24. Kapitel

285 23 3
                                    

     Mittlerweile war eine Woche ins Land gezogen. Eine Woche, in der ich nicht mit dem Boot gefahren war, hauptsächlich weil ich die Tage mit Dardan verbrachte. Einmal hatten wir einen Strandtag gemacht. Diesmal am Strand des Campingplatzes, dann hatten wir an einem sonnigeren Tag einen Ausflug mit Damirs Auto gemacht, einfach um die Insel auch bei Sonnenschein zu sehen, wobei wir wieder in Osor beim Eisessen gelandet waren und dann war es wieder etwas windig und kühler gewesen, weswegen wir die Tage am Strand und im Bungalow verbracht hatten.
     Die Sehnsucht nach dem Meer wurde aber mit jedem Tag größer und langsam konnte ich sie einfach nicht mehr unter Kontrolle halten. Es war eine Qual jeden Tag die Schiffe zu sehen, die raus aufs Meer fuhren und erst spät am Abend wieder kamen. Ich wollte das auch. Ich musste es haben. Allerdings würde Dardan dabei nicht mitkommen können. Dafür hatte ich Verständnis. Doch es kribbelte mir einfach in den Fingern. Unruhig machte bereitete ich das Frühstück vor, während mein Blick immer wieder zur Uhr glitt. Es war bereits 09:00 Uhr morgens.
    Dardan stand neben mir an die Küchenzeile gelehnt, mit einem Glas Orangensaft in der Hand, während er mir zusah. Meine Bewegungen waren zu schnell, zu hibbelig. Er bemerkte das. »Ich hab dir schon vor drei Tagen gesagt, dass du ruhig auch mal mit dem Boot rauskannst. Dafür hast du es ja.« Ja, das hatte er in der Tat. Fast jeden Tag. Er sagte es fast jeden Tag und doch brachte ich es nicht übers Herz ihn hier zu lassen. Denn ich wollte diese Erfahrung mit ihm teilen.

     Doch ich konnte nicht. Niemand wusste, was passieren würde. Er könnte umkippen und sich stoßen. Es könnte so viel passieren. Das wollte ich einfach nicht riskieren. »Ja, aber du wärst hier allein...«, hielt ich wie immer dagegen. Ein Seitenblick zeigte mir, dass Dardan wie immer mit den Augen rollte. So wie immer, wenn ich diesen Satz sagte. Das tat er immer. So langsam verstand ich es nicht mehr. Es war die Wahrheit. »Ich bin ein großer Junge. Ich kann auf mich aufpassen, Mika.«
    Langsam drehte ich mich zu ihm. »Das weiß ich doch. Es ist nur so, dass ich es blöd finde, dich den ganzen Tag hier zu lassen.« Dardan stellte den Orangensaft ab und kam zu mir. Mein Herz machte wie immer einen Satz, wenn er mir näher kam. Mein Mund wurde trocken. »Ja, dann bin ich das eben. Na und? Ich habe das Gefühl dich aufzuhalten. Seit Tagen bist du unruhig, weil du einfach mal Bootfahren möchtest. So richtig Bootfahren. Dann mach das doch auch. Ich bin der Letzte, der dir das nachtragen würde.«
     Die Intensität in seinem Blick zeigte mir, dass er es so meinte. Er meinte jedes Wort so, dass über seine Lippen kam. Das wusste ich. Gleichzeitig wusste ich aber nicht so recht, was ich mit diesen Worten anfangen sollte. Ich wusste es einfach nicht. Er hatte ja recht. Aber ich... ich wollte es doch nur mit ihm genießen... mit ihm zusammen. Vielleicht fuhr ich deswegen nicht. Weil ich wusste, dass es mir nicht nur Freude bereiten würde, sondern mich auch traurig machen würde.

     Gleichzeitig verstand ich aber, was Dardan mir sagen wollte. Ich war hibbelig. Unruhig. Unausgeglichen. Dieses Gefühl wurde mit jedem Tag schlimmer und schlimmer. Je länger ich nicht den Fahrtwind im Gesicht und den Geruch des Meeres in der Nase hatte, war ich nicht glücklich. Mir fehlte einfach etwas. Viele mochten das nicht verstehen, doch ich tat es. Ich tat es mit allem, was ich hatte. Ich verstand es wirklich. Denn da gab es nicht viel zu verstehen. Leute, die das Bootfahren liebten, würden immer das tun wollen. Diese Freiheit auf dem Meer war... unvergleichlich.
     Nur einmal auf dem Rücken eines Pferdes hatte ich eine ähnliche Freiheit empfunden. Aber nur dann. Oder wenn ich mit dem Auto auf einer leeren Straße fuhr. Aber auch nur dann. Oft kam mich dieses Gefühl leider nicht besuchen, doch ich wollte es. Ich musste es haben. Ich brauchte es einfach. Ich musste es spüren. Leider würde mir das wohl kaum gelingen. Meine Gedanken drohten sich zu überschlagen. Einmal nach dem anderen. Fast schon in ewigen Kreisen.
     Unsicher stand ich da, mein Blick auf die Uhr gerichtet. Ich wollte ja fahren aber... ich wollte Dardan nicht allein lassen. Damir hatte keine Zeit. Er hatte einfach keine Zeit. Und das bedeutete, dass Dardan die Zeit allein verbringen würde. Das machte mich traurig. Ich wollte nicht, dass er allein sein musste, gleichzeitig wollte ich diese Erfahrung auch einfach mit ihm teilen. Es war etwas, was man teilen musste...

Das Rätsel der LiebeWhere stories live. Discover now