Kapitel 13

15 2 0
                                    

Wir blieben schließlich gehetzt und außer Atem in einer Seitengasse stehen. Wir waren noch nicht im Herzen der Stadt unterwegs, deswegen waren wir noch nicht vielen Menschen begegnet. Sonst wären wir vermutlich auch nicht so schnell vorangekommen.

Als ich wieder zu Atem gekommen war, schaute ich ihn wütend an und stemmte die Hände in die Hüften.

"Du hättest auch einfach sagen können, dass du kein Geld hast! Ich hätte bezahlen können! Zumindest einen kleinen Teil!", fuhr ich ihn an. Tatsächlich hatte ich ein paar wenige Dollar in meine Tasche gestopft. 10,40$ waren zwar nicht viel, aber besser, als den armen Taxifahrer gar nicht zu bezahlen.

Er zuckte mit den Schultern und schaute mich gleichgültig an.

"Ich habe bereits auf der Straße gelebt. Entweder du nimmst dir, was du brauchst, oder du gehst unter. Ein bisschen klauen ab und zu kann man nicht umgehen, wenn man überleben will", erklärte er mir altklug.

"Ob du es glaubst oder nicht, ich habe bereits selbst ein Jahr auf der Straße gelebt. Ich habe weder geklaut noch irgendetwas anderes unrechtes getan. Lieber habe ich zwei Tage gehungert, als Menschen etwas wegzunehmen", verteidigte ich mich und meine Ansichten.

"Da kann ich dir auch nicht helfen", sagte er schon fast verächtlich. "Dann kommen wir halt aus zwei unterschiedlichen Welten."

"Allerdings", murmelte ich, als er sich bereits wieder in Bewegung setzte.

Wir liefen eine Weile schweigend und mit einem so unfreundlichen Blick nebeneinander her, dass die Menschen auf den immer voller werdenden Straßen einen Bogen um uns machten. Es hatte also tatsächlich auch Vorteile, so brummig zu sein! Die Sonne verabschiedete sich auch schon langsam. Wie lange wollten wir noch durch diese Stadt latschen?

"Wie genau kommen wir jetzt nach Detroit?", durchbrach ich schließlich die Stille und ärgerte mich, dass schon wieder ich diejenige war, die nachgab.

"Chicago. Kenne einen Bekannten, bei dem ich noch was gut hab. Der besorgt uns einen Bus."

"Und wer ist dieser Bekannte, wenn ich fragen darf?"

"Luciano. Er ist einer von den Freaks"

"Freaks?", fragte ich und zog fragend die Augenbrauen nach oben.

Ein Nicken als Antwort.

"Wirst schon sehen", sagte er und ein Lächeln zupfte an seinem rechten Mundwinkel. Dieser Luciano musste ja wirklich besonders sein, wenn er Asmo ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.

Wir verließen die volleren Straßen und bogen ab in eine Sackgasse, aus der weißer Nebel empor stieg und die Beleuchtung nur spärlich vorhanden war.

"Gehen wir in die Winkelgasse?", fragte ich scherzend, als wir vor einer Betonwand mit einem großen Spiderman Grafiti zum Stehen kamen.

"Denk eher an eine Hobbithöhle. Mit mehr Drogen und weniger Kleidung", antwortete er ruhig. Dieser Typ war doch echt ne Nummer für sich.

"Klingt, als ob ich den Ort unbedingt sehen will. Was genau wollen wir da nochmal?", fragte ich skeptisch.

"Eine Mitfahrgelegenheit", antwortete er nur und drückte die Hand von Spiderman, die sich als bemalte Klinke entpuppte. Das musste eine von diesen krassen optischen Illusionen sein, ich hatte nicht gesehen, dass da überhaupt eine Türe gewesen wäre. Oder es war einfach Magie.

Er öffnete die Türe und schob sich vor mir hinein. Die Türe hinter mir fiel ins Schloss und nun war der kleine Raum, in dem wir standen, nur noch von einer einzigen nackten Glühbirne beleuchtet. Direkt vor Asmo war eine weitere Türe. Er hob seine Hand und klopfte dreimal fest und fünfmal leiser daran.

"Das Passwort ist Obstsalat", murmelte ich ironisch und verdrehte die Augen bei so viel Geheimniskrämerei.

"Ο καρπός της ημέρας: Αγιωργίτικο σταφύλι", sagte Asmo und ich begann tatsächlich zu kichern. Das war ja wirklich die Höhe!

