32. After Every Storm The Sun Will Smile

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Mittlerweile waren vier Monate vergangen, seitdem ich in die Upper East Side zurückgekehrt war. Auch, wenn mir der Abschied von Emmanuel fast das Herz gebrochen hätte, schien es die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Außerdem wusste ich natürlich, dass es sich nur um eine Trennung auf Zeit handelte, was die ganze Angelegenheit ein wenig erleichterte.

Meine Eltern hatte ich zuvor nicht über meine Rückkehr aufgeklärt, so dass die beiden von meiner Heimkehr vollkommen überrascht wurden. Die Begrüßung fiel zugegebenermaßen recht verhalten aus, aber ich hatte auch nichts Anderes erwartet.

„Sieh an, da scheint wohl jemand endlich vernünftig geworden zu sein?", waren die ersten Worte meines Vaters, als ich am frühen Morgen schließlich vor ihrer Haustür aufgeschlagen war. Anstelle einer Umarmung, verschränkte er nur abwartend die Arme vor der Brust und bedachte mich mit einem missbilligenden Blick.

Als meine Mom meine Rückkehr bemerkte, war sie ebenfalls an die Tür getreten und hatte meinen Dad mit einer entschiedenen Bewegung zur Seite geschoben. Obwohl sie daraufhin schluchzend ihre Arme um mich schlang, spürte ich ganz deutlich, dass sich aufgrund der gesamten Ereignisse, eine gewisse Distanz zwischen uns entwickelt hatte. Es fühlte sich fremd an, wie ich mir eingestehen musste.

Natürlich folgten etliche Auseinandersetzungen, welche eigentlich fast ausschließlich in lautstarken Streitgesprächen geendet waren. Mein Vater wollte nach wie vor nicht akzeptieren, dass ich nicht an einem Studium an der Harvard University interessiert war und als er mit Drohungen nicht weiterkam, versuchte er, mich emotional zu erpressen. Ich durfte mir immer wieder anhören, wie undankbar ich doch war. Allerdings schaffte er es nicht, mich mit seinen Äußerungen zu brechen.

Entgegen dem Wunsch meiner Eltern, suchte ich mir gleich in den ersten Tagen meiner Rückkehr einen Job in einem kleinen Café. Ich wollte keine Sekunde länger finanziell von ihnen abhängig sein, weshalb dies ein erster Schritt in die richtige Richtung darzustellen schien.

Natürlich facetimte ich täglich mit Emmanuel, um ihm jeden Tag aufs Neue mitzuteilen, wie sehr er mir fehlte. Manchmal ging er mit dem Handy runter zum Meer, so dass ich für einen Moment dem sanften Klang der Wellen lauschen konnte. Wenn ich dabei die Augen schloss, konnte ich fast die wärmende Sonne auf meiner Haut spüren.

Neben meiner Arbeit hatte ich mich auch intensiv mit meinen Zukunftswünschen auseinandergesetzt. Ich wusste mittlerweile, dass ich auf jeden Fall studieren wollte, aber es fiel mir nicht leicht, mich auf eine bestimmte Richtung festzulegen. Mein ganzes Leben war fremdbestimmt gewesen, weshalb ich es schwer fand, meine Interessen zu formulieren.

Angestrengt durchforstete ich das Internet und nahm sogar an zahlreichen Persönlichkeitstests teil, um irgendwie herauszufinden, wohin meine Reise gehen würde. Emmanuel unterstützte mich dabei stets aus der Ferne und er war fest davon überzeugt, dass ich etwas finden würde, woran ich Freude hatte. Obwohl ich wusste, wie sehr auch er unter unserer räumlichen Trennung litt, versuchte er niemals, mich davon abzuhalten, meinen Weg zu finden und dafür liebte ich ihn umso mehr.

Irgendwann, nach einer anstrengenden Schicht, lief ich gedankenverloren durch die Straßen von New York City. Das hektische Treiben der Großstadt schaffte es zumindest zeitweise, mich abzulenken. Dabei beobachtete ich die Menschen, welche fast ausschließlich mit sich beschäftigt zu sein schienen. Irgendwie führte mich mein Weg zu einem kleinen Buchladen am Ende einer der zahlreichen Sackgassen, welche typisch für diese hektische Stadt waren. Vollkommen abrupt hielt ich vor dem Schaufenster an und ließ meinen Blick über die Bücher in der Auslage schweifen. Früher war ich des Öfteren in den verschiedensten Geschichten versunken und in diesem Moment fragte ich mich, warum ich eigentlich mit dem Lesen aufgehört hatte.

Ohne weiter darüber nachzudenken betrat ich den Laden und eine kleine Glocke oberhalb der Tür, informierte auch den Besitzer des Geschäfts über das Eintreten eines potenziellen Kunden. Ein älterer Herr mit einem langen grauen Bart eilte daraufhin aus einem Hinterzimmer und platzierte sich vor dem Verkaufstresen. Freundlich blickte er mir über den Rand seiner Brille entgegen. „Guten Tag! Darf ich Ihnen vielleicht behilflich sein?"

Perfect Getaway.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt