Kapitel 9

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Er starrte einen Moment lang einfach nur weiterhin die Decke an und ich dachte schon, er würde sein Versprechen brechen und doch ausrasten oder wieder wortkarg werden, als er zu sprechen begann.

"Ich würde es bevorzugen, darauf keine Antwort zu geben", sagte er in einem neutralen und ruhigen Tonfall, aber ich konnte dennoch hören, wie viel Anstrengung es ihn kostete, die Kontrolle nicht zu verlieren. "Sagen wir es einfach mal so: Morpheus und ich haben nicht die beste Beziehung zueinander", er lachte kalt und verächtlich.

Einen Moment lang musterte ich sein Profil. Seine gerade Nase, seinen kantigen Kiefer und seine geschwungenen Lippen. "Danke für die Antwort", sagte ich und meinte es auch wirklich so. Über manche Dinge konnte man nur schwer sprechen, das wusste ich nur zu gut. Ich richtete meinen Blick ebenfalls auf die Decke.

"Es wird aber sowieso nicht mehr vorkommen. Letzte Nacht war eine einmalige Sache", sagte er in die kurze Stille hinein und richtete sich dann auf, sodass sein Oberkörper an das Kopfteil gelehnt war.

"Wird auch schwer", grinste ich und sah aus den Augenwinkeln wie er mich ansah. "Es sei denn, du läufst Nachts durch das komplette Camp und nimmst es mit der Patrouille auf."

"Hypnos hat sowieso die besseren Kissen und das viele Gold in der Nikehütte lässt einen sowieso nicht schlafen", ich hörte das angedeutete Lächeln in seiner Stimme, ohne dass ich es sah. 

"Hypnoskinder können auch recht gut zuhören, also falls du mal ein offenes Ohr brauchst", fügte ich hinzu und hoffte, er würde meinen Wink verstehen, mit jemandem über seine Probleme zu reden. Es war gefährlich mit zu lauten Gedanken alleine zu sein. Vor allem mit zu lauten Träumen.

Er sagte nichts darauf, aber ich spürte, wie er sein Gewicht auf dem Bett verlagerte.  Ich rappelte mich auf und sah einen kurzen Moment nur Sterne. Vielleicht hätte ich doch noch nicht aus der Krankenstation gehen sollen. Ich blinzelte ein paar Mal, dann sah ich wieder klar.
"Sorry, ich wollte dir nicht den Platz wegnehmen. Du solltest dich ausruhen", sagte ich und es klang wie ein Abschied, aber aus irgendeinem Grund blieb ich stehen.

"Ich werde mich unter die Dusche setzen, da kann ich mich am besten ausruhen", gab er zurück und setzte sich unter Ächzen auf. "Kannst ja mitkommen, wenn du willst. Ich hab da auch Zeitschriften."

Ich lachte laut los. "Das ist die schlechteste Anmache, die ich seit langem gehört habe", presste ich zwischen meinen Lachern hervor. Ich wischte mir die Lachtränen aus den Augen.

Er blieb ganz ernst und schaute mich abwartend an. "Ich meine das ernst. Ich sitze öfter mal unter der Dusche und da wird mir langweilig. Weißt du, wie lange es dauert, bis die Wunden heilen? Deswegen habe ich mir Comics laminiert."

"Du bist ganz schön überzeugt von dir, wenn du denkst, ich setze mich einfach so mit dir in die Dusche. Du mein Lieber, bist nicht mal halb so toll wie du denkst."

"Ich dusche in Kleidung", sagte er augenverdrehend. "Die würde ich im Moment, bis auf mein Shirt, sowieso nicht ausbekommen."

Ich runzelte die Stirn. Das war wirklich sein Ernst! 

"Es sei denn, du willst mir dabei helfen", grinste er anzüglich und schaute mich unter seinen Lidern hindurch an. Und da war er wieder. Der großkotzige, von sich selbst überzeugte Poseidonsohn. Und leider musste ich zugeben, dass mir ein wenig Hitze in die Wangen stieg.

"Vielleicht werde ich das", sagte ich und schaute ihm dabei fest in die Augen. Ein kurzes Flackern war in seinen Augen zu sehen. War das Überraschung gewesen? Doch dann verbreiterte sich sein Grinsen. "Na dann, auf gehts"

Er erhob sich schwerfällig vom Bett und schlurfte in Richtung des Badezimmers, dass direkt an den Hütteninnenraum angrenzte. Die Verletzungen schienen ihm jetzt mehr zuzusetzen als noch vorhin, denn er konnte sich kaum gerade halten und ein paar Mal verzog er auch das Gesicht. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, um ihm zu helfen, doch ein Blick von ihm genügte, um mich auf Abstand zu halten. Er war einfach zu stolz, um sich helfen zu lassen. Dabei wäre es heute nicht einmal das erste Mal gewesen. Er war wirklich so unberechenbar wie die See. Kopfschüttelnd folgte ich ihm in das Badezimmer.

Zwischen Olymp und HadesWhere stories live. Discover now