Teil 3

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Milans Sicht
Endlich fertig mit den Hausübungen schlendere ich hinunter ins Wohnzimmer. Dad bereitet dort das Abendessen vor.
„Kann ich dir helfen?", frage ich und trete an seine Seite.
„Deck den Tisch und hole dann Nico. Er hat den ganzen Tag noch nichts gegessen."
Binnen weniger Minuten bin ich schon auf der Suche nach dem Omega. Eigentlich hatte ich ihn im Gästezimmer erwartet. Naja, grundsätzlich ist es jetzt sein Zimmer.
Doch, da es nicht dort ist, kann er nur unten im Keller sein.
Ich öffne die Tür hinunter und erkenne, dass das Licht brennt. Doch aufgrund der schmalen Wendeltreppe kann ich nicht in den Raum sehen. Daher rufe ich hinunter: „Nico, komm! Das Essen ist fertig!"
Keine Reaktion.
Ist er doch nicht hier und hat nur vergessen das Licht abzudrehen?
Am Ende der Stufen erkenne ich ihn am Boden sitzen, den Rücken mir zugewandt: „Nico, komm hoch, es..." Ich breche ab, als ich erkenne was er macht. Geschockt weiten sich meine Augen
„Hör sofort auf!", schrei ich ihn an und reiße ihm den Zirkel aus der Hand.
Völlig verschreckt dreht er sich zu mir um. Als Nico mich erkennt senkt er sofort wieder seinen Kopf und rückt einen Meter zurück. Nervös versteckt er seinen linken Arm hinter seinem Rücken. Doch ich habe diesen bereits gesehen. Er hat ihn mit der Zirkelspitze wieder blutig geritzt. Einige Tropfen Blut sind bereits am Boden vor ihm. Ich bin fassungslos und brauche einen Moment, um mich wieder zu fangen.

„Steh auf, wir versorgen deinen Arm und danach wirst du etwas essen", meine ich bestimmt.
„Geh' weg, ich bleibe hier!" widerspricht mir der Omega. Warum erhebt er seine Stimme gegen mich? Darüber bin ich eher überrascht als wütend. Wie kann er so etwas wagen?
„Steh auf!", befehle ich ihm und will nach seinem Oberarm greifen, aber er weicht mir aus.
„Lass mich in Ruhe!", schreit mich der Omega schwer atmend an. Weint er? Seine Stimme klingt ganz rau und zittrig. Wahrscheinlich hat er wieder vergessen etwas zu trinken.
„Dein Arm gehört versorgt, also sei Vernünftig", wende ich ein.
„Das kann dir doch egal sein! Hau einfach ab! Ich hasse dich! Du wirst nie mein Alpha werden!", brüllt er weiter. Warum ist er so aufgebracht? Das ist nicht seine Art. Ich hätte nie gedacht, dass er je so mit mir reden würde. Was ist nur in ihn gefahren?
Ich weiß nicht ob ich ihn für sein Verhalten Strafen sollte oder ob es besser wäre zu versuchen ihn zu beruhigen.
Mittlerweile heult er bitterlich am Boden kauernd.
Warum lehnt er mich plötzlich ab? Er sucht doch sonst immer meine Nähe, wenn es ihm schlecht geht. Diese Tatsache schockiert mich mehr, als sein Arm. Es war absehbar, dass er sich vielleicht wieder verletzten könnte, weshalb ich versucht habe alle Spitzen Gegenstände von ihm fern zu halten. An den Zirkel hätte ich auch denken sollen.

Ich atme tief durch und gehe schließlich vor Nico in die Hocke.
Wie so oft will ich ihm über den Kopf streicheln. Aber der Omega schlägt sofort meine Hand weg, als sei sie etwas Giftiges.
„Geh einfach... bitte", schluchzt er.
„Ich will dir Helfen. Atme tief durch. Wir kriegen das alles schon hin", versuche ich ihn zu beruhigen.
„Wenn du mir helfen willst, dann hau ab! Verschwinde!", schreit er mit zusammengebissenen Zähnen, bevor er wieder weint.
Ich seufze und stehe auf. Für's erste werde ich ihm seine Ruhe lassen. Auch, wenn es schwerfällt.

Nicos Sicht
Endlich ist er weg. Ich weiß nicht woher dieser plötzliche Hass kommt. Vielleicht, weil er mir nie wirklich geholfen, sondern zugesehen hat, wie ich von seinen Eltern zu Grunde gerichtet werde.
Nein!
Es waren nicht nur seine Eltern. Auch er hat mich geschlagen und mit verachtenden Blicken bestraft, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Aber nun verhält er sich scheinheilig. Das macht mich erst so richtig wütend! Am liebsten hätte ich ihm direkt ins Gesicht geschlagen! Dann weiß es wie sich so etwas anfühlt!
Sauer schlage ich meine geballte Faust gegen den Boden und versuche mich im Anschluss nur wieder auf den Schmerz zu konzentrieren. Die Anspannung löst sich aus meinem Körper wieder. Mein Blick fällt auf meinen blutigen Arm. Es beruhigt mich zu sehen, wie das Blut langsam hinab sickert.

RecuerdeWhere stories live. Discover now