"Das kann nicht dein Ernst sein..."

342 26 15
                                    

"Ach Louis..." schluchzt Steff völlig überfordert von all den Emotionen, die so unerwartet, aber deshalb umso heftiger, wild in ihrem Inneren durcheinandergewirbelt werden. "Wenn ich das doch nur ansatzweise glauben könnte. Aber ein Recht auf dieses Kind..." sie fährt sich sachte über ihren Bauch, "... habe ich nach dem Geschehenen hier definitiv nicht! Auch wenn das kleine Würmchen für all das eigentlich gar nichts kann... Es hat sich einfach die falsche Mami ausgesucht...". Langsam lösen sich einige, erneute Tränen aus Steffs Augen und laufen ihr stumm über das Gesicht. Es ist mehr als offensichtlich, dass sie dieses ungeborene Kind schon jetzt unendlich liebt, es aber einfach nicht zulassen möchte oder kann. Louis nimmt ihre Hände in seine Eigenen und drückt sie liebevoll. Dann schaut er Steff tief in die rot geschwollenen Augen und lässt sein Herz sprechen. "Nein, das hat es definitiv nicht! Dieses kleine Wunder hat die beste Entscheidung seines Lebens getroffen! Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung!". Steff hingegen schüttelt nur kraftlos den Kopf. Louis kann nicht glauben, wie gebrochen seine Mutter sein muss, um nicht sehen zu können, was für einen wundervollen Job sie als Mama Tag für Tag leistet.

"Ich kann beim besten Willen einfach nicht verstehen, wie Yvonne dir die Schuld für so eine Tragödie geben kann! Sie muss doch genauso wie du wissen, dass man diesen Unfall niemals hätte verhindern können! Und, dass dein Handy beim Sturz kaputt gegangen ist, das war einfach nur pures Pech. Jeder andere hätte in so einer Ausnahmesituation genauso gehandelt wie du, Mama! Ihr habt doch sicher mal noch miteinander über den Unfall gesprochen... Das habt ihr doch oder?!". Steff starrt jedoch nur ausdruckslos in das Gesicht ihres Sohnes. Lediglich ein geflüstertes "Nein..." verlässt ihre Lippen, bevor sie ihren Blick auf den Boden sinken lässt. "Wie jetzt?! Mama, das kann nicht dein Ernst sein... Du hast ihr den Unfall nie aus deiner Perspektive geschildert?! Sie weiß demnach überhaupt gar nicht, was genau passiert ist?!". Fassungslos hebt Louis Steffs Kinn an, damit diese dazu gezwungen ist, ihm in die Augen zu sehen." Sie weiß es vom Gerichtsprozess, also von den Augenzeugen und der kurzen Zusammenfassung, die ich Thomas gegeben habe. Ich selbst hatte es nicht geschafft, dort vorzusprechen.", gibt Steff nach einigen Sekunden der Stille zu.

"Ich konnte ihr einfach nicht mehr gegenüber treten- ihren Schmerz und das Leid in ihren Augen zu sehen, das konnte ich nicht aushalten. Nicht nachdem ich dafür verantwortlich war.... Und dann... Dann hat sie mir nie mehr die Chance dazu gegeben, mich zu erklären... Sie hat alles versucht, um uns das Leben ebenfalls zur Hölle zu machen, so wie ich es bei ihr getan hatte.... Louis, als ob der Unfall an sich nicht schon schlimm genug gewesen wäre, nein, die Zeit danach war der Horror. Der Albtraum ging weiter- Tag für Tag. Yvonne hat uns den Tod gewünscht, sie hat überall Lügen erzählt, um mein Leben endgültig zu zerstören. Als ob ich das nicht sowieso schon selbst getan hatte...". Ein gequältes, sarkastisches Lachen verlässt Steffs Kehle. "Fast hätte sie es geschafft, mir all das zu nehmen, was mir noch wichtig war: die Band, dein Vater und dich...". Viele kleine Tropfen der salzigen Flüssigkeit finden bei diesen Erinnerungen erneut den Weg über ihre Wangen. Louis versteht allerdings nicht so ganz, was seine Mutter ihm damit sagen möchte. Fragend blickt er ihr in die Augen und Steff seufzt einmal tief auf, bevor sie weiterspricht.

"Nun ja, du kannst dir sicher vorstellen, dass das Geschehene nicht so einfach an einer Beziehung vorübergeht. Dein Vater und ich... Wir hatten uns immer mehr voneinander entfernt. Ich habe mich verschlossen, distanziert und lange Zeit Niemanden mehr an mich herangelassen. Ich hatte versucht, dieses Trauma für mich selbst zu bearbeiten- natürlich ohne Erfolg. Ich war seit dem Unfall nie mehr ich selbst, zerfressen von Schuldgefühlen und völlig paranoid. Ich hab' dich keine Sekunde aus den Augen gelassen, du durftest zu keinem deiner Freunde spielen gehen. Ich hatte einfach solche Angst davor, dass mit dir das Gleiche passieren könnte, wie mit Matteo. Zeitgleich hatte ich es aber nicht geschafft, mit dir alleine irgendwo hinzugehen, da ich direkt Panik bekommen habe, wieder nicht reagieren zu können, falls du dich verletzten solltest. Ich könnte es einfach nicht zulassen und du musstest es ausbaden... Es tut mir so leid, mein Schatz!".

NEXT × GENERATIONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt