Einundzwanzig

64 9 3
                                    

"Wie viele Leute hat Reed eigentlich eingeladen?", raunte Eileen Billie zu.
Sein Garten war mit unzähligen Laternen und Lichterketten geschmückt.
Es waren mehrere Tische mit Snacks und Getränken aufgestellt, sowie einer, wo sich bereits unzählige Päckchen in Geschenkspapier stapelten.
Mehrere Dutzend Leute tummelten sich auf dem Rasen. Ihre Stimmen übertönten beinahe die Musik, die aus einer tragbaren Stereoanlage drang.
Billie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Plastikbecher, der im Gegensatz zu dem anderen nicht nach Alkohol roch.
Sie trug ein weißes, knielanges Spitzenkleid und eine einfache Jeansjacke darüber.
Ihre hellen Haare trug sie zu Eileens Erstaunen offen und zu Locken gedreht. Sie hatte sogar Make-up aufgelegt.
Nicht, dass sie es Billie nicht zugetraut hätte, aber sie war nicht davon ausgangen, dass ihre Freundin so viel davon verstand.
Sie sah geradezu filmreif aus.
Wollte sie es doch mit dem Oscar-Kuss versuchen?
Allerdings wirkte Billie reichlich genervt.
"Bis auf Cians Clique der Wohlhabenden kann Reed mit jedem an der Schule ziemlich gut. Er schmeißt jedes Jahr so große Partys."
Eileen warf einen Blick auf das große Haus und den privaten See.
"Müsste Reed nicht eigentlich zu denen gehören?"
Billie drehte ihren Becher nachdenklich in der Hand.
"Er ist halt kein arrogantes Arschloch."
Eileen selbst hatte sich für eine lockere, löchrige Jeans und ein einfaches T-Shirt mit einer grünen Hoodiejacke entschieden.
Wenn sie sich allerdings Billie und die anderen Mädchen in den Sommerkleidern und Blusentops ansah, die dank der milden Temperaturen noch möglich waren, ansah, kam sie sich etwas underdressed vor.
Reed löste sich lachend von einer Gruppe und kam zu den beiden.
"Na, Leute. Wie gefällt euch die Party?"
Er legte um sie beide je einen Arm und drückte sie kurz an sich.
"Endlich frei! Achtzehn ist eine wunderbare Zahl, nicht? Lee, wann hast du eigentlich Geburtstag?"
"Erst in drei Monaten. Die Party ist klasse. Ich find's super, dass wir im Freien sind."
"Ja, zum Glück sind meine Eltern nie da."
"Haben sie dich wenigstens angerufen?", fragte Billie besorgt.
Reeds Blick wurde weich und bedauernd. 
"Ja, haben sie."
Die beiden sahen einander an, ohne noch etwas zu sagen.
Eileen sah die Chance, dass Billie ihm endlich sagen konnte, was sie sagen wollte.
"Ich hol mir noch was zu trinken."
Sie entfernte sich möglichst unauffällig und ging zum Getränketisch.
Dort kämpfte sie mit dem Verschluss einer Limoflasche, die einfach nicht aufgehen wollte.
"Brauchst du Hilfe?"
Sie drehte sich zu der neuen Stimme um. Cian stand vor ihr und lächelte sie an.
Sie erwiderte sein Lächeln glücklich.
"Nein, danke, geht schon."
Beim nächsten Dreh gab der Verschluss endlich zischend nach und sie füllte zwei Becher auf.
Einen davon hielt sie Cian hin.
"Es ist schön, dich zu sehen. Ich wusste nicht, dass du auch eingeladen bist."
"Bin ich nicht, aber es gibt etwas, das ich dir erzählen muss."
"Geht es um die Familien?"
So sehr Eileen mehr darüber wissen wollte, war sie doch ein wenig enttäuscht, als er nickte. 
Die Party gefiel ihr wirklich, sie war bei ihren Freunden und nun war auch Cian bei ihr. 
Es könnte ein schöner Abend werden, den sie nicht mit einem Familiendrama verderben wollte, aber er schien besorgt, weshalb damit nicht bis morgen warten wollte.
"Gehen wir wo hin, wo es ruhiger ist."
Cian warf einen Blick auf die Sonne, die bereits beinahe gänzlich hinter den Bäumen verschwunden war.
Eileen griff nach seiner Hand und führte ihn auf den Steg.
Sie hoffte, dass er sich wohler fühlte, wenn ihn etwas an seinen See erinnerte.
