Kapitel 1

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Kapitel 1

Als ich aus dem Auto stieg und die Wohnung von außen betrachtet, klappte mir die Kinnlade herunter. Nicht nur die Gegend war das reinste Ghetto, nein, wir wurden auch in das heruntergekommenste Haus verfrachtet das es weit und breit zu finden gab.
Entnervt hievte ich meinen Koffer nach oben und war doch überrascht. Die Wohnung war offen, geräumig, hell und frisch saniert. Helles Parkett zierte den Fußboden und die Wände, na gut, ein bisschen Farbe könnte ihnen gut tun, aber ansonsten.  

-Nicht schlecht-
Mein Vater legte seine Hand auf meine Schulter. In seinem Arm Charly, die mich mit ihren fünf Jahren herzlich angrinste.
"Und? Was sagst du?", frage er vorsichtig und ließ den Blick durch die Wohnung schweifen.
Ich musste lachen. "Okay, mit eine der besten Wohnungen die wir je hatten.", gestand ich.
"Such dir ein Zimmer aus!", forderte er mich auf. Mir war klar das er eine Menge gut machen wollte und zu mein Schande musste ich gestehen das es funktionierte.
Also beschloss ich das Kriegsbeil nach fast mehr als fünf Monaten zu begraben und nachdem einige Möbel aufgebaut waren, machte ich mich auf die Suche nach Pfannen und Kochtöpfe und bereitet meinem Vater sein Lieblingsessen zu. Charly saß neben mir auf dem Boden und sah mir neugierig zu. Papa war gerade dabei Charlys Bett aufzubauen als ich mit dem Essen fertig war.

Inzwischen war es schon ziemlich spät und wir alle hatten großen Hunger.
"Essen!", brüllte ich und mein Vater kam angeeilt.
Ein großer offener Durchgang trennte das Wohnzimmer von der Küche. Die Wände waren -wie überraschend- weiß. Wie ebenfalls die Fensterrahmen. Links, als auch rechts der Küchenzeile. Provisorisch hatte ich einen Klapptisch aufgestellt und musste feststellen, dass wir keine Teller, als auch Stühle besaßen.

Hilfesuchend sah ich mich um  und knetet mein Kinn.
"Und jetzt?", frage ich schließlich und sah meinen Vater an.
Er lachte. "Pack das Essen in den Kühlschrank und wir holen uns schnell irgendwo etwas."
Ungläubig sah ich ihn an.
Er verstand und erwiderte:" So schwer kann es ja nicht werden etwas zum essen zu finden."
Ungläubig schnappte ich mir meine Jacke, zog Charly einen Pullover über und folgte meinem Vater aus der Wohnung.
"Ich hoffe du merkst dir den Weg."
Charly lachte. Ich schnallte sie an und setzte mich neben meinen Vater. Ein Restaurant zu finden gestaltete sich schwieriger als gedacht. Und während unserer Sightseentour durch die "Metropole" stellte ich fest, dass es mir hier nicht sonderlich gut gefallen würde.
Im Moment waren zwar noch Ferien, aber wie würde es sein wenn die Schule los ging? Ich würde auf eine BBS gehen mit der Fachrichtung Wirtschaft. Durch das ständige Umziehen konnte ich mich nicht auf dem Gymnasium halten und war gezwungen meinen Abschluss auf der Realschule zu machen.
Mir graute es davor, aber noch mehr graute es mir vor den bevorstehen Ausflügen mit dem neuen Verein. Wir waren mal wieder die Neuen. -Wie so oft-  
Die Kinder der anderen Spieler war entweder Säuglinge, klein Kinder oder nicht zu ertragen. Hochnäsig und eingebildet trifft es ziemlich präzise.
Der Sohn des ehemaligen Trainers in Berlin war ein Jahr älter und nicht zu ertragen. Überzeugt von sich...es ist einfach nicht in Worte zu fassen.
Da waren mir dann die kleinen Kinder noch lieber. Es wäre nur einmal schön gewesen jemanden in meinem Alter zu treffen, der sich Tag täglich mit den gleichen Problemen auseinander setzen muss wie ich. Wenn wenigstens die Spieler, sprich die Teamkollegen von meinem Vater in meiner Altersklasse liegen würden-...wäre nicht optimal aber ein Anfang. Aber was sag ich, bis jetzt kam es noch nie vor. Wenn ich so drüber nachdenke lag es vielleicht daran, dass ich fünfzehn war? Wie auch immer.
"Meinst du, du wirst dieses Saison bei ein paar Spielen dabei sein?", frage mein Vater vorsichtig und riss mich aus meinen Gedanken.

Ich wusste das es ihm viel bedeutet aber Eishockey war so gar nicht meine Welt. "Joa, mal sehen?!"
Er akzeptierte es und hakte nicht weiter nach. An manchen Tagen war er wie ein guter Kumpel und anderen...puhhh...unausstehlich! -Wie ein Vater eben!-
Nach gefühlt einer Stunde schrie ich plötzlich auf. "Haaalt!"
Entsetzt blickte mein Vater mich an und faste sich an die Brust. "WAS?!"

"Ein Bäcker!"
Enttäuscht sah er mich an.
"Komm schon, Papa. Wir haben alle Hunger und das ist besser als gar nichts."
Er ließ sich breitschlagen, gab mir Geld und wartet im Wagen, zusammen mit der schlafenden Charly.
Die Verkäuferin sah genervt aus. Ich ignorierte es und bestellte zwei belegte Brötchen, als auch ein normales für Charly. Mit einem "Schönen Abend." ließ ich die mufflige Verkäuferin allein und stürzte mich anschließend, genauso wie mein Vater auf das Brötchen. Dies waren Situationen die ich liebte. Dieses spontane Brötchen gemampfe im Auto mit meinem Vater erinnerte mich an alte Zeiten. Es war gemütlich und vertraut und gab mir ein Gefühl von Familie. Nachdem meine Mutter gegangen war haben wir solche Aktionen öfter gestartet. Nur mein Dad und ich. Ich vermisste es.
Verlegen strich ich mir über mein grünes Kermit der Frosch Shirt und wischte meine fettigen Finger an der alten Bluejeans ab, die ich schon seit Jahren besaß.
"Dad,"

Er sah auf und ließ sein Brötchen sinken.
"es tut mir leid das ich die letzten Monate so anstrengend war."
Eine gute Eigenschaft an meinem Vater: Er wusste wenn er etwas erwidern oder es lassen sollte.
Mit einem Nicken und Grinsen mit vollgestopften Mund akzeptierte er meine Entschuldigung und ließ es damit auf sich beruhen.
Inzwischen war es dunkel und die Stimmung im Auto war behaglich. Es war einfach nur harmonisch wie schon lang nicht mehr. Hach, wie das essen doch Menschen verbinden kann.

Nachdem wir beide aufgegessen hatten sahen wir uns an und mussten lachen.
"Findest du den Weg nun auch zurück?!", fragte ich schließlich und musste noch mehr lachen, bis der Schluckauf mich zwang aufzuhören.

"Wollen wir es hoffen.", grinste er schelmisch und starte den Motor.

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