10. Kapitel

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     Was zum Teufel, war das erste, was mir durch den Kopf schoss, als ich Dardans Zimmer betrat, während meine Augen sich erst an brozefarbener Haut festsaugten. An einer Menge bronzefarbener Haut, ehe sie weiter nach unten wanderten und einen nackten Hintern in Augenschein nahmen. Erschrocken keuchte ich auf, ehe ich mich umdrehte. »Es tut mir leid! Ich hab' nichts gesehen!«, rief ich. Lügnerin. Und ob du was gesehen hast. Seinen prächtigen Hintern und seine muskulösen Beine... Zum Glück habe ich nicht seinen kleinen Freund gesehen... Ein raues Lachen erklang hinter mir.
     »Ich hätte die Tür zumachen können«, sagte Dardan. Ja, das hättest du machen sollen, du Idiot! Dieses Wort verkniff ich mir aber, sondern stand stocksteif da. Kleidung raschelte. Hoffnungsvoll wartete ich darauf, dass er sich endlich anzog. Als ob du möchtest, dass er sich anzieht. Doch, das möchte ich... er sollte sich anziehen. Sofort. Meine Gedanken drohten sich zu überschlagen und ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, dass er die Tür offengelassen hatte.
     War es Absicht gewesen? Oder hatte er einfach nur vergessen, dass er nicht mehr allein war? Ich wusste es nicht. »Ich bin fertig. Du kannst dich umdrehen«, hörte ich ihn nach einer gefühlten Ewigkeit sagen. Langsam, sehr langsam, drehte ich mich und erstarrte. Er war überhaupt nicht fertig! Das Einzige, was er am Körper trug wie eine schwarze Boxershorts, die so eng war, dass ich die Umrisse seines Geschlechts erkennen konnte. Schockiert sah ich nach oben, direkt in seine Augen.
     »Wo ist der Rest?«, fragte ich ihn, darauf bedacht nicht mehr nach unten zu blicken. Dardan runzelte die Stirn. »Eigentlich schlafe ich gerne nackt... besonders im Sommer. Das ist das Maximum an Kleidung, dass ich bei der Hitze tragen werde. Außer es stört dich. Aber da du eh gleich wieder gehst, dachte ich, dass das nicht schlimm ist... Ich lege mich ja eh unter die Decke«, erklärte er und zuckte mit den Schultern. Mit trockenem Mund starrte ich ihn an und fragte mich, wieso ich so ausrastete. Es war ja nicht so, als hätte ich noch nie eine nackte Männerbrust gesehen.

     Damirs nackten Oberkörper hatte ich auch oft genug gesehen und am Strand liefen ja auch halbnackte Menschen herum. Vielleicht brachte mich Dardans Oberkörper etwas aus dem Konzept. Ein dunkler Flaum an Haaren verlief von seiner Brust, über seinen Waschbrettbauch bis hin zu der Boxer, in der der Flaum Haare verschwand. Seine Körperbehaarung war mehr als anziehend. Meine Mutter hätte jetzt geseufzt und ihm gesagt, dass er einen Rasierer benutzen sollte, doch ich fand Männer mit Körperbehaarung sexy. Dad musste sich wegen Mum sogar an den Beinen rasieren... Wie diese Models. Unwillkürlich leckte ich mir über die Lippen.
     »Wenn es dich wirklich stört, dann kann ich auch ein Shirt überziehen oder-«, setzte Dardan an und griff bereits zu seiner Tasche, doch ich schüttelte den Kopf. »Nein... du hast ja Recht. Du deckst dich ja eh zu und es ist verdammt heiß hier drin und es steht mir auch nicht zu dir zu sagen, was du tragen sollst und was nicht. Ich war nur... überrascht. Das ist alles«, erklärte ich. Dardans rechter Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Grinsen. »Na dann.« Bedeutete dieses Grinsen, dass er mich durchschaut hatte? Bitte nicht. Langsam ließ er sich auf das Bett gleiten und zog die Decke über sich, während draußen der Wind noch tobte. In den letzten Minuten hatte ich es kaum mitbekommen.
     Er anscheinend auch nicht. Erst als wieder ein Heulen durch das Haus ging, zuckte er zusammen und sah nach draußen. Dardans Blick glitt zu mir. »Könntest du mir aus dem Buch vorlesen, dass du gerade liest? Denn Stille ertrage ich wohl nicht.« Mein Herz setzte bei dem stummen Flehen in seinen Augen aus, nur um sich dann in meiner Brust zu verkrampfen, als ich mich fragte wie oft er die Stille habe ertragen müssen. Wie oft war er in seinem Zimmer gesessen und hatte eine Panikattacke ausgestanden, ganz allein? Wie oft? Ich wusste es nicht. Aber aus dem Buch wollte ich ihm nicht vorlesen...
     »Das Buch ist... also... ähm...«, murmelte ich und suchte nach einer passenden Ausrede dafür. Dardan grinste. »Ich weiß, um was es geht. Meine Mum hat es gelesen. Mir ist egal was du mir vorliest. Du kannst auch ein anderes deiner Bücher nehmen, aber ich vermute, dass du die noch nicht gelesen hast. Lies einfach nur irgendwas, damit es nicht still ist.« Mein Herz schlug wie wild. Er wusste, was ich las. Er wusste was ich las und doch war da kein Spott in seiner Stimme oder in seinen Augen. Stattdessen lag ein Lächeln auf seinen Lippen. »Bist du sicher? Ich meine... ist dir das nicht unangenehm, wenn ich dir daraus vorlese?«

Das Rätsel der LiebeWhere stories live. Discover now