10. Get the Party Started

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Ich konnte nicht leugnen, bereits am Morgen des besagten Freitags furchtbar nervös gewesen zu sein. Meine Schicht in der Surfschule schaffte es auch nicht wirklich, mich auf andere Gedanken zu bringen, da die Vorbereitungen für das Strandfest bereits begonnen hatten und es bei den Touristen ebenfalls kein anderes Thema zu geben schien. Jedes Mal, wenn ich einen Blick nach draußen warf, konnte ich zudem beobachten, wie einige Arbeiter dabei waren, in unmittelbarer Nähe eine Bühne aufzubauen und den Strandabschnitt mit verschiedenen Dekorationen zu schmücken.

Immer wieder fragte ich mich, was der Abend wohl für uns bereithalten würde. Der Gedanke daran, Zeit mit Emmanuel verbringen zu können, ließ meine Knie weich werden.

„Du kannst ruhig Feierabend machen. Die Touristen bereiten sich wahrscheinlich schon auf die Party vor und es wird dementsprechend ruhig bleiben", schlug Emmanuel irgendwann vor, als ich gerade dabei war, die Ausstellungsstücke auf dem Regal zu sortieren. Eigentlich hätte ich noch eine gute Stunde zu arbeiten gehabt, aber es war im Vergleich zu den vorherigen Tagen tatsächlich viel weniger los.

„Bist du sicher? Ich kann auch noch hier bleiben ...", entgegnete ich überrascht und wusste nicht, ob ich das Angebot ohne schlechtes Gewissen annehmen konnte. Immerhin wollte ich nicht den Eindruck vermitteln, mich vor der Arbeit zu drücken.

„Ganz sicher", antwortete er entschieden, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann trat er hinter den Verkaufstresen und zog einen Briefumschlag hervor. „Das hier ist für dich. Der Lohn für deine Unterstützung hier im Laden."

„Danke", erwiderte ich und ließ den geschlossenen Umschlag in die hintere Tasche meiner Jeansshorts gleiten. „Ich schätze, dann werde ich mir gleich ein Outfit für heute Abend kaufen."

„Willst du gar nicht nachzählen?" Er hob überrascht eine Augenbraue, während er mich schmunzelnd musterte.

„Nein, brauche ich nicht. Ich vertraue dir und deinen Zählkünsten."

Emmanuel hob ergeben seine Hände und komplimentierte mich anschließend lachend aus dem Laden. „Ich hole dich um 20 Uhr ab, in Ordnung?"

„Alles klar. Dann bis nachher."

****

Ich begab mich auf direktem Weg in Richtung der kleinen Ladenstraße, um in einer der Boutiquen nach einem passenden Abendkleid zu suchen. Während ich die Promenade entlang lief, zog ich beiläufig den Umschlag aus der Hosentasche und öffnete ihn, um das Geld in mein Portemonnaie einsortieren zu können. Als ich jedoch den Inhalt des Briefumschlages erblickte, blieb ich auf der Stelle stehen und starrte entsetzt auf die Geldscheine. Neben der eindeutig zu hohen Summe, war ebenfalls eine kleine Notiz beigelegt: Trinkgeld wird auch geteilt. Keine Widerrede.

Obwohl es eine wirklich nette Geste von Emmanuel war, entschloss ich, nur den ursprünglich vereinbarten Lohn zu behalten und ihm das restliche Geld zurückzugeben. Immerhin lebte er von diesen Einkünften und war auf diese angewiesen.

Als ich den Laden erreicht hatte, verweilte ich einen Augenblick vor der ausladenden Fensterfront und betrachtete die dort ausgestellten Kleider. Mir fiel sogleich ein dunkelblaues Abendkleid auf und ich trat einen Schritt näher an die Scheibe, um es genauer betrachten zu können. Es war schlicht und trotzdem nicht alltäglich. Das ärmellose Kleid wies einen Rückenausschnitt auf, welcher bis zur Taille reichte und dort in einer A-Linie knapp über den Knien endete. Außerdem schien es bedingt durch den dünnen Stoff perfekt für den Strand geeignet zu sein.

Entschlossen schritt ich in den Laden und kaufte das Kleid, ohne es anzuprobieren. Um ein stimmiges Bild abzugeben, nahm ich noch ein Paar passende Schuhe mit und hoffte, ich würde in den Sachen eine gute Figur abgeben.

Die engagierte Verkäuferin versuchte unterdessen, mir noch einige Accessoires anzudrehen, was ich jedoch mit einem freundlichen Lächeln verneinte. Immerhin wollte ich nicht sofort meinen gesamten Lohn auf den Kopf hauen.

****

Als sich der Nachmittag dem Ende zuneigte, suchte ich nervös die Dusche im Fitnessbereichs des Hotels auf. Das lauwarme Wasser fühlte sich wie eine beruhigende Massage auf meiner Haut an und ich genoss es in vollen Zügen.  Anschließend band ich mir ein Handtuch um den Körper, bevor ich meine Haare föhnte und währenddessen überlegte, ob ich sie offen tragen sollte. Ohne mir die Frage abschließend beantwortet zu haben, schlüpfte ich in mein neues Kleid. Erleichtert stellte ich fest, dass es mir tatsächlich passte und ich begann damit, ein dezentes Makeup aufzutragen. Seit meiner Ankunft in Kolumbien hatte ich mich nicht mehr geschminkt und es fühlte sich gut an, mal wieder etwas Farbe aufzutragen. Damit der Rückenausschnitt des Kleides zur Geltung kommen konnte, band ich meine langen blonden Haare dann doch zu einer lockeren Hochsteckfrisur und ließ mein Gesicht von zwei einzelnen Strähnen einrahmen. Anschließend drehte ich mich vor der großen Spiegelfront und betrachtete mich von allen Seiten.

„Das ist aber ein schönes Kleid", wandte sich plötzlich eine fremde Frau an mich. Sie war offensichtlich gerade vom Sport gekommen und auf dem Weg, sich ebenfalls eine Dusche zu gönnen. Dabei hatte sie hinter mir gestoppt und begutachtete mich interessiert.

„Vielen Dank", gab ich lächelnd zurück. Irgendwie freuten mich Komplimente von anderen Frauen immer besonders.

„Sehr gerne", erwiderte sie freundlich. Dann setzte sie ihren Weg fort.

Ob ich Emmanuel wohl ebenfalls gefallen würde?

****

Ich positionierte mich bereits einige Minuten früher vor der Surfschule und verlagerte mein Gewicht nervös von einem Bein auf das andere, während ich auf meine Verabredung wartete. Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten und ich lauschte den Klängen der Musik, welche bereits im Hintergrund spielte. In regelmäßigen Abständen strömten Menschen an mir vorbei. Einige waren festlich gekleidet, andere hingegen sahen aus, als seien sie gerade aus dem Meer gekommen und ich fragte mich sogleich, ob sich Emmanuel wohl ebenfalls ein wenig herausgeputzt hatte.

Es dauerte nicht lange, da kam er bereits mit einem breiten Grinsen auf mich zugelaufen. Mein Blick wanderte automatisch an ihm herab, er trug ein weißes Hemd, welches leicht an seinen muskulösen Oberarmen spannte und dazu eine dunkle, hochgekrempelte Jeans und weiße Sneakers. Er sah einfach umwerfend aus und mein Herz begann heftig zu klopfen.

„Wow, du siehst wirklich wunderschön aus", ergriff er als erster das Wort und sein bewundernder Blick schmeichelte mir.

„Das kann ich nur zurückgeben, Mr. Rodríguez", antwortete ich kichernd und versuchte meine Aufregung mit einem Lachen zu überspielen. Immerhin hatte ich noch immer keine Ahnung, ob dies tatsächlich ein Date war oder ob ich seine Freundlichkeit einfach nur fehlinterpretierte.

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Mittelpunkt des Festivals und ich war vollkommen verzaubert von dem karibischen Flair, was diese Veranstaltung umgab. Fackeln steckten in länglichen Halterungen im Sand und die Meeresbrise ließ die Flammen in regelmäßigen Abständen aufflackern, was dem Ganzen eine fast schon magische Atmosphäre verlieh.

Auf der Bühne spielte eine kolumbianische Band und sorgte somit für eine ausgelassene Stimmung unter den Gästen. Die Strandbar hatte ihre gesamte Hütte mit bunten Lampions geschmückt und überall waren Stehtische verteilt, welche ebenfalls mit Lichterketten verziert worden waren.

„Möchtest du erst etwas trinken oder willst du tanzen?", fragte mein Begleiter plötzlich, als wir die Bühne fast erreicht hatten. Er deutete auf eine freie Fläche, wo sich bereits einige Menschen rhythmisch zu den Klängen der Musik bewegten, während seine Mundwinkel verdächtig zuckten. Er machte sich ganz offensichtlich einen Spaß daraus, mich aus der Reserve zu locken.

„Ich glaube, ich würde lieber erst etwas trinken", antwortete ich ausweichend und zog ihn augenblicklich in Richtung der Strandbar. An die Blamage beim Surfen wollte ich nicht unbedingt nahtlos anknüpfen.

Wir bahnten uns also den Weg durch das Gewirr aus Menschen und hatten unser Ziel fast erreicht, als ich eine Person bemerkte. Sie stand an einem der Stehtische und ihre Augen fixierten uns feindselig:

Carla.

Perfect Getaway.Where stories live. Discover now