9 - Neun Themen und ein Schlüssel

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Entrambi, su entrambe le domande

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Entrambi, su entrambe le domande. Crema al cioccolato con o senza burro? #Buttella
Metti di nuovo il libro dietro il riscaldatore la prossima volta, dovrebbe piovere. - P.

Und schon wieder ist Reana's Antwort von allen Sinnen verlassen. Was will sie mit einer Frage nach Schokolademcreme erreichen? Oder steckt da eine tiefe 'Ich suche den Sinn des Lebens'-Bedeutung drin? Bin ich bloß zu stupide, um die versteckte Botschaft zu erkennen und antworte deshalb offensichtlich? Versucht sie es nun mit dieser Frage?

Beides, in beiden Fragen. Schokoladencreme mit oder ohne Butter? #Buttella
Leg' das Buch das nächste Mal wieder hinter die Heizung, es soll regnen. - P.

Und vor allem: Wer isst Schokocreme mit Butter? Das ist einfach – dafür finde ich keine Worte.
Als ich das Val am nächsten Morgen in der Frühstückspause erzähle, bricht er in schallendes Gelächter aus.

"Ernsthaft? Mit oder ohne Butter? Was besseres ist ihr nicht eingefallen? Ich lach' mich schlapp!"

"Tja, ich nicht. Was soll ich denn darauf antworten? Ich mein', ist ja schön und gut, wenn sie das fragt, aber wie gesagt, 'ne Antwort ist so gut wie unmöglich, außer ich schreibe eben, dass ich das ohne Butter esse. Und dann? Ist doch scheiße, da steht senza burro und fertig ist oder wie? Das nenn' ich mal 'ne tolle Antwort!"
Die Ironie tropft förmlich von meiner Zunge, man müsste nur eine Schüssel unter meinen Mund halten und schon wäre es dem ersten Menschen gelungen, flüssige Ironie aufzufangen. Das würde garantiert Schlagzeilen machen. Unglaubliches gelungen: Laie stellt flüssige Ironie sicher! Wie das geschehen konnte? – Jetzt exklusiv in der Bild lesen

"Was gibt's zu lachen, Vallylein?" Ambra unterbricht Val's Lachanfall und lässt sich auf einen Stuhl uns gegenüber fallen, Reana, wie immer in letzter Zeit, im Schlepptau. Kann die eigentlich nie allein irgendwo hingehen oder muss sie wirklich permanent an meiner Schwester kleben?
Wie eine nervige Klette im Fell von Val's Katze Peluria. Warum er sie übersetzt Fussel genannt hat, hat sich mir noch nicht erschlossen. Peluria ist weder grau, noch langhaarig, sie ist eine ältere Tigerdame, die am liebsten den ganzen Tag draußen in der Sonne liegen oder fressen würde.

"Seit wann bin ich Vallylein, Ambraleinchen?", fragt Val verwundert und verniedlicht Ambra's Namen bewusst ebenfalls.
"Seit jetzt. Vallylein." Heute wirkt Ambra wieder abartig fröhlich und auch Val ist etwas motivierter als sonst, oder warum sollten sie sich diese albernen Verniedlichungen ihrer Namen ohne Proteste anhören?

Meine Schwester grinst von einem Ohr zum anderen und wirft einen Blick auf ihr Handy, woraufhin ihr Grinsen noch einhundert Watt heller wird.

"Sag' mal, sorellina, warum grinst du denn so? Du blendest."
"Ich bin immer noch älter, mein Lieber! Also nichts mit sorellina, klar?" Weicht sie mir aus oder hat sie bloß vergessen, auf meine Frage zu antworten?
"Ist ja gut, dann eben nicht, sorellina." Das letzte Wort betone ich besonders, denn meine Schwester springt auf meine Provokationen meist schnell an.
"Du bist doof."
"Du auch. Wollen wir uns wie in den Filmen die Hände aneinander schlagen – oder war es wedeln? – und so irgendwie eine Mini-Prügelei anfangen?"
"Ich wiederhole mich jetzt extra für dich nochmal. Du bist doof." Und damit ist das Gespräch beendet.

Nach einer Doppelstunde Vertretung mit der Schreckschraube treffe ich mich mit Val in der Mensa. Warum haben wir ständig Vertretung mit der? Fallen wirklich so viele Lehrer aus?
"Du, Val, ich muss nachher kurz an die Heizung, das Buch verstecken, es soll ja regnen", teile ich meinem besten Freund mit und betone den letzten Teil des Satzes sarkastisch. Laut meiner Wetterapp gibt es die ganze Woche Sonnenschein.
"Alles klar."
"Hallihallo, mein allerliebster fratello", flötet Ambra, die sich wieder auf den freien Stuhl fallen lässt. Irgendwas stimmt ganz und gar nicht mit ihr, sie ist viel zu gut gelaunt.
Ich brumme eine unverständliche Begrüßung und frage sie, wo sie ihr Schoßhündchen gelassen hat.

