11. Kapitel: Elli

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Mitten in der Nacht wachte er von einem leisen, gequälten Wimmern auf. Erschrocken fuhr er hoch und knipste das Deckenlicht an. "Was ist passiert?", fragte er besorgt. Sie starrte ihn für einen kurzen Moment einfach nur an, dann entgegnete sie plötzlich: "Das geht dich gar nichts an!" Missmutig verschränkte sie die Arme vor der Brust.

Und spätestens in diesem Moment beschlich ihn ein Verdacht. "Du bist nicht Stella, oder?" Sie sah ihn misstrauisch an, schüttelte aber zögerlich den Kopf, ohne ihn aus den Augen zu lassen. "Wie heißt du?" "Elli", gab sie zurück. "Warum bist du hier, Elli?", wollte er wissen. Sie schwieg kurz. "Was hat dich das zu interessieren", blaffte sie dann auf einmal. "Lass mich einfach in Ruhe schlafen!"

Und mit diesen Worten legte sie sich wieder hin und kuschelte sich in die Decke, ihm demonstrativ den Rücken zugewandt. Er betrachtete sie nachdenklich, bis sie sich genervt umdrehte und ihn wütend ansah. "Mach das Licht aus, du Dumpfbirne, sonst kann ich nicht schlafen!" Er tat, was sie verlangte und legte sich ebenfalls hin. Dumpfbirne, dachte er und kicherte innerlich. So hatte ihn tatsächlich noch nie jemand genannt. Er setzte auf seinen gedanklichen Merkzettel das Vorhaben, seiner Schwester morgen den Laptop abzuluchsen. Er musste recherchieren.

Am nächsten Morgen ließ er sie noch eine Weile schlafen und ging erstmal alleine nach unten. Seine Schwester, sowie die Kinder, waren nirgendwo zu sehen. Als er am Küchenfenster vorbeiging, bemerkte er, dass auch das Auto fehlte. Mit einem Blick auf die Uhr vermutete er jedoch, sie war gerade dabei, die Kinder zur Schule und in den Kindergarten zu bringen.

Hungrig öffnete er ein paar Schränke und machte sich ein kleines Frühstück. Ohne Frühstück kam er nicht vernünftig durch den Tag. Zu einer guten morgendlichen Mahlzeit gehörte jedoch auch ein Becher mit Tee. Er brauchte lange, bis er schließlich doch noch ein paar Teebeutel fand. Seine Schwester war schon immer überzeugte Kaffeetrinkerin gewesen, und ihr Mann schien diese Leidenschaft zu teilen.

Als er gerade fertig war mit Essen, kam sie die Treppe herunter. Sie trug ein paar Klamotten von seiner Schwester, die ihr allerdings etwas zu groß waren. Sie bereitete sich ebenfalls etwas zu und begann, zu essen. Er setzte sich zu ihr an den Tisch. "Kennst du eigentlich eine Elli?" Sie blickte überrascht hoch und überlegte. Dann schüttelte sie den Kopf. "Aber früher nannten sie mich so." "Wer nannte dich so?" "Meine Geschwister", erwiderte sie nach kurzem Zögern. "Du hast einen Bruder und eine Schwester, oder?" Sie nickte.

"Wie heißen sie?", fragte er. Ihr widerstrebte es ein wenig, zu antworten. Aber sie tat es trotzdem. "Dara. Und Tarik." "Wie alt sind sie?" "Tarik war der Älteste, er war fünf Jahre über mir. Dara war zwei Jahre älter als ich." "Also ist Tarik jetzt achtundzwanzig und ..." "Sie sind beide seit Jahren tot", unterbrach sie ihn harsch. "Oh. Das tut mir leid." Er senkte betroffen den Blick und verfluchte sich innerlich für seine Dummheit. Sie hatte nur in der Vergangenheitsform über ihre Geschwister gesprochen.

"Es ist schon lange her", setzte sie hinzu, in einem sanfteren Tonfall. "Es ist ... okay." Er hatte jedoch das Gefühl, das es ganz und gar nicht okay war. "Mein großer Bruder ist auch gestorben", brach es dann plötzlich aus ihm heraus. "Er war drei Jahre älter als ich und Aleah. Alian wollte immer ein Auto haben. Er war so glücklich, als unsere Eltern ihm eins geschenkt haben, zu seinem zwanzigsten Geburtstag. Eine Woche danach war ein anderes Auto auf seine Fahrbahn geraten und ..." Er schluckte. "Der Wagen war kaum wiederzuerkennen." Als er ihren Gesichtsausdruck sah, hätte er sich am liebsten selbst geschlagen. "Es tut mir so leid", entschuldigte er sich bereits das zweite Mal an diesem Morgen. Sie hatte schließlich ebenfalls einen schweren Autounfall erlitten, welcher der Grund war, weshalb sie ihm überhaupt jetzt gegenüber saß. "Ist schon okay", meinte sie und lächelte vorsichtig.


Es klopfte an seiner Tür. "Ja", erwiderte er, leicht genervt. Er hatte immer noch einen Kater vom letzten Abend und warf eine Kopfschmerztablette nach der anderen ein. Einer seiner Männer trat ein. "Was willst du? Ich habe doch eindeutig verlauten lassen, dass ich nicht gestört werden will!" "Tut mir leid , Sir, aber ich denke, ich habe wichtige Informationen zu den beiden Geflohenen." Er beugte sich ein Stück vor. "Aha. Und die wären?" "Ich weiß, wo sie sich aufhalten." "Wo?" "Ich schlage einen Deal vor." "Du stellst also auch noch Forderungen? So etwas habe ich noch nie erlebt!" Der andere ging nicht darauf ein. "Ich verrate Ihnen den Standort und sie sorgen dafür, dass niemand anderes, der dort angetroffen wird, verletzt, getötet oder ebenfalls mitgenommen wird." Er überlegte. "Na gut, ausnahmsweise. Aber das lasse ich nicht noch ein zweites Mal mit mir machen, verstanden? Ich behalte dich jetzt im Auge. Du warst immer einer meiner besten Männer und wirst es hoffentlich auch bleiben." "Ja, Sir, vielen Dank." Sichtlich erleichtert verließ der Mann den Raum.


816 Wörter. Das Kapitel kommt diesmal schon heute, weil ich morgen keine Zeit habe, es hochzuladen. Und Klaerchen20, dieses Kapitel ist leider doch noch nicht das, auf das du dich schon länger freust. Aber dieses hier wird dir bestimmt auch gefallen, schließlich kommt Elli vor.

Soul ShardWhere stories live. Discover now