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Wieder mal konnten sie es nicht lassen. Sie versteckten meine Klamotten. Die nächsten die weg waren. Ich konnte wieder in meiner schmutzigen von Dreck beschmierten Arbeitskleidung nach Hause. Sicher würde es wieder ärger geben. Man gab mir eh die Schuld das ich gemobbt werde. Sicher. Jedes Opfer fordert es herraus. Wir haben ja auch so ein riesen Spaß dram gedemütigt zu werden. Ich habe schon drauf verzichtet zu Duschen im Betrieb, da ich einmal sogar Mum anrufen musste, sonst hätte ich nackt nach Hause laufen müssen. Ich war schon am überlegen die Tätigkeit zu schmeißen. Am liebsten wäre ich gar nicht arbeiten gegangen. Ist eh immer das gleiche. Aber ich wurde oft genug als faules Nichts bezeichnet, dass nichts zu stande bringt. Da wäre die Idee vom Arbeitslos sein wohl die dümmste Idee. Ich trottete stinkend die Straße entlang. Als ich an der Brücke ankam, verweilte ich kurz. Schaute hinunter. Wie einfach das wäre. Einfach springen. Das ist so hoch, ich würde aufprallen wie auf Stein. Wasser kann eine ziemlich harte Oberfläche aufweisen, bei einer bestimmten höhe. Es würde sicher schnell gehen. Dabei lief ich wie in Trance auf das Geländer zu. Ich stieg über dies. Hielt mich fest. Spürte nichts. Keine Angst, Verzweiflung, Trauer oder Wut. Nichts! Ich starrte einfach nur runter. Plötzlich bemerkte ich wie mich jemand beobachtete. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ein paar fanden den Weg über meine Wangen.
Der Typ stand einfach nur da. Was hatte er für ein Problem? Ich kletterte wieder rüber und lief davon. Der Kerl war gruselig. Ich drehte mich noch einmal um. Er stand dann an der Stelle wo ich war. Aber hinter dem Geländer. Schaute runter. Kurz blickte er nochmal zu mir. Ich konnte sein Gesicht nicht ganz erkennen. Er hatte eine Kapuze auf und diese legte ein Schatten auf sein Gesicht. Aber ich war mir sicher, er blickte mich an. Ich lief dann schnell nach Hause.

Dieser Typ ging mir nicht aus dem Kopf. Viele liefen und fuhren einfach an mir vorbei. Er nicht. Es war merkwürdig und irgendwie war ich ... dankbar? Ja, so ungefähr war es das richtige Wort. Der erste, der mich beachtete. Das war das merkwürdige. Normalerweise bin ich unsichtbar für die Menschen. Ich bin unauffällig. Ein Mauerblümchen. Oder wie viele sagen würden Emo. War ich aber nicht. Nur weil ich ein schrägen Pony habe, und gern schwarz trage, bin ich nicht gleich ein Emo. Ich hasste Menschen mit ihre Vorurteilen und Klischees.

Zuhause versuchte ich schnell nach oben zu kommen. Ich wollte meinen Eltern wie immer aus dem Weg gehen. Sie hätten eh nichts getan, außer mich zu kritisieren. Leider klappte es diesmal nicht so wie geplant. Meine Mutter kam um die Ecke und sah mich die Treppe hocheilen.

"Warum so eilig?" Sagte sie mit genervten Unterton. Schon meine Anwesenheit machte sie Agressiv. Ich merkte jedesmal wie sie sich wünschte mich nie geboren zu haben.

"Ich ... ich wollte Duschen."

"Hast du auch nötig. Wieder in Arbeitskleidung. Stinkend nach Köter.  Du ziehst den ganzen Geruch mit ins Haus! Denkst du auch mal an andere? Wir wohnen hier auch noch!" Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Es wäre eh falsch gewesen. Zudem musste ich aufpassen. Wenn sie Dad wieder was erzählen würde, wäre seine Hand nicht das einzige was ich diesmal spüren würde. Das letzte mal hatte ich noch Glück.

Ich antwortete auch nicht mehr. War erst etwas starr, rannte aber dann ziemlich niedergeschlagen die Treppe hoch.

"Immer das gleiche mit diesem Drecks Gör!" Hörte ich dann noch. Wieder ein Stich in die Brust. Ich hätte es ja eigentlich langsam gewohnt sein müssen, aber irgendwie hörte es nie auf wehzutun. Der Fußabtretter zu sein.

Am Abend holte ich mir ein paar Reste aus dem Kühlschrank. Durfte ja nicht groß was nehmen. Außer es war schon offen. Ein Brot mit etwas Käse und ein paar restlichen Kartoffeln waren das einzige was ich fand. Mum kochte zwar jeden Tag, aber nur für sich und Dad. Ich sollte erwarten werden. Könnte mich ja selbst verpflegen. Aber schwer, wenn man sich nicht mal im Zuhause frei bewegen darf. Ich hatte sogar schon eine Rechte bekommen, als ich ausversehen das Duschgel von Mum benutzte. Selbst Kleinigkeiten wie vergessen von Krümmeln auf der Küchenteile konnte mich in Schwierigkeiten bringen. Deswegen war ich entweder nur in meinem Zimmer oder nicht zu Hause.

Die Nacht hatte ich wieder Alpträume und wachte weinend auf. Ich setzte mich auf, als ich mich beruhigen konnte und starrte ans Bettende. Wieder war eine leere in mir, die ich nicht beschreiben konnte. Es war noch früh. Ich hätte noch zwei Stunden bis ich aufgestanden wäre, aber ich wollte einfach nur raus.

Ich setzte mich an die Brücke. Verbrachte da die Zeit, bis zum Sonnenaufgang. Er war so schön und trotzdem machte er mich traurig. Wieder wollte ich in die tiefe blicken. Mich lebendig fühlen. Die Angst ließ mich so fühlen. Ich wäre gern gesprungen. War aber zu feige. Erbärmlich. Es wäre so einfach alles zu beenden. Mich würde niemand vermissen. Kurz liefen mir Tränen über mein kaltes starren Gesichtsausdruck. Ich war leer, fühlte aber stets trauer. Mehr kannte ich nicht. Leere, Trauer und ab und zu Verzweiflung. Ich konnte nicht mal mehr wütend auf die Menschen sein. Auf das, was man mir jeden Tag antat. Ich hatte in meinen zwanzig Jahren nie ein Tag, wo ich glücklich war. Und doch hielt ich all die Jahre durch. Aber immer mehr kam die Frage auf, warum? Warum konnte ich es nicht hinter mich bringen dieses Elend zu beenden?

Until Dawn - Bis zum MorgengrauenWhere stories live. Discover now