Kapitel 12

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AMALIA

Es waren einige Tage vergangen, seitdem Carla sich so seltsam verhalten hatte und dieses Benehmen zog sich leider fort. Sie kam den Zwillingen nicht näher als einen Meter und wollte sie nicht einmal richtig ansehen, was Bruno und mich wirklich sehr verwirrte. Klar, sie war vielleicht eifersüchtig auf die Zwillinge, weil sie im Moment mehr Aufmerksamkeit bekamen, aber das erklärte trotzdem nicht, wieso Carla sie nicht einmal ansehen wollte! Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht! Und dann kam noch dazu, dass sie in letzter Zeit ständig jemanden provozierte oder kleine Verletzungen vortäuschte, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Was sollte das alles? Wieso machte sie so einen Aufstand? Was war nur los mit ihr? Sie hatte die letzten Nächte auch nicht mehr bei uns geschlafen, sondern uns vielmehr versucht zu sich zu bekommen. Bruno und ich hatten uns damit abgewechselt, aber trotzdem waren wir von Carlas Verhalten doch sehr verwirrt. So eigenartig hatte sie sich wirklich noch nie benommen! Und vor allem, dass sie mit Absicht ihre Familie provozierte, war neu. Sie hatte schon einige Streits verursacht, die auch wirklich heftig gewesen waren und obwohl sie sich jedes Mal weinend dafür entschuldigt hatte, fand ich ihr Verhalten doch sehr merkwürdig. Bisher hatten sich zwar alle Streits sehr gut regeln lassen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Lage eskalierte. Als die Zwillinge also an diesem Mittag zufrieden waren, überließen Bruno und ich Julieta und Augustín die Babys, um mit Carla reden zu können. Sie saß hinter dem Haus im Schatten und starrte trübselig auf den Boden.
"Carla? Können wir mal mit dir reden?", bat ich vorsichtig, worauf sie aufsah. Sie hatte geweint, das konnte ich sehen, aber sie wollte es sich nicht anmerken lassen und nickte. Also setzten wir uns zu ihr.
"Hör zu, mi hija, es gibt da eine Sache, über die wir dringend mit dir reden müssen. Es geht um dein Verhalten in letzter Zeit, denn das ist wirklich... außergewöhnlich seltsam gewesen. So hast du dich noch nie benommen und wir wollen wissen, was los ist", fragte Bruno besorgt nach, während wir Carla in den Arm nahmen. Sie zuckte die Schultern, kauerte sich zusammen und sah nur weiter auf den Boden. "Carlita, bitte rede mit uns! Wir machen uns wirklich Sorgen um dich! Wieso verursachst du in letzter Zeit so viele Streits? Das ist sonst überhaupt nicht deine Art!" Sie seufzte leise und sah uns beide unsicher an.
"Ich weiß es nicht und es tut mir auch unendlich leid, das müsst ihr mir glauben! Ich will das alles nicht sagen, aber ich kann irgendwie nichts dagegen tun!", antwortete sie uns schließlich niedergeschlagen. Sie konnte nichts dagegen tun? Was meinte sie damit? Ich sah Bruno verwirrt an, er wirkte ebenso perplex, also sahen wir unsere Tochter besorgt an.
"Was meinst du damit, amor? Was heißt das, du kannst nichts dagegen tun?", fragte ich besorgt nach, sie zuckte die Schultern und biss sich auf die Lippe, als würde sie sich überlegen müssen, ob sie uns das wirklich sagen konnte. "Carla, bitte, das macht uns wirklich Sorgen!"
"Ich weiß, aber ich kann es euch nicht erklären. Ich kann einfach nichts gegen meine... blöden Kommentare tun. Sobald ich etwas höre, muss ich es sofort sagen! Ich weiß auch nicht, warum das passiert!", antwortete sie ahnungslos.
"Carla, das ist wirklich besorgniserregend. Das und die Tatsache, dass du den Zwillingen nicht mehr näher als einen Meter kommst, macht mir wirklich Angst", wandte Bruno ein und drückte sie an sich, bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn gab.
"Ich weiß, tut mir leid, aber ich kann irgendwie nicht anders", antwortete sie nur knapp.
