedete sich schliesslich von mir. Auch der coole Arzt kam extra nochmals vorbei um sich von mir zu verabschieden, was ich ziemlich süss fand. Die restlichen Minuten verbrachte ich mit Musik hören, um dann pünktlich unten in der Empfangshalle zu erscheinen. Finn war schon dort und begrüsste mich mit einer herzlichen Umarmung. Ich musste garnicht fragen warum Phoebe nicht gekommen war, ein kleiner Stich machte sich in meinem Herz breit und ich hoffte einfach dass sich das bald klären würde.
"Können wir?" Fragte Finn und im selben Moment kam ein grinsender Nick um die Ecke. Ich lächelte und lief ihm entgegen. Er umarmte mich lange, als wir uns lösten sah er traurig aus. Ich drückte ihm seine Kleider die er mir geliehen hatte in die Hand. "Sei nicht traurig. Ich komm bald wieder!" Er nickte stumm und versuchte zu Lächeln. "Ich hoffe du lässt den Prinzen in seinem Königshaus nicht zu lange warten." Er zwinkerte mir neckisch zu. Ich lachte, "die Prinzessin wird sich beeilen!" Ich machte einen Knicks, was ihm nochmals ein Kichern entlockte. Dann umarmte ich ihn nochmals, gab ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte ihn aufmunternd an. "Danke für alles was du für mich getan hast." Er lächelte schwach. "Danke für alles was du für mich getan hast!" Wiederholte er meine Worte. Wir gingen zu Finn und ich stellte die beiden einander vor. "Wir sollten dann mal." Sagte Finn vorsichtig und meine Tasche. Doch er wurde schon wieder unterbrochen. Drake rannte in die Empfangshalle und suchte den Raum hektisch mit seinen Augen ab. Dann als er mich sah schien er erleichtert zu sein und kam mit einen grossen und unwiderstehlichen Lächeln auf den Lippen auf mich zu. Seine Haare lagen kreuz und quer auf seinem Kopf, er trug seine Jogginghose und einen Kapuzenpulli. Alles in allem sah er so aus als wäre er gerade eben erst aus dem Bett gefallen. Automatisch musste ich grinsen und mein Herzschlag verschnellerte sich. "Du bist noch hier!" Keuchte er und drückte mich an sich. Ich erwiderte seine Umarmung und sog seinen Duft ein. Viel zu schnell löste er sich wider von mir. Er machte mit Finn dieses Handschlagdings, dann wandte er sich zu Nick. "Und wer bist du?" Er fragte es in einem höflichen Ton, doch gleichzeitig nahm er sich besitzergreifend meine Hand. "Nick." Sagte dieser einfach und mit einem Lächeln. Auch sie machten so einen Handschlag. Dann drehte sich Drake wider zu mir und zog mich ein kleines Stückchen weg. Er nahm auch meine zweite Hand, dann sah er mir tief in die Augen. "Ich schau das ich bald hier raus bin. Aber vorher passt du gut auf dich auf. Okay? Finn wird auch auf dich schauen und Ashton sicher auch." "Sicher. Mach dir keine sorgen." Ich drückte seine Hände und er sah mich mit einem sanften Lächeln an. Dann hatte er auch schon wieder seine grossen Arme um mich geschlungen. Wir hielten uns einen Moment schweigend im Arm. "Ich werde dich vermissen." Sein Atem kitzelte in meinem Nacken und bereiteten mir Gänsehaut. "Ich dich auch." Erwiderte ich mit erstickter Stimme und drückte ihn so fest wie ich konnte. Auch er verstärkte seinen Griff. Ich hätte ewig so dastehen können, doch mein Name wurde gerufen. Wir lösten uns langsam und Drake warf Finn einen Mörderblick zu. "Also dann..." Ich konnte mich einfach nicht von ihm weg drehen. Wir sahen uns einfach stumm in die Augen. Meine Knie fühlten sich an wie Pudding und ich traute mich garnicht erst seine Hand loszulassen, geschweige denn mich überhaupt zu bewegen. Dann ganz langsam beugte er sich zu mir hinunter. Unsere Gesichter waren wenige Zentimeter voneinander entfernt. Wir hielten denn Blick Kontakt und ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren. Ich schloss meine Augen und seine Lippen legten sich vorsichtig auf meine. Ich beugte mich ein wenig ihm entgegen um den Druck zu verstärken, dann lösten wir uns auch schon wieder. Auch wenn es nur ein kurzer und sanfter Kuss gewesen war reichte er aus ein ganzes Feuerwerk in mir auszulösen.

Mit einem fetten Grinsen im Gesicht winkte ich den beiden aus dem Auto, bis sie nur noch ganz klein waren und schliesslich vollständig verschwunden waren.

New Brother | New LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt