4. Kapitel: Zuhause

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Er rannte ins Schlafzimmer, wo sie neben einem zersprungenem Blumentopf stand. Ihre Augen waren vor Angst geweitet, als sie sich umdrehte und ihn voller Panik ansah. "Tot", hauchte sie leise. Sie wich langsam zurück, blickte ihm ängstlich entgegen, als sie sich mit dem Rücken zur Wand in die Zimmerecke kauerte. Vorsichtig ging er in die Hocke, legte einer plötzlichen Eigebung nach seine Arme um sie und drückte sie schützend an sich. "Alles wird gut, Stella", flüsterte er, als ein Ruck durch ihren gesamten Körper ging, als alle Dämme brachen.

Leise begann sie, zu weinen. Er hielt sie fest in seinen Armen, ihre Tränen durchnässten sein Oberteil. "Ich will nach Hause", schluchzte sie. Und in seinem Kopf machte es Klick. Wäre es in dieser Situation angebracht gwesen, dann hätte er jetzt vermutlich laut "Heureka!" gerufen, wie einst schon dieser Mathematiker in seiner Badewanne. Er besaß glücklicherweise genügend Anstand und Feingefühl, dies nicht zu tun.

 Zuhause. Das hatte ihn schon seit dem gestrigen Abend irritiert. Sie hatte erzählt, dass sie nach einer ihrer Sitzungen mit ihm zuhause gewesen war. Jedoch hatte sie ihre Wohnung noch nie als ihr Zuhause bezeichnet, was er ehrlicherweise auch verstehen konnte. Sie musste etwas anderes damit gemeint haben.

Ein wenig unbeholfen tätschelte er ihr den Rücken, schließlich versiegten ihre Tränen und sie wand sich aus der Umklammerung. Anklagend zeigte sie auf die Blumenerde, die sich überall auf dem Boden verteilt hatte. "Dieter ist jetzt tot", erklärte sie, mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton. "Er war mein einziger Freund." Sie wirkte so kindlich, fast kindisch, als sie trauernd auf die zerquetschten Blätter herabsah.

Die Szene hatte etwas Urkomisches, dass ihn fast dazu brachte, laut loszulachen. Doch er hielt sich zurück. Denn das hier war überhaupt nicht witzig.

"Wer war das?" Wie aus einem Bann gerissen wandte sie sich zu ihm um. "Wer hat all das hier so hinterlassen?" Seine Fassungslosigkeit war deutlich in seiner Stimme zu hören. Sie reagierte nicht und betrachtete das Chaos. Behutsam nahm er ihre Hand und führte sie aus der Wohnung, vorbei an zerrissenen Papieren, durcheinandergeworfenen Klamotten und kaputten Möbeln. Sie ließ sich bedingungslos von ihm mitziehen.

Draußen stiegen beide in seinen Wagen, er umklammerte das Lenkrad. Ohne noch einmal zurückzublicken, fuhren sie davon. "Wohin fahren wir?", wollte sie nach einiger Zeit wissen. "Du brauchst etwas zum Anziehen", erwiderte er. Das, was er in ihrer Wohnung gesehen hatte, war nach der Zerstörung eindeutig nicht mehr geeignet.

Sie hielten in der Stadt vor dem nächstbesten Bekleidungsgeschäft. Es war nicht viel los, vormittags an einem Werktag kamen schließlich nicht viele Kunden. Nach dem Wochenende hatte er sich bei der Arbeit erst einmal krank gemeldet. Eigentlich hatte ja auch er um diese Uhrzeit zutun. Andererseits hätte man das, was er jetzt tat, auch als psychologische Aufklärungsarbeit werten können. Normalerweise gehörte ein Shoppingausflug allerdings eher nicht dazu, aber ungewöhnliche Situationen forderten ungewöhnliche Maßnahmen.

Sie war bereits mit ein paar Teilen in der Umkleide verschwunden, er wartete davor. "Möchtest du eigentlich jemandem Bescheid sagen?", fragte er plötzlich, ohne zu wissen, ob sie ihn überhaupt gehört hatte. "Wegen dem, was mit deiner Wohnung passiert ist."

Es blieb still, dann drang doch noch eine Antwort durch den dicken Vorhang. "Nein. Bitte erzählen Sie es niemandem. Auch nicht der..." Ihre Stimme brach ab. Das Wort "Polizei" hing unausgesprochen in der Luft.

"Okay", versprach er.

Sie zog den Vorhang auf und die beiden gingen zur Kasse. Als er gerade sein Portemonnaie herausgeholt hatte, griff sie plötzlich in ihre Jackentasche und hatte mehrere Geldscheine in der Hand. Verwundert starrte er sie an. Als er das letzte Mal in die Taschen seiner Regenjacke geschaut hatte, war dort nicht so viel Geld zu finden gewesen.

"Woher hast du das Geld?", wollte er wissen, nachdem sie bezahlt hatte und die beiden auf dem Weg zum Ausgang waren. "In meiner Wohnung habe ich immer Geld", erklärte sie.

Wer auch immer ihre Wohnung so verwüstet hatte, auf Geld hatte er es offensichtlich nicht abgesehen gehabt, überlegte er. Aber worauf dann? Auf das Leben von Dieter, der Topfpflanze, wohl vermutlich auch nicht.


"Zugriff." Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen, der Bart kräuselte sich. "Sie ist nicht hier", hieß es nach etwa einer halben Minute. Das Lächeln verschwand nicht. Stattdessen begann er, leise zu summen. "Du wirst uns nicht entkommen, auch wenn du dich versteckst", flüsterte er leise in sich hinein. Laut rief er: "Durchsucht alle Räume. Und bringt mir gefälligst etwas mit, das mir nützt, ihr Idioten!"


729 Wörter. Etwas spät, weil ich Probleme mit dem Internet hatte, aber mir wurde gerade noch rechtzeitig geholfen, sodass doch noch ein Kapitel kommt. 😁

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