"Erstens: Reana ist nicht mein Schoßhündchen, wie du sie so schön nennst, sondern meine Freundin und zweitens: Vermisst du sie etwa? Keine Sorge, sie kommt gleich nach."
"Na, wenn du meinst und nein, ich vermisse sie nicht, sie kann auch gerne bleiben, wo sie gerade ist."
"Wer kann wo bleiben?", mischt sich da schon eben genannte ein.
"Ach ja, wenn man vom Teufel spricht. An dem Sprichwort muss was dran sein, denn es ging gerade um dich." Pseudofröhlich antworte ich ihr und ernte einen missmutigen Gesichtsausdruck von Ambra und einen amüsierten Blick von Val.
"Du bist aber heute gut drauf, stronzo."
"Oh, immer wieder gerne, pupetta."

Anstatt zu reagieren, setzt sich Reana neben meine Schwester und beginnt, zu essen. Wir tun es ihr gleich und hüllen den Tisch in Schweigen, das ab und zu von geräuschvollem Schlucken unterbrochen wird.
Ich nehme den letzten Bissen meines Brotes und erhebe mich.
"Ich muss euch jetzt leider verlassen, ich habe noch etwas zu erledigen. Val, wir sehen uns nachher, ja?"
Ich habe mit Val ausgemacht, dass wir uns heute im Park treffen und einfach ein bisschen rumsitzen.

Als ich an der Heizung ankomme, ist der Gang noch menschenleer. Das wird sich jedoch mit dem Läuten der Glocke ändern, weshalb ich mich auch beeilen muss.
Ich stecke das Buch hinter die, schon leicht gelbliche, Heizung und hoffe einfach, dass es nicht wieder mit dem Linoleumboden Bekanntschaft macht, wenn ich weggehe. Auch im nächsten Unterricht, Geographie, darf ich nämlich nicht zu spät kommen, heute werden die Themen für die langfristigen Vorträge verteilt, auf die es mehrere Noten gibt.

Kaum, dass ich auf meinem Platz sitze beginnt der Lehrer auch schon den Unterricht, indem er zwei kleine Boxen auf den Tisch knallt.
"Hier drin, meine Damen und Herren, befinden sich all Ihre Namen und die Vortragsthemen. Ich werde ein Thema und dazu drei Namen ziehen." Gemurmel durchzieht den Raum wie Fäden, die langsam immer dichter gespannt werden.
"Und nein, Tauchen ist nicht gestattet." Damit zerstört er die Hoffnungen des ganzen Kurses, irgendwie in passable Gruppen zu kommen.
Ohne zu zögern beginnt er mit dem ersten Thema und den Namen. Ich bin nicht dabei.

Das Prozedere zieht sich noch fünf weitere Themen, bis ich endlich meinen Namen höre.
"Na, wen haben wir denn da? Adrin Sorrentino, zusammen mit Reana Pappalardo und Lyssa Trapp, glückwunsch, ihr dürft euch mit Offshore-Windparks beschäftigen."
Unser Thema ist mir egal, die Gruppe hingegen ganz und gar nicht! Mit Reana und Lyssa? Mit der Klette und derjenigen mit der vertrauenslosen Beziehung. Das ist schlimmer als irgendeine Teenie-Romanze!

Die restlichen drei Gruppen werden gezogen, wir sollen anfangen, uns abzusprechen und an unserer Gliederung arbeiten. Reana und Lyssa setzen sich zu mir, wir fangen an.
Die Stunde zieht förmlich an mir vorbei, ich bin versunken in meinem Selbstmitleid.

Als das Läuten der Glocke mich erlöst bin ich einer der Ersten, der aus dem Klassenraum verschwindet. Reana und Lyssa sage ich, dass wir später weitersprechen.

Ich warte am Schuleingang auf Val, der wenig später neben mich tritt.
"Du, ich glaub', ich hab' mein Handy im Raum liegen lassen. Kommst du kurz mit?" Was sein Handy betrifft ist mein bester Freund einer der ganz schlimmen Sorte. Ständig lässt er es irgendwo liegen oder denkt zumindest, er hat es vergessen. Deshalb stimme ich zu und folge ihm zum Kunstraum, der glücklicherweise noch offen ist.
"Komm kurz mit rein, ich seh's schon", gibt er mir Bescheid. Ich trete ein und sehe eine Gestalt an einem der Tische stehen und suchend nach unten blicken, als die Tür hinter mir geschlossen wird. Der Schlüssel dreht sich im Schloss und ich bin eingesperrt.
Durch die Tür höre ich meine Schwester sprechen. Wo kommt die denn plötzlich her?
"So, ihr bleibt jetzt so lange da drin, bis ihr mal miteinander gesprochen habt, ohne euch halb umzubringen!"

Wer ist ihr? Ich und die Gestalt, die sich mittlerweile zu mir gedreht hat. Reana.
Das darf doch nicht wahr sein!

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