Wiedersehen

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-Dans Sicht-

Die Konzerte und Termine in Deutschland sind erledigt und wir machen uns wieder auf den Weg Richtung Heimat. Nicht ganz, aber zumindest befinden wir uns ab morgen wieder in England. Die Festivalsaison steht kurz vor der Tür und wir haben in London noch einige Termine zu erledigen. Interviews, Aufnahmen beim Radio und ein Auftritt bei einer Preisverleihung stehen an. Wir liegen verteilt in unseren Kabinen im Tourbus, Woody zockt auf seinem Handy, Will schläft und Kyle hört Musik. Harry sitzt vorne beim Fahrer und verwickelt ihn in ein Gespräch. Ich checke meine Emails und scrolle auf verschiedenen Plattformen umher. Eher, um mir irgendwie die Zeit zu vertreiben, als wirklich Interesse daran zu haben, was in den sozialen Netzwerken vor sich geht. Ab und zu schaue ich mir Fotos an, auf denen uns Fans verlinkt haben oder beantworte Kommentare, die mir direkt auffallen. Ich scrolle und scrolle und plötzlich sehe ich ein Gruppenfoto der Band mit zwei Mädchen, die mir bekannt vorkommen. Eine von ihnen erkenne ich direkt wieder: Lou. Ich muss direkt lächeln, als ich sie auf dem Foto sehe. Ich gehe auf ihr Profil und bin überrascht. Sie scheint häufiger zu posten und hat nicht wenige Follower. Wenn ich mir die letzten Beiträge anschaue, dann weiß ich auch, warum dies so ist. Ihr Badezimmerselfie mit ihrem Verband schien ordentlich für Aufmerksamkeit gesorgt zu haben. Oje, das ganze Theater ist ihr wahrscheinlich unangenehm. Aber vielleicht auch nicht, schließlich hat sie erneut ein Foto gepostet, diesmal mit uns. In den Kommentaren schreiben Leute, dass sie sich beim nächsten Konzert auch von mir die Nase brechen lassen wollen, damit sie mich persönlich treffen können. Ich bin kurz sprachlos... manchmal sind unsere Fans wirklich zu allem bereit. Der Gedanke erscheint mir trotzdem absurd. Bei Konzerten in die Menge zu springen, sollte ich wohl ab jetzt eher lassen. 

Ich scrolle durch ihr Profil, sie postet wenig Bilder von sich, sondern zeigt eher Orte, an denen sie war oder was sie gerade macht. Ich erkenne Orte in London, sie scheint oft auf Festivals zu sein und sie... tanzt. Ich fühle mich fast wie ein Stalker, aber ich kann nicht anders als mir das Video, welches sie gepostet hat, anzuschauen. Man kann sie kaum erkennen, sie steht an einem Fenster und ist eher ein Schatten. Im Hintergrund läuft ein Song von uns, genauer gesagt „Laura Palmer"... ein wirklich alter Song von unserem ersten Album. Sie beginnt dazu zu tanzen... langsam und elegant, fast schon akrobatisch verrenkt sie sich. Ihren Gesichtsausdruck erkennt man nicht, aber ihre Emotionen kommen trotzdem zum Vorschein. Ich bin beeindruckt! Davon hat sie beim Meet and Greet nichts erzählt. Wie auch, die Zeit war viel zu kurz, um dieses interessante Mädchen, ach was, diese junge Frau, besser kennenzulernen. Als sie mir gegenüber saß, konnte ich kaum meinen Blick von ihr wenden. Trotz ihres Verbandes war sie bildhübsch und ihre leicht roten Wangen haben dies noch unterstützt. Sie hat sich nervös auf die Lippen gebissen und mit ihrem Armband gespielt. Ich spiele das Video erneut ab. Plötzlich reißt Woody den Vorhang meiner Kabine auf: „Ey, was machst du da?". „Geht dich das was an?", frage ich ihn und packe hastig mein Handy weg. Er schaut mich amüsiert an. „Der Herr hat also Geheimnisse... und fängt an unsere Songs zu hören. Alles klar, Dan", er zeigt mir einen Vogel und geht lachend davon. Wahrscheinlich hat er den Song gehört, naja zum Glück hat er nicht gesehen, dass ich soeben einen Fan gestalkt habe. Ich ziehe den Vorhang wieder zu, drehe mich zur Seite und versuche zu schlafen. Ich muss an die tanzende Lou denken und frage mich, welche verborgenen Talente sie noch hat.

Angekommen in London checken wir in ein Hotel ein, natürlich unter einem verdeckten Namen, wie immer. Sobald die Fans nämlich davon erfahren, dass wir hier sind, lauern sie uns quasi auf. Wir beziehen unsere Zimmer, essen zusammen mit Harry etwas im Restaurant im unteren Geschoss und besprechen die kommenden Termine. „Also, heute steht das erste Interview an. Ansonsten habt ihr heute frei. Dafür müssen wir morgen Aufnahmen im Radio hier in der Nähe machen, die haben einen Podcast, wo ihr Thema sein werdet. Am Freitag ist dann wohl das Wichtigste, euer Liveauftritt im TV und die anschließende After-Show-Party." Harry erzählt uns die genauen Details und wir hören zu ohne etwas zu sagen und machen uns auf den Weg zum Interview. Als dies geschafft ist, verbringe ich die restliche Zeit des Tages damit um an einem Song zu schreiben, deren Zeilen mir seit ein paar Tagen durch den Kopf gehen. Kyle, Will und Woody sind mit ihren Freundinnen beziehungsweise Frauen unterwegs und verbringen Zeit zusammen. Mir als ewiger Single bleibt nichts anderes übrig, mich im Hotelzimmer einzuschließen. Ganz so schlimm ist es nicht, aber ich bin heute irgendwie nicht motiviert dazu mich in den Park zu setzen und mich unter die Leute zu mischen. Auch mit dem Song tu ich mich heute irgendwie schwer, zwischendurch bin ich kurz vorm Aufgeben, finde dann aber doch immer wieder eine Möglichkeit meine Blockade zu überwinden. Die Jungs sind zurück und wir essen noch etwas zusammen bevor ich mich in mein riesiges Bett in meinem Zimmer schmeiße. Viel zu groß für eine einzelne Person. Ich bevorzuge wirklich den Tourbus. Die Kabinen dort sind zwar nicht so bequem, aber wenigstens schläft man dort nicht allein ein. Ich vermisse sogar Will sein Schnarchen aus der Kabine über mir. Man möge meinen, dass ich froh wäre, mal alleine zu sein... ich verbringe durchaus auch gerne mal Zeit allein, aber eigentlich hab ich lieber meine Freunde um mich. Die ganze Tour und das, was ich mit der Band erlebe, ist wirklich ein Traum. Ein Traum, der für mich wahr geworden ist. Ich versuche nicht länger nachzudenken und einzuschlafen.

Die Aufnahmen im Radio dauern mehrere Stunden, wir verbringen den halben Tag dort, treffen tolle Leute und dürfen unsere Songs spielen. Den Tag darauf ist es dann soweit, der Liveauftritt steht bevor. Es sind zahlreiche Prominente angekündigt für den Abend, die für ihre Leistungen in Film und Fernsehen ausgezeichnet werden sollen. Für uns ist es eine große Ehre dort aufzutreten und unsere Musik zu präsentieren. Im Backstagebereich singen wir uns warm, machen unser übliches Ritual und rocken schließlich die Bühne. Anders als bei unseren Konzerten, hält sich das Publikum eher zurück und ich versuche mich daran anzupassen. Die Leute jubeln und klatschen, als der Song endet. Er kam demnach gut an und wir gehen zufrieden von der Bühne. Den Rest der Show verbringen wir im Backstagebereich und warten quasi nur darauf bis die After- Show- Party beginnt. Wir stopfen uns schon mal die Bäuche am Buffet voll und stoßen auf eine gelungene Woche an. Die Party wird schließlich eingeläutet und wir entscheiden uns dazu uns unter die Leute zu mischen, um Kontakte zu knüpfen. Ich führe angenehme Gespräche und bekomme viele Komplimente für unsere Musik. Je später der Abend, desto lockerer werden die Leute und es wird endlich getanzt. Allgemein scheinen nun nur noch eher jüngere Leute da zu sein und der Alkohol fließt. Ich beschließe den Jungs und mir ein neues Bier zu holen, sehe dann aber die Schlange vor der Bar. Auf der anderen Seite des Raumes gibt es eine weitere, also mache ich mich auf den Weg dorthin, indem ich mich durch die Leute dränge. Auch vor dieser Bar ist nicht wenig los, aber ich stelle mich an. Jetzt stehen nur noch zwei Personen vor mir, als ich an der Bar ein mir bekanntes Gesicht sehe. Eine junge Frau mit einem blonden Pferdeschwanz... Lou! Anders, als ich sie bisher kannte, hat sie keinen Verband mehr auf der Nase, scheinbar nur noch ein dünnes Pflaster. Trotz ihrer Arbeitskleidung habe ich sie direkt erkannt. Sie ist vollkommen auf das Ausschenken der Getränke konzentriert und wirkt leicht gestresst. Wie kann es sein, dass ich sie hier treffe? Ich erinnere mich an unser Gespräch, als sie erzählte, dass sie in London lebt und regelmäßig Musikveranstaltungen besucht. Jetzt weiß ich, was sie damit meinte. Sie kellnert! Daher auch die vielen Festivalfotos auf ihrem Instagramprofil. 

Ich muss schmunzeln, sie dachte wahrscheinlich ich würde schlecht von ihr denken, wenn sie mir die Wahrheit sagt. Als ich endlich an der Bar angekommen bin, dreht sich Lou zu mir und fragt mich, was ich trinken möchte. Zumindest fängt sie damit an, spricht ihre Frage aber nicht zu Ende, sondern sieht mich mit aufgerissenen Augen an. Ich glaube, sie hat mich wohl erkannt. Sie rührt sich nicht, also mache ich den ersten Schritt: „ Hi, hätte nicht erwartet dich hier zu treffen!". Die Musik ist so laut, dass ich fast bezweifle, dass sie mich akustisch verstanden hat. „Ja... was ein Zufall. Wo sind die anderen?", fragt sie, nimmt leere Becher anderer Gäste an und sortiert sie. „Die sitzen weiter hinten und warten darauf, dass ich ihnen ein Bier bringe." Sie entschuldigt sich bei mir und füllt vier Becher für mich ab. Ich zahle und kann mir nicht verkneifen sie zu fragen... „Wie lange musst du noch heute?". Sie ist gerade dabei ein weiteres Getränk abzufüllen, lässt aber die Hälfte daneben laufen, als ich diese Frage stelle. Ihre tollpatschige Art lässt mich kurz auflachen. Sie wischt alles hastig weg und entschuldigt sich bei ihrer Kollegin, die neben ihr steht. „Ich muss noch bis 2 Uhr, dann wechselt die Schicht", antwortet sie und überreicht dem Mann neben mir sein Getränk. „Okay, dann sehen wir uns später nochmal!", sage ich und mache mich auf den Weg zu den anderen. Die nächsten durstigen Gäste drängeln sich an die Bar und ich versuche keines der Biere zu verschütten. Ich hoffe Lou hat meine Andeutung verstanden und haut nicht nach Feierabend direkt ab. Ich muss unbedingt mit ihr sprechen und mehr über die Frau erfahren, die verborgene Talente und anscheinend auch andere Geheimnisse in sich trägt. Die Jungs warten schon und empfange mich jubelnd. „Was hat das so lange gedauert? Wir brauchen Bier!", Kyle und die anderen nehmen ihrs entgegen und wir stoßen zusammen an. Der Abend kann ja nur noch besser werden!

Schicksal- [Bastille/Dan Smith FF]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora