Ich musterte die Giraffe auf dem Bildschirm.
Das riesige, elegante Tier schlang gerade seinen Hals um den eines Artgenossen. Die Beiden schmusten miteinander.

Oh nein! Warum nur? Das Schicksal schien mich wirklich zu hassen.

Ich hustete einige Male aufgeregt und musste mich dann umdrehen um „dringend" mein Kissen zu richten.

Nervös zupfte ich am Bezug und bewegte mich hektisch dabei. Ich nahm wahr, dass meine Wangen schon wieder zu glühen begonnen hatten. Ich fühlte mich wie das kindischste Wesen auf dem ganzen Planeten.

Und dann zuckte ich plötzlich zusammen, denn ich spürte eine warme Hand auf meiner Schulter.

„Alles okay bei dir?", fragte mich eine sanfte Stimme.

Wie machte er das nur?
Er hatte schon wieder gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmte. Vielleicht verhielt ich mich aber auch einfach nur so dermaßen bescheuert, dass Jeder in diesem Augenblick gemerkt hätte, dass bei mir etwas nicht in Ordnung war. Ich fühlte mich ihm einfach ausgeliefert.

„Sieh mich an", forderte er mich fast flüsternd auf und legte seine Finger zärtlich unter mein Kinn, um mein Gesicht zu sich zu drehen.

Ohne auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, fügte ich mich und folgte seiner Bitte.

Als meine Augen nach einer Ewigkeit auf seine trafen, stieg das flaue Gefühl in meiner Magengegend sofort wieder.

Wie gerne sah ich in diese schönen grün-karamellfarbenen Augen, die so beeindruckend funkelten. Wie gerne betrachtete ich seine dunklen, weichen Wellen, die ihm locker auf der Stirn lagen. Wie gerne starrte ich auf seine vollen, weichen Lippen und rief mir ins Gedächtnis, wie es sich angefühlt hatte, sie auf meinen zu spüren. Wie sie schmeckten, wie warm sie waren, wie ...

„Lynn?"
Mein Patient senkte den Kopf ein Stückchen zu mir herab und sah mich fragend an.
Ich hatte das Gefühl, seine Stimme wurde von Aussage zu Aussage leiser und brüchiger, seit wir hier oben waren.

Er griff zur Fernbedienung und schaltete ab.
Dann flüsterte er. „Kann es sein, dass du unseren Kuss bereust?"

Ich erstarrte.

Mit großen Augen sah er mich an und ließ sie über jeden Teil meines Gesichts springen, während er auf eine Reaktion von mir wartete. Seine Brust hob und senkte sich unruhig, während seine Finger, die immer noch mein Kinn hielten, auszukühlen schienen.

Wie konnte er nur so etwas denken?
Hatte er nicht gespürt, wie sehr mir der Kuss gefallen hatte? Wie sehr ich seine Nähe gewollt hatte? Wie schnell mein Herz schlug, wie errötet meine Wangen waren? War er auf einmal erblindet? Gefühlstaub?

Oder lag es einfach nur mal wieder daran wie dumm ich mich gerade verhalten hatte?

Das Einzige was ich wollte war doch nur, mich nicht meinen gefährlichen Gefühlen stellen zu müssen - nicht über sie zu reden, nicht darüber zu debattieren wie stark sie waren oder ob es schlau war, mich immer mehr fallen zu lassen. Ob es mehr war, als Anziehung und Zuneigung.
Und vor allem wollte ich nicht darüber sprechen oder davon hören wie es in ihm aussah. Wie er dazu stand. Was er über mich dachte.
Das hätte ich einfach nicht ertragen, denn wenn er seine Lippen geöffnet hätte, um es mir mitzuteilen, wäre mein Herz einfach explodiert.
Explodiert vor Nervosität.

Seine Augen wurden immer größer und flackerten immer schneller zwischen meinen hin und her.
Er wartete. Er wartete auf eine Antwort von mir.
Ich wollte „Nein! Ganz und gar nicht! Ich bereue den Kuss weniger als alles Andere in meinem Leben" schreien, doch mir blieben die Worte im Halse stecken.
Er fühlte sich auf einmal staubtrocken an und ein dicker Kloß hatte sich in meinem Rachen gebildet,
denn der Gesichtsausdruck meines Patienten hatte mir die Sprache verschlagen.
Seine Mimik war komplett in sich zusammengefallen. Er sah ... verletzt aus.

Er schluckte kräftig, schloss dann für einige Sekunden seine Augen, senkte seinen Kopf und zog seine Finger von meinem Kinn.

„Ich verstehe", hauchte er ohne mich anzusehen, denn er starrte auf die Bettdecke neben mir.

Was? Was verstand er?

Ich war ahnungslos.

Seine plötzlich matt gewordenen Augen hatten meine Denkprozesse gestoppt.

Dachte er etwa, mein Stummsein bedeutete ja? Ja, ich habe den Kuss bereut. Ja, ich habe ihn bereut und traue mich nicht, es dir zu sagen?
Konnte das sein?

Nein! Das durfte er nicht denken. Bitte nicht!
Genau das Gegenteil war der Fall.

Ich konnte nicht sprechen, ich konnte ihm nicht sagen was ich dachte. Es war, als hätte mir Jemand die Stimmbänder herausgerissen.

Er wandte sich von mir ab.

Sofort spürte ich einen unangenehmen Stich in meiner Brust.

Ich griff nach seinem Handgelenk.

Er sah mich an.

Ich zog ihn zurück zu mir.

Und küsste ihn.

Ich küsste ihn als Antwort auf seine Frage. Ich küsste ihn als Dementi, als Gegenbeweis, denn ich konnte mich immer noch nicht artikulieren.

Sofort spürte ich, wie sich seine gesamte Muskulatur wie auf Knopfdruck lockerte, als wäre eine massive Anspannung von ihm abgefallen.

Dieser Kuss war anders als der erste. Ganz anders.

Er begann weder zögerlich noch vorsichtig. Er war sofort fordernd, begehrend, willig, leidenschaftlich und ich bezweifelte, dass wir überhaupt jemals wieder von einander lassen konnten.

Ich ließ mich zurück in mein Kissen fallen und zog ihn mit mir, ohne dass sich unsere Lippen auch nur eine Sekunde lösten.
Er beugte seinen Oberkörper über mich und legte seine Beine zwischen meine. Dann senkte er sich langsam auf mich herab.

Völlig hypnotisiert von seiner Wärme und dem Brennen meines gesamten Körpers ließ ich meine Finger seine Wirbelsäule hinabgleiten und nahm war, wie ich unseren Kuss abbrach und meinen Kopf drehte, um ihm meinen Hals anzubieten, den er daraufhin mit dutzenden heißen Küssen übersäte.

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Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now