"Wieso denn? Was hält dich davon ab? Wieso bist du so anders, seitdem die Zwillinge auf der Welt sind? Wir haben uns doch nicht zu wenig um dich gekümmert, oder?", fragte ich besorgt nach, aber sie schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich will euch wieder für mich haben, zu zweit, ohne Estrella und Luna, aber dafür habt ihr ja keine Zeit mehr. Ich verstehe das aber, ihr müsst euch ja um die Babys kümmern. Die sind eben noch hilflos und brauchen euch mehr als ich. Und sie sind ja auch wesentlich süßer", erwiderte sie, worauf ich seufzte. Sie fühlte sich doch zurückgesetzt. Das hatten wir doch nicht gewollt! Und trotzdem hatten wir versagt! Ich drückte meine Tochter an mich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Carla, so etwas darfst du nicht sagen! Wir lieben dich über alles, du bist unsere Tochter! Und wir lieben dich und die Zwillinge genau gleich viel! Ja, die zwei sind noch hilflos und brauchen uns, aber ich hab dir doch auch schon gesagt, dass wir dich deswegen nicht vernachlässigen werden! Du brauchst unsere Hilfe auch und das wissen wir! Also sag so etwas nicht, hörst du, mi vida?", beruhigte ich sie, sie nickte.
"Ja, ist gut", stimmte sie zu und nickte. "Können wir dann reingehen? Mir ist heiß und ich brauche dringend etwas zu trinken!"
"Natürlich", stimmte Bruno ihr schnell zu und zog sie auf die Füße, damit wir reingehen konnten. Alle waren drinnen in der Küche und versuchten den Streit zwischen Mirabel und Camilo zu schlichten, den Carla ebenfalls verursacht hatte. Sie hatte Mirabel erzählt, dass Camilo es hasste, für sie Modell zu stehen, wenn sie versuchte etwas zu nähen und dass ihre Sachen sowieso nicht schön seien. Seitdem stritten die beiden sich und schrien sich an, während alle anderen verzweifelt versuchten, den Streit zu schlichten. Als Carla den Streit sah, schluckte sie und ich konnte sehen, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten.
"Ich wollte das nicht, es tut mir leid", schluchzte sie, bevor sie nach oben in ihr Zimmer rannte. Ich seufzte und sah Bruno an. Was sollten wir nur tun? Das war doch alles nicht mehr normal! Es war beinahe so, als würde eine fremde Macht unsere Tochter kontrollieren! Sie würde das nie freiwillig tun, das wusste ich genau! Alma kam in die Küche, um beim Schlichten des Streites zu helfen, wobei es allerdings nur noch lauter im Raum wurde, bis es nicht mehr als wildes Geschrei war. Ich hörte ein leises Knacken und sah mich um. Ich erschrak, als ich sah, dass die Wand der Küche einen tiefen, langen Riss aufwies. Wo kam der denn her?
"Hört sofort auf zu streiten! Casita bekommt Risse!", unterbrach ich den Streit aufgeregt und zeigte auf den Riss in der Wand, worauf alle sich zu mir umdrehten. Alma erschrak, als sie den Riss sah und ging darauf zu, um ihn zu berühren.
"Was geschieht hier?", fragte sie leise, sodass man es kaum hören konnte.
"Abuela, geht Casita kaputt?", fragte Mirabel besorgt nach, aber Alma schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, das tut sie nicht. Sie reagiert bestimmt nur auf die schlechte Stimmung hier. Wenn ihr aufhört euch zu streiten, wird es bestimmt wieder besser und der Riss geht zu", antwortete Alma schnell, aber ich bemerkte ihre Sorgen. Ich machte mir auch Sorgen um die Magie und Casita. Was passierte hier? War das Carlas Schuld? War sie dafür verantwortlich, dass hier Risse entstanden? Oder waren es die Streits, die sie verursachte? War sie wirklich für die Risse verantwortlich? Nein, das konnte nicht sein! Carla würde das nie tun oder auch nur wollen! Aber wieso passierte das alles dann?

Ich brauche dich, Bruno 3 - Schwindende MagieWhere stories live. Discover now