"Also, was hast du herausgefunden?"
Schweiß glänzte auf seiner Stirn und er sah etwas blass aus.
Wurde er etwa krank?
"Ich war bei Heather."
"Bei der alten Heather?"
"Ja, und sie hat alle Teile zusammengesetzt. Deine Großmutter, ihre Schwester, mein Großvater, Heather und ein anderer Junge namens John waren befreundet. Fiona und mein Großvater standen sich besonders nah, waren geradezu unzertrennlich. Darum dachten damals auch alle, dass er der Vater des Babys war, als Fiona überraschend schwanger wurde. Aber sie waren nur Freunde. John war der Vater des Kindes, allerdings nicht gerade begeistert darüber. Fiona hat nur meinem Großvater davon erzählt. Als klar war, dass John das Kind nicht wollte, hat er versucht, Fiona zu erpressen. Heather stand ihr ebenfalls nahe und dachte, mein Großvater wäre für all das verantwortlich. John hat das Ganze ziemlich unterstützt, schließlich war mein Großvater perfekte Sündenbock. Die beiden haben sich gestritten und haben angefangen, sich zu prügeln. Oben, bei den Klippen. Sie sind beide... dabei abgestürzt. Fiona hat die ganze Geschichte hier festgehalten."
Er zog ein kleines, ledernes Notizbuch aus seiner Jacke.
"Danach ist sie abgehauen. Niemand weiß wohin oder hat je wieder von ihr gehört. Heather hat meinem Großvater die Schuld an allem gegeben und wollte von deiner Großmutter, Felicity, immer wissen, wo Fiona ist. Aber Fiona schrieb, dass sie es auch ihrer Schwester nicht erzählt hat."
Eileen trank einen schnellen Schluck von ihrem Getränk. Ihre Gedanken drehten sich.
"Woher... aber wenn Heather ihr Leben lang deinem Großvater Schuld daran gegeben hat, aber er damals mit John starb... woher weiß sie dann, wie es wirklich war?"
"Steht alles in Fionas Notizen."
Er reichte Eileen das Notizbuch, damit sie es sich ansehen konnte.
"Und wo hast du die her? Heather wusste ja anscheinend nichts davon."
"Sie waren im Schreibtisch meines Großvaters versteckt. Sie hat wohl darauf vertraut, dass unsere Familie sie findet."
Eileen blätterte das ganze Büchlein durch. Die Seiten waren vergilbt, die Tinte blass. Es war eindeutig alt. 
Cian sagte die Wahrheit. 
"Eileen, da ist noch etwas-"
"Was hast du hier verloren?"
Reed schob sich durch die Menge und betrat den Steg. Er wirkte alles andere als begeistert, dass Cian sich auf seine Party geschlichen hatte. 
Billie folgte ihm und Reed, Cian und Eileen hin und her.
"Mcgrath.", stieß Cian überrascht aus.
"Was?", knurrte Reed.
"Dein Nachname, oder? Daher kam er mir bekannt vor. John Mcgrath war dein Großvater."
"Ja, und?"
"Dein... nichts, vergiss es. Hör zu, tut mir leid, ich wollte nicht stören. Ich musste nur dringend mit Eileen sprechen."
"Mein was?", fragte Reed aufgebracht und machte noch ein paar Schritte auf ihn zu. 
Cian war einen halben Kopf größer und deutlich muskulöser als der schlaksige Reed, weshalb das wenig einschüchternd wirkte, aber Eileen machte sich dennoch Sorgen.
Sie hatte Reed noch nie so wütend gesehen. Oder überhaupt wütend. 
"Dein Großvater... er hatte... mit meinem Großvater zu tun. Und Eileens Familie."
"Und was ist so schlimm daran? War er auch so ein Vollidiot wie du?"
"Reed!"
Eileen sah ihren Freund entsetzt an.
"Nein, aber deiner. Er hat Fiona Lear geschwängert und sie dann erpresst!", erwiderte Cian wütend. 
Reed machte einen Schritt nach vorne und schubste ihn nach hinten.
Cian verlor überrascht das Gleichgewicht und stolperte gegen Eileen.
Sie stand am Rand des Stegs und konnte sich nicht mehr halten. 
Sie fiel rücklings in den See.

Der Froschkönig (Märchenadaption)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant