Kapitel 9

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CARLA

Nachdem mein Kakao leer war, raffte ich mich auf und ging unten nach Mirabel und Camilo suchen, damit ich das Spielen hinter mich bringen konnte. Sie waren in der Küche und spielten mit den Zwillingen, worauf ich die Augen verdrehte. Selbst die Kleinen mochten die Babys lieber und rannten sofort zu ihnen, sobald ich nicht konnte!
Sie sind wirklich schrecklich, nicht wahr? Du solltest etwas gegen diese Babys tun!
Da war diese Stimme wieder! Ich drehte mich verwirrt um und sah mich um, aber es war keiner außer meiner Familie hier. Woher kam diese Stimme? Was war hier nur los?
Sie sind hilflos, du hast deine Mutter doch gehört. Es wäre wirklich einfach, sie loszuwerden.
Nein, was sagte diese Stimme da?! Ich würde meine Schwestern niemals loswerden, das war nicht fair! Egal, wie viel Aufmerksamkeit sie mir stahlen, aber deswegen konnte ich sie ja nicht einfach verschwinden lassen.
Da hast du recht, Carlita. Du bist ein gutes Kind.
Wer war das denn jetzt? Es war eine völlig unbekannte Stimme, ich hatte sie vorher noch nie gehört! Was sollte das? Wieso dachte ich solche Sachen und woher kamen diese Stimmen überhaupt? Diese Stimme war tief, so ähnlich wie Papás und sie klang auch sehr nett. Beruhigend. So wie Papá eben. Konnte es sein, dass ich Abuelo Pedros Stimme hörte? Nein, das konnte nicht sein! Er war schließlich tot! Wie war es denn möglich, dass ich seine Stimme hörte?
Das tust du aber, Carlita. Ich will dir nur helfen!
Jetzt war ich wohl endgültig verrückt geworden! Ich schüttelte schnell den Kopf und wehrte den Gedanken an diese seltsamen Stimmen ab, bevor ich zu den anderen ins Esszimmer ging.
"Mirabel, Camilo, wollen wir jetzt spielen?", fragte ich, worauf die beiden sich zu mir umdrehten.
"Ja, wir kommen!", antwortete Camilo, während Mirabel einem der Zwillinge einen Kuss auf die Stirn gab.
"Bis später, du Süße!" Die zwei kamen zu mir, also ging ich mit ihnen nach draußen.
"Also? Wo wollt ihr spielen?", fragte ich sie und blieb auf dem Rasen draußen stehen. Die Sonne schien heiß vom Himmel und ich begann sofort zu schwitzen, aber meinen Cousins schien diese Hitze nichts auszumachen. Vielleicht sollte ich mich zuerst verstecken und mich in den Schatten zurückziehen.
"Hier draußen und im Wald!", antwortete Mirabel aufgeregt. "Da sind die besten Verstecke!"
"Na gut. Camilo, zählst du?", willigte ich ein, mein Cousin nickte.
"Ok. Ich zähle bis zwanzig!", stimmte er zu.
"Aber nicht schummeln wie sonst, ja?", wandte ich ein, er nickte nur und drehte sich um, also liefen Mirabel und ich los. Sie kauerte sich unter einem Baumstamm zusammen, während ich hinter einen großen Felsen kletterte und mich dort hinsetzte. Hier war ich für eine ganze Weile sicher, Camilo würde etwas brauchen, bis er den Wald durchsucht hatte. Leider war ich dadurch mit meinen Gedanken alleine und das machte mir nun doch etwas Angst. Ich hatte Angst davor, dass die Stimmen meiner Abuelos zurückkehren würden, aber glücklicherweise blieb alles still. Ich seufzte erleichtert. Ich hatte mir das wohl wirklich nur eingebildet! Da waren keine Stimmen! Aber trotzdem musste ich einen Weg finden, wieder Aufmerksamkeit von meiner Familie zu bekommen, ich wollte nicht vergessen werden! Na ja, jedes Mal, wenn ich traurig oder krank war, kamen Mamá und Papá und auch tía Julieta zu mir, um sich um mich zu kümmern. Vielleicht reichte das ja schon, um alle wieder für mich zu haben, wenn ich es wollte. Und wenn nicht, musste ich mir etwas Neues überlegen. Ich wusste noch nicht was, aber noch brauchte ich ja auch noch keinen Plan zu haben. Ich blieb still und lauschte den Geräuschen um mich herum, um Camilo hören zu können, wenn er kam. Wobei das eigentlich nicht unbedingt nötig war, ich konnte ja seine Gedanken hören und wusste damit immer, was er gerade vorhatte. Er kam gerade zu dem Baum, unter dem Mirabel saß, also würde er sie sicher in wenigen Sekunden finden. So schwer war sie ja schließlich nicht versteckt! Nach wenigen Sekunden hörte ich wie erwartet Mirabels Lachen, weil Camilo sie gefunden hatte, was mich auch zum Lächeln brachte. Wenigstens waren die beiden glücklich! Na ja, sie hatte ja aber auch keine kleinen Geschwister, die ihnen ihre Eltern wegnahmen! Ich schüttelte den Kopf. Nicht dran denken, sonst kamen diese bösen Stimmen nur zurück!
Ich bin nicht böse, Carlita. Ich will dir nur helfen!
Stopp! Sofort! Ich wollte keine dieser Stimmen hören! Egal welche! Egal, ob gut oder böse, ich wollte meine Ruhe! Es war irre, diese Sachen zu hören, ich war wohl vollkommen verrückt geworden! Zum Glück blieb es in meinem Kopf weiterhin still und ich redete mir ein, mir das auch nur eingebildet zu haben. Etwas anderes konnte es ja nicht sein. Es war unmöglich, krank zu werden, nur, weil ich keine Aufmerksamkeit mehr bekam, oder? Bestimmt - hoffentlich. Vielleicht konnte ich tía Julieta ja um Hilfe bitten, möglicherweise ging es mir nach einer Arepa ja schon etwas besser. Ich sollte sie fragen, sobald ich hier fertig war. Allzu lange konnte das ja nicht mehr dauern, Camilo war ja recht schnell im Finden. Zumindest für gewöhnlich. Ich hörte seine Stimme näherkommen und drückte mich näher an den Felsen. Mirabel schien ihm beim Suchen zu helfen, denn sie rief lautstark nach mir. Dachte sie wirklich, dass ich einfach antworten würde? Ich war doch nicht blöd! Wenn die beiden schon verstecken spielen wollten, dann auch richtig! Also blieb ich ruhig hinter dem Felsen sitzen und wartete auf meine Cousins, die noch ganze fünf Minuten brauchten, bevor sie mich endlich fanden. Sie lachten, als sie mich gefunden hatten und stürzten sich auf mich, um mich zu umarmen, worauf ich verwirrt umkippte, aber auch lachen musste. Es war schön, dass die zwei mich mochten. Da waren sie leider so gut wie die einzigen.
"Ist ja gut, ihr habt mich!", lachte ich und schob die beiden von mir runter.
"Wir haben gewonnen! Wir haben dich gefunden!", rief Camilo, ich nickte.
"Ja, ist gut, ich weiß!", erwiderte ich und stand auf, um mir den Dreck vom Kleid zu klopfen. Hoffentlich wollten sie nicht noch eine Runde Verstecken spielen, ich wollte sofort zu tía Julieta und sie um eine Arepa bitten. Ich musste diese schrecklichen Stimmen in meinem Kopf loswerden und das so schnell wie möglich.

Ich brauche dich, Bruno 3 - Schwindende MagieWhere stories live. Discover now