1. Kapitel

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     Aufruhr herrschte im Hause Mc'Raven. Meine Mutter wuselte nervös durch den Raum, während Phoenix vor dem Spiegel stand und immer wieder ihr samtgrünes Kleid zurechtzupfte, als ob es etwas ändern könnte. Ihre blonden, langen Haare fielen ihr in sanften Wellen über die Schultern, ihre vollen Lippen, die wir beide wohl von unserer Mutter hatten, waren rot beschmiert. Sie sah aus wie eine Prinzessin. Vater war irgendwo unten im Wohnzimmer, da er diesen Aufruhr wohl nicht so ganz verstand. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Meine Schwester würde sich heute mit einem Mann verloben, den sie kaum kannte. Warum sie es wollte wusste ich nicht.
     Nicht, dass meine Meinung wichtig war. Das war sie nicht. Sie war mehr als unwichtig. Besonders da ich das schwarze Schaf der Familie war. Im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Haare waren von Natur aus schwarz, während der Rest der Familie blonde Haare hatte, die die eines Engels glichen. Meine Urgroßmutter musste mir ihre Gene vererbt haben. Nicht, dass mich meine Haare störten, doch sie waren nur ein weiterer Indiz dafür, dass ich nicht dazugehörte. Denn das tat ich nicht. Schon immer hatte im Schatten meiner Schwester gestanden. So wie jetzt auch. Ich war die Ältere, doch meine Eltern wollten sie an jemanden vermitteln. Nicht, dass ich darauf eifersüchtig war.
     Heirat kam mir noch gar nicht in den Sinn. Nicht jetzt, wo es langsam so gut in der Agentur lief. Ich war erst 21. Für Heirat blieb später noch genug Zeit. Jedenfalls in meinen Augen. Meine Schwester hingegen wollte diese Heirat so sehr. Sie... sie brannte dafür. Dabei kannte sie diesen jungen Mann kam. Unsere Eltern wollte diese Hochzeit, da die Yemeri Familie sehr reich und wohlhabend war und sich die Firma meiner Mutter und die Firma seines Vaters verbünden würden. Innerlich rollte ich mit den Augen. Phoenix sah durch den Spiegel zu mir und verzog ihre roten Lippen zu einem Strich. Missbilligung loderte in ihren grünen Augen auf.

     Wie immer scherte ich mich nicht darum, wer kam. Kleider waren nicht mein Stil. Highheels gehörten auch nicht zu den Dingen die ich unbedingt tragen wollte. Eher im Gegenteil. Ich liebte Hosen. Hosen waren praktisch und es gab sie in allen Formen und Farben. Momentan trug ich eine blaue Jeans mit Löchern, die mit Netzen verziert waren. Dazu einen weißen, alten Hoodie, den ich von meinem Vater hatte. Meine schwarzen Haare fielen gerade herunter und sammelten sich unterhalb meiner Brüste. Schon seit gestern hatte Mum mir gesagt zumindest ein Hemd zu tragen, wenn ich schon kein Kleid wollte, doch darin sah ich keinen Sinn. Ihrer Meinung nach musste man sich ständig herausputzen. Für mich war das Verstellen. Sie mochte von Haus aus gerne teure und schicke Kleidung tragen, doch das war einfach nicht ich.
     Die schlichte Kleidung gefiel mir fiel mehr. Keiner in meiner Familie mochte diese Art. Niemand mochte, dass ich mich nicht verbiegen ließ. Niemand mochte, dass ich meinen eigenen Kopf hatte. Man konnte es auf mein Sternzeichen schieben, doch ich wusste das es nicht nur daran lag. Stier zu sein mochte Sturheit mit sich bringen, doch es lag in meiner Natur sich nicht zu verstellen. Denn Verstellung hatte mir bis jetzt nicht viel geholfen. Eher im Gegenteil. »Wie wäre es, wenn du endlich aufstehst und dich umziehst?«, meinte meine Schwester und sah mich von oben herab an. Ich zuckte mit den Schultern. »Wieso. Dieser Kerl wird ja nicht wegen mir hier vorbeischauen. Was macht es also aus?«
     In dem Moment kam meine Mutter wieder ins Zimmer und sah mich an als würden mir zwei Hörner wachsen, dabei war ich sicher, dass ihr diese gerade wuchsen. »Mika! Was sollen die Yemeris denn denken, wenn du so herumlümmelst und so aussiehst als kämst du aus der Gosse! Zieh wenigstens ein Hemd an und eine ordentliche Hose. Wenn es geht eine Hose, die du nicht kaputt gemacht hast.« Ein Augenrollen war meine Antwort, als sie mir das Hemd in die Hand drückte und meine Jeans betrachtete. »Die Löcher gehören da hin«, murrte ich, doch das überhörte sie, da sie wieder bei ihrer Lieblingstochter stand und ihre Haare in viele Richtung schob, auf der Suche nach der „besten" Frisur. Niemand schien zu bemerken, dass Phoenix das alles nicht brauchte. Sie war schön ohne all das. Ohne Make-Up, ohne Lippenstift, ohne Kleid, ohne viel Hilfe bei ihren Haaren.

Das Rätsel der LiebeWhere stories live. Discover now