"Frag nicht, Sohn des Dionysos", erwiderte Asmo und zog mich dann hinter sich her in den grellen und lauten Raum hinein.

Überall waren Menschen. Und Satyren. Und andere mythologische Geschöpfe, die ich teilweise nichtmal beim Namen nennen konnte. Generell zeigten alle sehr viel Haut und es hing ein vager Schweißgeruch, gemischt mit Alkohol, in der Luft.

"Was zum Hades ist das?", fragte ich geschockt und fühlte mich in meiner Haut ziemlich unwohl. Nicht, dass ich Parties mied, aber als Halbgott hatte man eben nicht oft die Chance dazu, unbekümmert auf eine Rave Party zu gehen. "Und warum werfen mir die so komische Blicke zu?"

"Das ist eine griechische Rave Party? Zumindest könnte man es so bezeichnen", sagte Asmo.
"Und warum die dich so komisch anschauen? Du hast mehr an, als alle anderen weiblichen Personen hier auf der Tanzfläche gemeinsam", ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, als er mich musterte. Dann nahm er meine Hand und zog mich durch das Gedränge hindurch zu einem Absperrband, das vor einer Treppe platziert war. Ein Securitymensch stand davor und schaute erst Asmo, dann mich prüfend an.

"Luciano wartet auf mich", brummte Asmo und sah die Wache herausfordernd an. Dieser schaute erst unsere ineinanderliegenden Hände, dann Asmo und dann schließlich mich an. Er zog eine Augenbraue nach oben. "Na dann viel Spaß", brummte er in gleicher Manier wie Asmo und ließ uns hoch.

Scheinbar hatte uns Asmo Zutritt zu einer Art VIP Bereich beschert. Alles war in schwarz und weiß gehalten und sah unheimlich teuer aus.

Jetzt fühlte ich mich noch unwohler als gerade noch unten auf der Tanzfläche. Mit meinen dreckigen Straßenklamotten passte ich definitiv nicht ins Bild.

"Warum hast du mir nicht gesagt, wo wir hingehen? Dann hätte ich mir was anderes anziehen können. Ich bin richtig underdressed", flüsterte ich Asmo zu und schaute mich weiter neugierig um.

"Eher overdressed", meinte Asmo und nickte zu den leichtbekleideten Kellnerinnen hin, die gerade zwei Männer bedienten. Asmo zog mich hinter sich an den Männern vorbei und blieb an der Bar stehen, wo ein Mitte Zwanzig jähriger attraktiver Mann stand. Er trugt eine enge, schwarze Jeans und ein violettes Hemd, dass er offen trug. Seine schwarzen Locken standen unordentlich von seinem Kopf ab, was ihn nur noch ansehlicher machte.

"Hey Luciano, du alter Hund", rief Asmo und der attraktive Mann machte ein paar Schritte auf uns zu. "Asmo du Bastard", begrüßte der andere Mann, offenbar Luciano, ihn. Asmo ließ meine Hand los, ging ebenfalls ein paar Schritte auf ihn zu und die beiden umarmten sich für einen kurzen Moment.

Da ich das Gefühl hatte, in ein wichtiges Wiedersehen zu platzen, setzte ich mich auf einen Hocker nicht weit von den beiden und beobachtete sie.

Im Laufe des Gesprächs konnte ich förmlich sehen, wie Asmo aufblühte. Seine Haltung wurde entspannter, seine Augen begannen zu strahlen und seine ganze Ausstrahlung war eine ganz andere. Viel offener und lebensfroher, als ich ihn kannte.

Während die zwei Männer miteinander redeten, servierte mir eine Kellnerin Wein, an dem ich zuerst vorsichtig nippte. Noch nie hatte ich Alkohol getrunken, aber hatte es schon wirklich lange mal probieren wollen. Und der Wein schmeckte. Er war so süßlich, dass er fast wie Traubensaft schmeckte. Schneller als ich schauen konnte, hatte ich das Glas geleert und hielt bereits ein neues in der Hand. Der Service hier war wirklich großartig.

Während sich ein angenehmes Gefühl in mir breit machte, begann ich mich hier wirklich wohlzufühlen. Die Stimmung hier war gar nicht so elitär, wie ich das anfangs wahrgenommen hatte.

Den Kopf auf meinen Arm gelegt beobachtete ich weiterhin Asmo und seinen Gesprächspartner, die immernoch vertieft miteinander redeten.

Dann schauten beide plötzlich zu mir und Asmo winkte sich zu sich.

Was das wohl zu bedeuten hatte?


Zwischen Olymp und HadesWhere stories live. Discover now