Kapitel 34 - Die Waage

104 9 8
                                    

Der Schock saß mir in allen Gliedern. War ich wirklich so dumm gewesen nach der Sache im Fuchsbau in eine erneute Falle von ihnen zu laufen? Ich wollte meinen Rock raffen, um an den Zauberstab zu kommen, doch da hatte er schon die eine Hand von meinen Mund weggenommen und damit mein freies Handgelenk umfasst.

"Spar dir die Schreie. Hier unten hört dich niemand", ertönte eine magisch verzerrte Stimme hinter der Maske, ehe er begann, mich grob vorwärts zu stoßen.

Wir befanden uns in einem schachtartigen Gang, der offenbar tief unter die Erde führte. Die Wände bestanden aus nassem Lehm. Hier und da hingen mächtige Wurzeln von der Decke. Der Gang war so niedrig, dass wir uns nur gebeugt vorwärts bewegen konnten. Ab und an stieß ich mir unsanft den Kopf. Doch es war einerlei. Eine kalte Gleichgültigkeit hatte von mir Besitz ergriffen. Ich würde hier unten sterben, ohne meine Familie noch einmal wiedergesehen zu haben.

Es wurde immer feuchter, je tiefer wir unter die Erde drangen, einzelne Fackeln erhellten den Weg. Dann sah ich eine eiserne Tür am Ende des Ganges, die mich an eine Folterkammer denken ließ. Sie war so massiv, dass sicher kein Laut nach außen drang. Der Todesser hinter mir machte einen kurzen Schlenker mit seinem Zauberstab, wobei er mich nicht einmal losließ. Die Tür öffnete sich und er stieß mich in den Raum.

Ich fiel auf feuchte kalte Fliesen. Es war so dunkel, dass ich kaum die Hand vor Augen sah. Nur ein schwaches bläuliches Leuchten ging von der Wand gegenüber aus und der Schein fiel auf Berge voller Gold.

Ich rappelte mich auf, verwirrt dass ich nicht mehr festgehalten wurde und drehte mich zu dem Todesser um. "Wo sind wir?"

"Unwichtig", ertönte wieder die magisch verzerrte Stimme. "Geh!"

Er nickte auf die Wand mir gegenüber von der das Leuchten kam, doch er hätte nichts mehr sagen müssen. Meine Beine bewegten sich wie von selbst in die Richtung. Dort befand sich eine kleine Glaskugel auf einem einfachen Holzbrett, das mit zwei Schrauben oben an der Wand angebracht war. Bläulicher Nebel waberte im Inneren der Kugel. Sie zog mich an wie ein Magnet.

Ich merkte erst, dass ich die Hand danach ausgestreckt und nach ihr gegriffen hatte, als ich das kühle Glas auf meiner Haut spürte. Und dann ertönte plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. "Es wird eine Zwillingsseele geboren werden, die die Macht zweier Welten in sich trägt. Schatten und Licht. Sie wird die Waage sein in einer Welt, wo Gut gegen Böse kämpft. Und wohin die Waage ausschlägt, diese Macht wird gewinnen. Sie muss es aus freien Stücken tun. Ihre Entscheidung formt die neue Welt."

Danach erlosch der Rauch und ein unkontrolliertes Zittern erfasste meinen Körper, weil mir klar war, dass ich gerade eine Prophezeiung gehört hatte. Die Prophezeiung über mich. Den Grund dafür, dass ich in einem Waisenhaus hatte aufwachsen müssen. Den Grund dafür, dass ich mich nie normal gefühlt hatte. Den Grund dafür, dass ich mich stets wie ein Seiltänzer über einem nicht abschätzbaren Abgrund fühlte.

Mit wild schlagendem Herzen drehte ich mich um und stellte wenig überrascht fest, dass der Todesser verschwunden war. Ich wandte den Blick wieder auf die Glaskugel, die nun wieder bläulich leuchtete.

Als ich mich auf den Rückweg machte, wirbelte tausend Gedankenfetzen durch meinen Kopf, die sich nach 17 Jahren endlich zu einem Ganzen zusammenfanden. Voldemort hatte mich meinen Eltern weggenommen, um Einsamkeit und Dunkelheit in mir zu nähren. Er glaubte, dass er die Schlacht gewinnen würde, wenn ich mich auf die dunkle Seite stellte. Offenbar glaubte er, meine Seele wäre dunkel genug dafür. Und ich musste nun alles dafür tun, ihm das zu beweisen. Solange er sich in dieser Sicherheit wog, konnte ich zum Gegenschlag ausholen. Nun ergaben auch Narzissas Worte einen Sinn.

Der Dunkle Lord wird dich bald nach seiner Ankunft wieder zu sich rufen. Und dann wirst du ihm deine Treue beweisen müssen. Deine Wahl. Erinner dich dabei an dieses Gespräch und tu das Richtige.

Der Zauber um Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt