2. Zusatzkapitel

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~ 6 Jahre später ~

"Rot oder blau?" Verzweifelt starrte er in den bodenlangen Spiegel und hielt sich abwechselnd eine rote und eine blaue Krawatte vor die Brust. Ciaran stöhnte. "Warum hast du dir das denn nicht vorher überlegt?" "Eigentlich dachte ich, ich nehme die Rote, aber jetzt bin ich mir irgendwie nicht so ganz sicher."

Sein Schwager verdrehte gespielt genervt die Augen. "Leider bin ich nicht so ein Experte was Klamotten und passende Farben angeht. Hättest Aleah fragen müssen, aber die ist ja mit der Braut beschäftigt." Als er die pure Verzweiflung in Adriels Augen sah, seufzte er. "Dann lassen wir halt den Zufall entscheiden. Eins oder zwei?" "Zwei." "Gut, du nimmst die Blaue." Er musterte die beiden Krawatten noch einmal, dann schüttelte er den Kopf. "Ich nehme doch die Rote." Sein Schwager hob kapitulierend die Hände. "Na gut, hauptsache, du entscheidest dich endlich. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du deine eigene Hochzeit verpasst."


"Die Schuhe drücken etwas", beschwerte er sich bei Ciaran. "Warum hast du sie denn nicht eingelaufen?" "Was wenn sie dabei schmutzig geworden wären? Oder noch schlimmer, kaputtgegangen wären? Oder wenn ich einen riesigen, stinkenden Hundehaufen übersehen hätte?" "Okay, okay", meinte Ciaran lachend, "ich verstehe schon. Naja, irgendetwas ist ja immer nicht so, wie man es sich vorgestellt hat, irgendetwas geht immer schief."

"Heute Abend bin ich einfach verheiratet", stellte er fassungslos fest, während sein Schwager ihn zu seiner Hochzeit fuhr. Eigentlich hatter er selbst fahren wollen, aber inzwischen war er ganz froh, dass Ciaran das übernommen hatte. Wenn auch mit den Worten, er könne es doch nicht verantworten, andere Verkehrsteilnehmer solch einem Risiko auszusetzen. Aber er war tatsächlich recht nervös.

Als er einen Blick in den Außenspiegel des Wagens warf, traf es ihn auf einen Schlag. "Ach du scheiße!" "Was ist denn?" "Siehst du diese Haarsträhne? Die steht total vom Kopf ab." Er probierte, die vorwitzige Strähne mit seinen Fingern zu glätten, was ihm allerdings nicht gelang. "Ist doch egal. Weißt du, wie ich bei meiner Hochzeit aussah?" Er versuchte, sich daran zu erinnern. "Du sahst doch total perfekt aus. Und sehr glücklich." "Gesehen habe ich das im Spiegel aber nicht. Ich habe immer mehr Dinge gefunden, die mir nicht gefallen haben. Aber sagen wir es mal so, am Ende hat Aleah mich ja doch geheiratet. Also entspann dich enfach und genieße das Ganze, schließlich ist das einer der schönsten Tage deines Lebens, wenn nicht sogar der schönste."

Sie hatten die Hochzeit eher klein gehalten. Eingeladen waren nur Aleah und Ciaran mit ihren beiden Kindern Noemi und Jona, Adriels Eltern, zwei alte Studienfreunde von ihm und eine Arbeitskollegin von Stella, mit der sie sich ziemlich gut verstand. Früher hatte sie in einer Firma im pharmazeutischen Bereich im Vertrieb gearbeitet, da sie aber mehrere Wochen unabgemeldet gefehlt hatte, hatte die Firma ihr gekündigt. Später hatte sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin absolviert und war nun in einem Kindergarten tätig. Sie liebte ihre Arbeit und er war froh, dass sie etwas gefunden hatte, das ihr wirklich Freude bereitete. Auch Jerry hatten sie eine Einladung zur Hochzeit zukommen lassen, schließlich hatte er ihnen geholfen und insbesondere ihm das Leben gerettet, aber er hatte dankend verzichtet. Sein Misstrauen hielt ihn davon ab, mehr als nötig das Haus zu verlassen, es würde ihn wohl bis an sein Lebensende begleiten.

Sie würden in einem Schloss heiraten. Das war ihr Wunsch gewesen. Sie hatte ihm erklärt, dass dort auch ihre Eltern geheiratet hatten. Auch wenn diese Ehe nicht gerade eine glückliche gewesen war. Aber sie hatte gemeint, sie wolle zeigen, dass an diesem Ort auch Glück und Freude entstehen kann. Der Standesbeamte würde die offizielle Vermählung dann dort durchführen, später würden sie mit den Gästen noch in ein Restaurant fahren und dort feiern.


Alle warteten auf die Braut und die Trauzeugin, die diese hereinführen würde. Der Standesbeamte stand bereits hinter dem großen, alten Schreibtisch und schob einige Unterlagen auf dem Tisch hin und her. Es waren mehrere Stühle aufgestellt worden, damit die Gäste den Moment miterleben konnten, wenn die beiden verheiratet sein würden.

Schließlich öffnete sich die Tür und Aleah geleitete Stella in den Raum. Sie war wunderschön. Ihre Haare hatte sie offen gelassen, sodass sie ihr über die Schultern fielen. Das cremeweiße Kleid ging bis zum Boden und hatte lange, mit Spitze verzierte Ärmel. Aber das Schönste waren ihre Augen, die so glücklich strahlten, wie es die hellsten Sterne des Universums niemals vermögen würden.

Der Standesbeamte begann, zu sprechen, aber er nahm es nur dumpf wahr. "Ja, ich will", antwortete sie klar und deutlich, begleitet von einem liebevollen Lächeln. "Und wollen Sie, Adriel Cantrell, die hier Anwesende Stella Diana Lavey zur Frau nehmen, sie lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?"

Er betrachtete sie für einen Moment, wie sie da stand, aufrecht und so voller Liebe. Für Außenstehende hatte es vielleicht manchmal so ausgesehen, als würde sie ihn brauchen. Aber jetzt, wo er sie dort stehen sah, wurde ihm klar, dass er derjenige war, der sie brauchte. "Ja, ich will", erwiderte er. Und als sie sich küssten, da fühlte er sich so frei, glücklich und zufrieden wie nie zuvor.


844 Wörter.
Da ist es nun wirklich, das Ende. Ich finde es oft schwierig, seine eigenen Charaktere loslassen zu müssen, aber eine Geschichte ist nun mal irgendwann vorbei. Ich hoffe, ihr hattet beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Schreiben! ❤️


Soul ShardHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin