Hometown

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-Lous Sicht-

Mein Wecker klingelt, ich öffne die Augen und drehe mich Richtung Nachtschrank. Schnellstmöglich schalte ich das nervige Geräusch aus und richte mich auf. Welcher Tag ist heute? Ich höre den Staubsauger. Wozu habe ich mir eigentlich einen Wecker gestellt? Noch hab ich Urlaub und dank meiner Mum wäre ich ja jetzt sowieso wach. Warum sind Eltern so? Aber ganz ehrlich, eigentlich find ich es auch ganz süß. Wenn ich in London bin in meiner kleinen Bruchbude vermisse ich das sogar manchmal. Betonung liegt auf manchmal. Urlaub zu haben ist ganz komisch für mich, aber die letzten Wochen habe ich extra hart geschuftet, um mir jetzt mal ein wenig freie Zeit zu verschaffen. Bald beginnt wieder die Festivalsaison und dann habe ich genug zu tun. Ich laufe barfuß ins Bad und sehe mich im Spiegel an. Wow. Der blaue Fleck unter meinem Auge hat sich mittlerweile in einen bunten Regenbogen verwandelt. Wie es unter dem Verband an meiner Nase aussieht, will ich gar nicht wissen. Aber irgendwie muss ich auch schmunzeln. Ich muss an den Konzertabend denken und sehe Dan mit dem Rücken zu mir stehend vor mir. Ganz nah bei mir. Kein Wunder... an das, was danach passiert ist, kann ich mich kaum erinnern. Jess hat versucht mir den Unfall zu beschreiben und ich habe Videos gesehen, wo ich zusammengekauert vor Dan Smith sitze. Was ein Andenken... hat auch nicht jeder. Ich nehme mein Handy und beschließe hier und jetzt in meinem Schlafoutfit und meinem wunderschön zerzausten Haaren ein Selfie zu machen. Ich poste es auf Instagram und versehe es mit einer Bildunterschrift, verlinke Bastille und versehe den Post mit Hashtags, wie es sich gehört. Ich Instagramprofi. Nicht. Ich muss kurz über mich selbst lachen und springe unter die Dusche.

Frisch geduscht und angezogen gehe ich runter in die Küche und sehe meine Mum abwaschen. Der Tisch ist bereits gedeckt mit Brötchen, Marmelade und allem, was man sich so wünscht. Gott, Mum ist die Beste! „Wie lange bist du denn schon wach?", frage ich sie und schleiche mich von hinten an sie ran. Sie dreht sich zu mir um und sagt: „Guten Morgen, ich konnte einfach nicht mehr liegen bleiben. Brauche immer was zu tun, weißt du doch." Wir frühstücken zusammen und ich merke wie mein Handy vibriert... ich nehme ab und höre Jess.

„Heeeey, wie geht's dir? Man, ich hab das Bild gesehen, sieht ja immer schlimmer aus."

„Ach was, so sieht das nun mal aus, wenn es am verheilen ist. Was gibt's?"

„Hast du heute schon was vor? Ich wollte mit Monique und den anderen zum Kirschblütenfest heute Abend. Kommst du mit?"

Ich überlege kurz, sie bemerkt meine Pause und hakt direkt nach: „ Komm schon, bald bist du wieder weg und am anderen Ende der Welt."

„Man, ich seh aber unmöglich aus. Den Verband kann ich schlecht überschminken, da werden mich alle anglotzen."

„Ach selbst wenn, trag ihn mit stolz. Du warst Dan Smith näher als wahrscheinlich jeder andere Fan von Bastille."

Ich muss lachen und sage zu. Wo sie recht hat, hat sie recht. Ich freue mich sie und meine anderen Freunde wiederzusehen. Manche von ihnen habe ich seit einem Jahr nicht gesehen. Es tut so gut hier zu sein... am Küchentisch meiner Mum zu sitzen und Pläne mit meinen Freunden zu machen. Ich fühle mich wieder wie 17. Bloß bin ich mittlerweile schon 24 und ohman... was hab ich eigentlich bisher mit meinem Leben angefangen? Lieber nicht zu viel drüber nachdenken.

Den Tag über verbringe ich mit meiner Mum. Wir besuchen meine Großeltern, die sichtlich geschockt von meinem Gesicht zu scheinen sind. Jedenfalls habe ich eine Geschichte zu erzählen und es kommt zu keinen Fragen zu meiner derzeitigen Lebenssituation in London. Als wir wieder zuhause sind, gehe ich in mein altes Zimmer, um mich für den Abend fertig zu machen. Ich stehe vor meinem Kleiderschrank und bin überfordert. Ich dreh mich um und schaue meinen großen Wandspiegel an. Als ich jünger war, habe ich hier immer Choreographien von Musikvideos eingeübt. Das Tanzen allgemein war ein großes Thema für mich, ich war in einer Tanzgruppe und Fan von klassischen Tänzen und Akrobatik. Ich wollte immer professionell was daraus machen, selbst kurz bevor meines Abschlusses. Aber den Gedanken habe ich dann verworfen, als die Idee mit London kam und ich mich für das Studium beworben hatte. Lehramt natürlich, wie meine Mum. Ich dachte, ich wäre wie sie, aber ich hatte falsch gedacht. Mein Englisch war gut, ich wäre fachlich wahrscheinlich keine schlechte Lehrerin geworden, aber zum Unterrichten gehört eben noch mehr. Nun steh ich hier vor dem Spiegel. Ich geh auf die Zehenspitzen, spanne meinen Bauch an und bewege meine Arme nach oben. Anschließend versuche ich mich an meinem Bett an einem Handstand und scheitere kläglich. Ich verliere den Halt und kippe zur Seite. Wow. Ich bin komplett aus der Übung. Ich lenke mich ab, indem ich Musik einschalte und zum Kleiderschrank zurück tanze. Ich habe mich letztendlich für eine stinknormale Jeans, eine weiße Bluse und eine schwarze Lederjacke entschieden. Bevor ich runter gehe, betrachte ich nochmal meinen Verband. So ein Mist, ich sehe total dämlich aus. Als hätte ich mich geprügelt.... mit Dan Smith. Ich muss darüber schmunzeln und tanze summend die Treppe runter. „Da hat ja jemand gute Laune!", höre ich meinen Mum rufen. „Bis später, ich bin dann weg!", rufe ich ins Wohnzimmer und mache mich auf den Weg.

Schicksal- [Bastille/Dan Smith FF]Where stories live. Discover now