6. Kapitel

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     Dardans Gesicht gewann an Gesichtsfarbe, als wir von der Fähre fuhren. Doch dann glitt sein Blick den Berg hoch, den wir nach oben fahren mussten. Er schluckte und sah zu mir. Krk war im Vergleich zu Cres eine sehr flache Insel, während man auf Cres sehr oft nach oben zu gehen hatte. In Cres schlängelten sich unzählige Serpentinen durch die Gegend. Die Steigung die vor uns lag, betrug ungefähr 9% und war damit schon sehr beachtlich für diese Insel. Dardan schluckte, als Damir schaltete und wir kurz darauf die Anhöhe nach oben fuhren, vorbei an warteten Autos, LKWs, Wohnwägen und Wohnmobilen.
     Meist waren die Gesichter der Leute traurig. Verständlich. Sie fuhren nach Hause. Die meisten von ihnen kamen aus Deutschland oder aus Österreich. Ein paar Italiener waren auch dabei. Leider konnte ich aber nicht mehr davon sehen. Der alte Opel von Valkan, Damirs Vater, schien sich nur den Berg hochzuquälen. Dardan sah Damir immer wieder an, doch der war die Ruhe selbst. Wie immer. Er hatte alles im Griff. Der Opel würde es nach oben schaffen. Wenn auch nur mit 60 den Berg hoch.
    »Und Dardan? Als was arbeitest du? Als Anwalt?«, fragte Damir ihn, um ihn abzulenken. Damir fragte nie nach dem Job. Es war ihm grundlegend egal. Er meinte immer, dass, wenn man nach dem Job fragte, man doch insgeheim nach dem Gehalt der Person fragte und dases eigentlich egal war. In diesem Moment hatte ich aber das Gefühl, dass er Dardan besser verstehen wollte. »Nein, ich arbeite in der Firma meines Vaters. Wir sind Immobilienhändler.« Damir sah ihn etwas überrascht an, nickte dann aber. »Und macht es dir Spaß? Immobilien zu verkaufen?« Auf diese Antwort war ich nun gespannt und hörte genau hin.

     »Na ja das Verkaufen von Dingen macht mir Spaß aber... ich weiß auch nicht. Häuser interessieren mich nicht wirklich. Ich liebe es Kunden und Kundinnen von etwas zu überzeugen aber die Häuser und Wohnungen packen mich einfach nicht. Ich habe BWL studiert. Ich weiß, was ich sagen muss und wie das alles funktioniert aber... ich glaube es gibt andere Dinge, die ich lieber verkaufen würde.« Mein Herz krampfte, als ich verstand, dass vielleicht auch Dardan ein Vogel im Käfig war, der immer versuchte seiner Familie das zu geben, was er wollte.
    Vielleicht verstand er mich ja deswegen so gut. Weil er wusste, wie das war, wenn man es nur allen recht machte. Sicher wusste sein Vater nicht davon, sonst würde er ja nicht glauben, dass mein Vater und er durch diese Ehe ein gutes Bündnis für beide Firmen haben würden... Ich schluckte. Dardan zuckte mit den Schultern. »Na ja, egal. Und was machst du so?« Damir lächelte. »Ich vermiete Boote bei der Bootsvermietung in Cres, während der Saison und sonst helfe ich in der Werkstatt über im Winter die Boote auf Vordermann zu bringen.« Dardan schien hellhörig zu werden.
    »Wie ist das? Das vermieten?«, fragte er und das ehrliche Interesse in seinen Augen fiel nicht nur mir auf. »Es ist manchmal öde, weil manche Kunden nicht auf die Boote acht geben und einfach das tun, was sie wollen... aber es gibt auch gute Kunden und Kundinnen, die sich beraten lassen und interessiert sind. Es kann schön sein, muss aber nicht. Manchmal sitzt man den ganzen Tag in der Hitze und wartet, an anderen Tagen fragt man sich wo die Zeit geblieben ist. So oder so... es ist irgendwie ein schöner Job, auch mit seinen Nachteilen.«
     Die beiden fingen an über Boote zu sprechen, wobei ich natürlich genau zu hörte. Schon seit Jahren wünschte ich mir ein neues Boot, fand aber keines. Eine Marlin war ein gutes Boot, doch die meisten kamen aus Italien und waren deswegen schwer zu finden, wenn man in den Staaten lebte. Damir hielt immer die Augen offen, aber bis jetzt hatte auch er noch keine Marlin hier gesehen oder auf dem Festland. »Ich wünsche ich könnte Bootfahren... mir wird immer leicht schlecht und schwindelig, wenn ich auf einen Steg oder ein Boot gehe...«, riss Dardan mich plötzlich aus meinen Gedanken. Überrascht sah ich ihn an. Auch Damir wirkte überrascht.

     »Gibt es in den Staaten etwa keine Tablette oder so gegen Seekrankheit?«, hakte er nach. Dardan seufzte. »Doch schon aber... ich nehme nicht so gerne Tabletten zu mir. Ich hoffe einfach, dass ich das irgendwann ohne künstliche Effekte kann.« Verständnis flackerte durch mich hindurch. Vermutlich hätte ich auch so gedacht... Tabletten waren für mich auch eher ein No-Go. Ich hasste sie. Meine Gedanken schweiften ab, während Damir und Dardan sich über etwas anderes unterhielten.
    Mein Blick lag auf den Horizont gerichtet. Die Wolken kamen näher. Bald würden die Wolken alles verdunkeln. Komischerweise freute ich mich irgendwie die Nacht wach zu bleiben, wenn Dardan das brauchte. Ich war nicht so dumm zu leugnen, dass ich ihn interessant fand und ihn ebenfalls näher kennenlernen wollte. So dumm war ich nicht... ich wusste, was das Kribbeln in mir war. Ich wusste es aber... ich wollte es nicht. Herz, wir haben gesagt, dass wir keinen Mann in unserem Leben brauchen.
     Sie bringen nur Ärger und am Ende bleibt man doch allein. Am besten mit einem Hund. Nein, fünf Hunden. Meine Schwester hatte doch auch nur Ärger... Nicht alle waren eben wie Damir und Mace. Dardan kam ihnen aber gefährlich gleich auf und das... das machte mir Angst. Mace und Damir waren die einzigen Männer in meinem Leben, zusätzlich zu meinem Vater. Um glücklich zu sein brauchte ich keinen Mann.
     Aber mein Herz schlug trotzdem schneller, wenn Dardan lächelte oder mich ansah. Oder mich berührte oder... schnell schüttelte ich den Kopf und versuchte diesen Gedanken zu entkommen, was gar nicht so leicht war. Ich konnte es nicht. Besonders nicht, als jetzt erneut seine Stimme hörte, die meinen Namen wie ein Gebet aussprach. »Ja? Was ist?«, fragte ich ihn. Er legte den Kopf schief. »Was essen wir heute Abend? Damir meinte wir fahren gleich noch an einem Supermarkt vorbei und da dachte ich, dass wir schon etwas einkaufen könnten. Was soll ich kochen?«
    Ich blinzelte. Einmal. Zweimal. Dann klappte mein Mund auf, während ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Hatte er gerade gefragt, was er kochen sollte? Er wollte für mich kochen? Wieso schlug mein Herz denn jetzt schon wieder so schnell? Oh Gott... was ist nur los mit mir? »Ich... ich esse alles außer Rosenkohl und Spargel«, stieß ich aus. Dardan grinste. »Also soll ich dich überraschen oder hast du einfach keinen Wunsch?« Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass mein Kopf gerade leer war, nur weil er mich angrinste und mir anbot für mich zu kochen, nicht wahr?

Das Rätsel der LiebeWhere stories live. Discover now