8 - Acht Versuche und ein Umweg

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Der Abend war katastrophal

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Der Abend war katastrophal. Ich durfte bis zum Schluss bleiben und mir die unsinnigen Gespräche der Anwesenden anhören. Was bringt es, jede Woche die neuesten Kochrezepte und News von der Arbeit auszutauschen?
Für meine und Reana's Eltern offensichtlich Einiges, denn sie haben wirklich beschlossen, dass diese Abendessen ab sofort wöchentlich stattfinden. Das erreicht ein neues Level von spaßig.

Mir ist auch noch eine simple Antwort eingefallen, denn ich möchte die Konversation so weit führen, dass Reana mir den Grund nennt, warum sie diese unsinnigen Sätze noch immer schreibt.

Due volte entrambi. E con te? Inoltre: mele o pere? - Zweimal beides. Und bei dir? Außerdem: Äpfel oder Birnen?

Gerade verstehe ich, warum die beste Freundin meiner Schwester so lange gebraucht hat, das Buch unter der Bank zu verstauen. Es ist viel zu wenig Platz für das, ohnehin schon sehr dünne, Büchlein. Ich muss etwas quetschen und hoffen, dass keine Seiten einreißen.
Immer wieder muss ich deshalb neu ansetzen, um es unter die Bank zu schieben, sonst wäre nur noch ein Haufen Papier übrig und kein Buch mehr.
Das sollte nicht passieren, schließlich muss sich das Buch spätestens im November in die lange Reihe der Slam-Books in der Bibliothek einfügen, zugänglich für alle folgenden Jahrgänge.
Wenn man mich fragt, ist das eine seltsame Tradition, aber irgendwer wird sich schon Gedanken darüber gemacht haben.
Und bis November muss ich außerdem die Seiten aus dem Buch entfernt haben, denn diese unsinnige Schnitzeljagd muss niemand nachverfolgen, es kommt am Ende immerhin keine Schatztruhe, aus der man sich etwas nehmen darf.

Als es nach dem achten Versuch endlich klappt, bin ich erleichtert, ich muss es weder in mühsamer Kleinstarbeit wieder zusammensetzen, noch auf meine Antworten warten.
Das fällt mir der Spruch 'Alle guten Dinge sind drei' ein. In diesem Fall aber nicht drei, sondern acht. Acht ist eine Zahl, die in keinen – oder zumindest sehr wenigen – Sprüchen vorkommt, soweit ich weiß. Irgendwie sonderbar. Über so viele Zahlen gibt es massenweise sinnlose Zitate und über mindestens genauso viele gibt es fast keine. Das hätte man auch gerechter einteilen können.

Ich erhebe mich aus dem Gras, hoffend, dass meine Jeans nicht von grünen Flecken geziert wird.
Offenbar wurde ich von dem Mann auf der Wolke erhört, meine Jeans ist fleckenfrei. Da habe ich noch einmal Glück gehabt, denn Mamma würde mich sprichwörtlich köpfen, für sie gehören Grasflecken zu den größten Übeln, die es auf Kleidung geben kann.

Als ich meinen Heimweg antrete, überlege ich mir, Reana in der Schule und bei meiner Schwester ein wenig mehr zu beachten, um eventuell auch so schon einen Grund für ihren Willen, diese Textchen zu schreiben, zu finden. Das macht niemand einfach so. Und vor allem keine Reana. Sie tut alles wohlüberlegt, egal worum es geht. Deshalb irritieren mich auch die Nachrichten, sie wirken als hätte jemand, also Reana, schnell hingekritzelt, was ihr gerade eingefallen ist.

Meinen Plan – der eigentlich kein Plan, sondern ein Vorhaben ist – will ich am nächsten Montag direkt umsetzen, indem ich ihr nach der Schule folge. Vielleicht geht sie zum alten Spielplatz, um das Buch zu holen oder sie trifft sich mit Ambra, was wesentlich wahrscheinlicher wäre.
Die Hoffnung, dass sie Ersteres tut, ist trotzdem da.
Doch anstatt rechts, zum Spielplatz, abzubiegen, wählt sie den Weg geradeaus, in Richtung meines Zuhauses. Schade. Im Gegensatz zu gestern ist das Glück wohl heute nicht auf meiner Seite.
Jetzt darf ich ihr bis zu mir folgen und sie genau beobachten. Hoffentlich sieht das keiner meiner Nachbarn, die halten mich sonst für verrückt, genauso wie Reana es bereits tut.

Missing the Book | ✔️Where stories live. Discover now